Mit ganzem Herzen für mehr Sinn im Job

Das Start-up Heart Job macht sich auf, eine Jobbörse ganz besonderer Art zu werden. Dort wird es nicht nur um Themen wie Qualifikation und Vergütung gehen: Bewerber und Unternehmen sollen auch dank einer übereinstimmenden Wertebasis zum perfekten Match werden.
Die Suche nach Zufriedenheit und einem Sinn beschränkt sich bekanntlich nicht auf das Private. Gerade in ihrem Berufsleben empfinden viele Menschen – vor allem im Angestelltenverhältnis – das unbefriedigende Gefühl, nicht an der richtigen Stelle zu sein. Sei es wegen der Tätigkeit als solcher, der Stimmung im Unternehmen, des Umgangs mit Mitarbeitenden oder der Werte, für die das Unternehmen steht und die es vorlebt – oder eben gerade nicht.
Eine solche Unzufriedenheit empfand auch Sarah Brauns, als sie zunächst für Volkswagen arbeitete. „Ich habe gemerkt, dass die Kultur des Unternehmens nicht zu meiner Kultur passt und ich da häufig anstoße – oder es mich Energie kostet“, erinnert sie sich an ihre Zeit bei dem Automobilkonzern. „Ich habe mich gefragt, ob ich nicht vielleicht etwas Sinnvolleres tun kann, bei all den Problemen, die die Welt so hat“, begründet Brauns, warum sie sich bei VW freistellen ließ und schließlich, im Sommer 2022, beim World Wildlife Fund (WWF) anheuerte. Aber auch dort stellte sie fest, „dass die Kultur, die nach außen verkörpert wird, intern nicht immer erlebbar ist“, so dass es sie auch dort nicht allzu lange hielt. Diese beiden beruflichen Erfahrungen, mit den Monaten beim WWF als letztem Schubs, gaben der gebürtigen Hildesheimerin die Inspiration zu ihrem Start-up. Seit Januar 2023 arbeitet sie an ihrem Projekt Heart Job, das in diesem Frühjahr, mittlerweile im Braunschweiger Trafo Hub zu Hause, auch offiziell als GmbH im Handelsregister eingetragen wird.

Wertebasiertes Matching soll die Chance auf langjährige Zusammenarbeit erhöhen

Zunächst einmal ist Heart Job eine Jobbörse, doch anders als die vielen weiteren Vertreter dieser Gattung setzt Brauns einen klaren Schwerpunkt auf Aspekte wie Werte und Unternehmenskultur. „Es geht darum, von der Unternehmensseite zunächst einmal ein realistisches Bild von sich und seiner Kultur zu bekommen und dann wirklich passende Talente zu dieser Kultur zu finden“, beschreibt die 32-Jährige, was vor allem mithilfe einer Fragebogen-gestützten Werteanalyse erreicht werden soll. Bewerbern wiederum soll die „wertebasierte Matching-Plattform“ dabei helfen, Unternehmen zu finden, die zu ihnen passen, und schon während der Jobsuche einen ehrlichen Eindruck von der jeweiligen Unternehmenskultur vermitteln. Denn das, was in den Ausschreibungen stehe, sei oftmals dann eben doch ein geschöntes Selbstbild oder von einer gewissen „Betriebsblindheit“ geprägt, betont Brauns. So soll Heart Job nicht nur dabei unterstützen, Arbeitsuchende und Unternehmen zusammenzubringen, sondern auch die Chancen zu erhöhen, dass es zu einer dauerhaften, langjährigen Partnerschaft kommt. Und diese sind ja, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, zweifelsohne die wertvollsten.
Ein Jahr gab die Gründerin sich selbst, um an Idee und Umsetzung von Heart Job zu arbeiten und dann ein erstes, möglicherweise auch abschließendes Fazit zu ziehen. „Wenn ich feststelle, dass es nicht funktioniert oder ich aufgehalten werde, beende ich es wieder“, erklärt Brauns den Gedanken. Mittlerweile ist mehr als ein Jahr vergangen, und von Aufgabe oder Resignation ist bei ihr nichts zu bemerken. Im Gegenteil: Seit November – seitdem Heart Job von einem Gründungsstipendium des Landes Niedersachsen profitiert – hat sie mit der Psychologin Franziska Flehmer eine Partnerin und Mitgründerin an ihrer Seite, die sich insbesondere um die Erstellung der für das Konzept so wichtigen Fragebögen kümmert. Spricht man mit der 31-Jährigen, wird klar, dass sie ganz ähnliche Erfahrungen wie Brauns gemacht hat und sich auch deshalb voll mit der Idee hinter Heart Job identifiziert. „Jedes Unternehmen hat seine eigenen Werte“, sagt sie, „und unsere Philosophie ist, dass es zu jedem Unternehmen passende Mitarbeitende gibt.“ Eine dritte junge Frau kümmert sich mittlerweile um das Marketing.

