Interview mit Honorarkonsul Volker Schütte über die wirtschaftliche Lage in Südafrika

Die Republik Südafrika ist mit Abstand Bremens größter Handelspartner auf dem afrikanischen Kontinent. Zahlreiche Bremer Unternehmen unterhalten bereits heute regelmäßige Geschäftskontakte ins Südliche Afrika - mit steigender Tendenz. Der bremische Südafrikahandel macht durchschnittlich etwa ein Drittel (33 Prozent) des gesamten bremischen Außenhandels mit Afrika aus. Über 100 bremische Unternehmen - darunter Zulieferer der Automobilindustrie, Logistiker, Maschinen- und Anlagenbauer, Dienstleister- und Beratungsunternehmen, Großhändler oder auch Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie, der Medizintechnik und den Erneuerbaren Energien - sind in Südafrika aktiv, etwa 40 davon sogar mit einer Niederlassung / Produktionsstätte oder Beteiligung in Südafrika vertreten.
Im Gespräch mit Volker Schütte erfahren wir seine Sicht auf die wirtschaftliche Situation in Südafrika. Als geschäftsführender Gesellschafter des Handelsunternehmens Louis Delius GmbH & Co. KG sowie Honorarkonsul der Republik Südafrika und Doyen des Konsularischen Korps im Lande Bremen kennt er das Land und seine Menschen seit vielen Jahren.
Sehr geehrter Herr Schütte, die Corona-Pandemie hat Südafrika ökonomisch und sozial mit voller Wucht getroffen, die Wirtschaft ist im zweiten Quartal um 16 Prozent geschrumpft, Millionen Menschen kämpfen um ihre Existenz. Wo wird die aktuelle Situation am deutlichsten sichtbar?
Südafrika hatte ja bereits vor der COVID-Krise eine hohe Arbeitslosigkeit gehabt – durch den strikten, staatlich verordneten „Lock down“ von Ende März bis Ende Mai ist die lokale Wirtschaft hart getroffen worden und die Arbeitslosigkeit noch weiter gestiegen. Insbesondere die Gastronomie, Touristik und weitere Service Industrien und ihre Beschäftigten waren und sind auch heute noch besonders betroffen. Der Staat hat durch monatliche Zuwendungen an die betroffenen Personen sicherlich geholfen. Aber Personen die vorher im informellen Sektor gearbeitet hatten, fielen oft nicht unter den Rettungsschirm der staatlichen Zuwendungen. Die Bevölkerung auf dem Lande hat sich dabei oft besser helfen können, als die Bewohner der großen Metropolen des Landes.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtete im September 2020 von Zweifeln an den offiziellen Infektionszahlen - laut Bericht sollen sich bis zu 20 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert haben, statt 650.000 Tausend, wie von der Regierung vermeldet worden waren. Der befürchtete Kollaps des Gesundheitssystems blieb bisher aus - ist es eine Frage der Zeit, bis sich das ändern wird?
Tatsächlich wurde durch eine sehr begrenzte Untersuchung in der Kap-Provinz bekannt, dass bei einer weit höheren Anzahl an Personen im Kreise von HIV-Infizierten und Schwangeren Antikörper des Coronavirus nachgewiesen wurde als bisher erwartet. Wie dieses Ergebnis nun medizinisch auszuwerten und zu beurteilen ist, kann ich selber nicht beurteilen. Tatsache ist, dass das staatliche und private Gesundheitssystem relativ stabil über die letzten Monate funktioniert hat und auch belastbare Auswertungen über Infektionen vorliegen. Die Qualität der Versorgung war sicherlich von Provinz zu Provinz unterschiedlich. Zur Zeit, mit der Abschwächung dieser Krise im Land, ist davon auszugehen, dass auch in den kommenden Monaten das Gesundheitssystem den Herausforderungen gewachsen sein sollte.
Erwarten Sie weitere Rückschläge durch eine zweite oder sogar dritte Infektionswelle, die eine Stabilisierung der Wirtschaftskraft in Südafrika weiter erschweren würde? Oder sehen Sie wirksame Maßnahmen, die dem Vorschub leisten können?