Ein Zeitungsartikel zündet für das Start-up den Turbo

Nachdem Brauns im ersten Jahr vor allem hinter den Kulissen an Heart Job arbeitete und sich dabei auch intensiv mit Themen wie Wirtschaftsethik und Personalmanagement beschäftigte, wagte sie in diesem Februar erstmals den Schritt in eine breitere Öffentlichkeit. Und der Artikel in der Braunschweiger Zeitung, der das Start-up in seiner Überschrift als „Tinder für Arbeitsuchende“ beschrieb, offenbarte, wie viel Interesse an einer Jobbörse wie Heart Job besteht. Unter dem Artikel waren Brauns’ Kontaktdaten für interessierte Firmen angegeben. Die Gründerin berichtet von etwa 70 Anfragen von vor allem mittelständischen Unternehmen aus der Region, die bei ihr in der Folge eingingen. „Es sind ganz verschiedene Branchen und Unternehmensrichtungen dabei und damit auch ganz unterschiedliche Unternehmenswerte“, freut sich die Geschäftsführerin über den großen Ansturm, der auch deshalb spannend sei, „weil wir dadurch auch lernen, dass wir nicht nur einer spezifischen Branche helfen können, sondern grundsätzlich allen.“
Eine bis Ende des Jahres dauernde Pilotphase mit zumindest einem Teil dieser Unternehmen soll im Mai beginnen. Im Oktober soll dann das eigentliche Heart Job-Tool, die Matching-Plattform, zunächst browserbasiert online gehen. Das ist auch eine gute Nachricht für die vielen Jobanwärterinnen und Jobanwärter, die an Heart Job bereits Interesse gezeigt haben: Gründerin Brauns verweist in diesem Zusammenhang auf eine vierstellige Warteliste mit Interessierten und Arbeitsuchenden.

Den Schritt in die Selbstständigkeit haben beide Gründerinnen nicht bereut

Klar ist Brauns und ihrer Mitgründerin derweil auch, dass Heart Job organisch wachsen soll. Investorengespräche führen sie derzeit nicht, ganz oben auf ihrer Wunschliste steht derweil die Beschäftigung einer vierten Kraft, die insbesondere im Bereich Vertrieb Entlastung bringen soll. Flehmer berichtet von großer Zufriedenheit, wenn sie auf ihr erstes halbes Jahr bei Heart Job zurückblickt. Es sei eine Herausforderung, aber auch sehr erfüllend, etwas ganz Neues aufzubauen. „Und das, was wir uns von einem Arbeitgeber wünschen, können wir jetzt bei uns selbst verwirklichen.“ Auch Sarah Brauns hat ihren mutigen Schritt aus dem Angestelltenverhältnis in die Selbstständigkeit nicht bereut. Auf beruflicher Sinnsuche befindet sie sich seitdem nicht mehr. „Wir wollen Betriebe unterstützen, ihre Kultur zu verbessern und die passenden Menschen zu finden. Und den Menschen wollen wir ermöglichen, einen Job zu finden, der sie zufrieden macht“, umreißt sie noch einmal den Anspruch an sich und ihr Start-up. „Für diesen Purpose steht man jeden Morgen sehr gerne auf.“
cm
3/2024