Durch die weitere Öffnung der Wirtschaft und Reduzierung des „Lock down“ für die allgemeine Gesellschaft – Südafrika geht ab dem 1. Oktober 2020 nun in die niedrigste Stufe der Maßnahmen – werden wir im Lande sicherlich wieder einen Anstieg der Infektionen erleben. Positiv aber muss man anerkennen, dass die Todesfälle auf einem niedrigen Niveau sind und auch wohl bleiben werden. Die Regierung beobachtet auf jeden Fall die Entwicklung von Provinz zu Provinz mit größter Aufmerksamkeit und lokal begrenzte Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung werden eventuell wieder notwendig. Ich selber bin hier vorsichtig aber optimistisch in meiner Einschätzung für die kommenden Monate.
Weltweit bremsen die Einreise- und Quarantänebestimmungen den globalen Handel, so auch in Südafrika. Präsident Ramaphosa hat nun Lockerungen angekündigt. Das Land will zum 1. Oktober wieder den Luftraum für internationale Flüge öffnen. Flugreisende müssen einen negativen Coronatest nachweisen, der vor Abflug nicht älter als 72 Stunden sein darf. Wie bewerten Sie als Unternehmer diesen Schritt?
Ich selber bin in den letzten sieben Monaten drei Mal in das Land gereist und wieder nach Deutschland zurück gekehrt unter Einhaltung der betreffenden Quarantänebestimmungen in Südafrika und Deutschland. Das alles hat, auch Dank der deutschen und südafrikanischen Regierung sowie der ausgezeichneten Arbeit der Deutschen Botschaft in Pretoria, für alle Reisenden sehr gut geklappt. Ich denke, das die geltenden Reisebedingungen in Südafrika und Deutschland ab dem 1. Oktober 2020 sehr wohl in der Praxis gut umsetzbar sind und der Wirtschaft erlauben, wieder zu einer gewissen Form der Normalität zurück zu kehren. Auch hoffe ich sehr, dass der internationale Tourismus langsam und vorsichtig wieder zum Laufen kommen wird – hier ist jetzt Frühling und das Wetter großartig und die Lufthansa und andere Fluglinien bieten wieder einen geregelten Flugverkehr an.
Welche Maßnahmen sind - über einen funktionierenden Geschäftsreiseverkehr hinaus - notwenig, um die südafrikanische Wirtschaft anzukurbeln?
Die südafrikanische Wirtschaft wird sicherlich Unterstützung durch die Regierung in vielerlei Hinsicht in den kommenden Monaten benötigen – insbesondere kleine und mittlere Betriebe und auch insbesondere Unternehmen im Bereich des Tourismus. Notwendige Programme hierzu sind von der Regierung bereits aufgelegt. Darüber hinaus werden die lokalen Banken, Versicherer und Kreditversicherer den Unternehmen zur Seite stehen müssen. Ich bin sicher, die Regierung wird einen spürbaren Beitrag leisten, aber ihr finanzieller Spielraum ist leider sehr begrenzt und die Nachfrage an Hilfe vielseitig. Ob die lokale, private Finanzindustrie ihre geforderte Rolle spielen wird, kann ich derzeit noch nicht erkennen – hier hält man sich noch sehr zurück.
Letzte Frage, welche Stärke Südafrikas könnte besonders dabei helfen, die aktuelle Corona-Krise zu meistern?
Die besonders ausgeprägte Solidarität unter der südafrikanischen Bevölkerung ist eine große Stärke. In den vergangenen Monaten hat es eine unglaublich hohe Anzahl an privaten Initiativen gegeben, Menschen in größter Not zu helfen und beizustehen – das ist schon sehr beeindruckend zu sehen. Es ist also nicht nur der Staat der hilft und von dem Hilfe erwartet wird – sondern sehr viel wird durch private Initiativen getan.
Vielen Dank für das Gespräch!