Lösungen für eine leisere Welt

Die Gründer des Braunschweiger Start-ups noise2zero sind Experten im Bereich Akustik. Mit ihren Ideen zur Lärmvermeidung stoßen sie bei vielen Kunden auf offene Ohren.
Der Cappuccino schmeckt hervorragend, der Schaum ist fluffig und lecker, egal ob aus Milch oder Haferdrink. Ein Problem habe ich mit dem Kaffee-Vollautomaten, der neuerdings in meinem Büro steht, dann aber doch: Das Gerät macht bei der Zubereitung der koffeinhaltigen Heißgetränke einen Höllenlärm. Aus dem Preis-Leistungs-Tipp hätte möglicherweise der Testsieger werden können, wäre es dem Hersteller, einst ein niederländisches Unternehmen, heute in chinesischer Hand, gelungen, die Lautstärke beim Schäumen, Mahlen und Brühen in den Griff zu bekommen. Für das Nachfolgemodell, das sicher schon bald in den Regalen stehen wird, sollte der Hersteller jemanden fragen, der sich mit Lärm und dessen Vermeidung auskennt – das Braunschweiger Start-up noise2zero zum Beispiel.
Das war eine ganz große Motivation: Lass es uns probieren und versuchen, es besser zu machen.

Sebastian Rothe


Im Technologiepark am Rebenring befindet sich das unprätentiöse Büro von ­Sebastian Rothe und Christopher Blech. Die beiden „Akustikberater“, so ihre Bezeichnung bei Google, haben in Magdeburg Maschinenbau studiert, dann am noch recht neuen Institut für Akustik und Dynamik der TU Braunschweig promoviert und im Oktober 2023 ihr Zwei-Mann-­Unternehmen gegründet. Die beiden haben sich während Studium und Promotion viele Jahre lang mit den Themen Akustik, Lärm- und Schwingungsvermeidung beschäftigt und bezeichnen sich, gewiss nicht zu Unrecht, als Experten auf dem Gebiet. „Wenn irgendjemand ein Lärmproblem hat, können wir helfen“, beschreibt Rothe die Mission von noise2zero und erläutert vereinfacht die Vorgehensweise: „Wir identifizieren zuerst, was das Problem ist. Dann nennen wir konkrete Maßnahmen, die man anwenden müsste, um es zu verändern. Und diese Maßnahmen können wir auch umsetzen. Unsere Motivation ist es, diesen ganzen Strang abzubilden.“

Faszination für ein interdisziplinäres Fachgebiet

Spricht man mit den Gründern, merkt man schnell, dass die beiden Mittdreißiger von ihrem Fachgebiet fasziniert sind. „Uns reizt an der Akustik, dass sie superkomplex und nicht einfach zu greifen ist“, erklärt Blech. Die Probleme, mit denen man es zu tun habe, seien „ganz individuell. Bei jedem neuen Produkt muss man neu draufgucken, es gibt keine 08/15-Standardlösung – weder im Bauwesen noch im Maschinenbau“. Und ganz oft, fährt Blech fort, liege der Auslöser für Störgeräusche an einer ganz anderen Stelle als dem Ort, wo sie zu vernehmen sind. Rothe betont außerdem, wie interdisziplinär es in der Akustik (oder auch Vibroakustik) zugehe. „Man kann nicht nur auf die Strukturschwingungen schauen, sondern muss beispielsweise auch psychoakustische Bewertungen vornehmen. Denn der Mensch nimmt bestimmte Frequenzen lauter wahr als andere Frequenzen.“ Auch medizinische Aspekte, Wissen zum Materialverhalten, Strömung oder Thermodynamik spielen eine Rolle. „Was auch interessant ist: Man kann Akustik hören, fühlen und sogar sehen. Sie ist unterschiedlich darstellbar.“ Zum Beispiel mit einer akustischen Kamera oder per Laservibrometrie, zwei von mehreren Methoden, auf die das Ingenieurs-Duo gerne zurückgreift, wenn es bei Kunden vor Ort eine Lärmlokalisierung vornimmt oder Schwingungen messen möchte.

Die Unternehmensgründung vor knapp zwei Jahren war ein Punkt, auf den Blech und Rothe während des Studiums und der Promotion zusteuerten. „Wir hatten immer Lust, etwas Eigenes zu machen“, erinnert sich Ersterer, „und dann haben wir nach der Promotion gesagt: Entweder wir machen es jetzt, oder wir machen es nie“. Sicherlich auch ein Anstoß für diese Entscheidung war das „EXIST“-Gründungsstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), von dem das Start-up von Mai 2023 an ein Jahr lang profitierte. „Wir waren schon immer so, dass uns eher die Zeit ausgegangen ist, aber nie die Ideen“, wirft Rothe ein. „Warum machen die das nicht besser?“, sei so eine typische Ingenieursfrage gewesen, die er und sein früherer Kommilitone und heutiger Geschäftspartner sich immer wieder gestellt hätten. „Das war eine ganz große Motivation: Lass es uns probieren und versuchen, es besser zu machen.“

Vom Notar direkt zum ersten Kunden

Mit der Gründung und dem Abschied aus dem TU-Institut kamen natürlich auch neue Herausforderungen auf die beiden zu. Plötzlich hieß es, nicht nur wie ein Wissenschaftler, sondern auch wie ein Unternehmer zu denken und zu arbeiten. Doch die beiden fielen weich: Schon am Tag ihrer Unternehmensgründung besuchten sie ihren ersten Kunden, den Braunschweiger Anbieter von Energietechnik und Heizungsanlagen Solvis – eine Zusammenarbeit, die über das Gründerprogramm MO.IN zustande gekommen war und die bis heute bereits auf mehrere Projekte zurückblicken kann. In den Referenzen von noise2zero finden sich mittlerweile aber auch Firmen wie Volkswagen oder der Spezialitätenchemie-Anbieter Sika.
Bei ihren Kunden führen noise2zero aber nicht nur Messungen durch oder beraten. „Der eigentliche Fokus bei uns ist die Simulation – also, dass man virtuelle Prototypen baut und keine physischen“, betont Rothe, „denn physische Prototypen sind teuer, und wenn man bei ihnen ein Problem feststellt, ist es viel schwieriger zu lösen als in der Simulation“. Als weiteres Standbein neben den angebotenen Dienstleistungen möchte das Braunschweiger Start-up mittelfristig eine selbst entwickelte und genutzte Software vermarkten, die gerade für kleine und mittlere Unternehmen geeignet sei, die kein Budget für eine eigene Akustik-Abteilung hätten. Der dritte Strang sei das Anbieten von Produkten wie Schallkapseln, um beispielsweise dem Lärm von Kompressoren in einer Werkhalle Herr zu werden. Akustik-Dienstleistungen wie Messungen, Beratung und Simulation, dazu Soft-, aber auch Hardware – „alles aus einer Hand“ sei der Anspruch, den noise2zero in nicht allzu ferner Zukunft erfüllen möchte.
Wenn man eine richtig gute Raumakustik haben will, muss man es einen Akustiker machen lassen.

Christopher Blech

Verantwortlich für das Akustikkonzept der Schule in den Stiftshöfen

Dass die Gründer damit auf dem richtigen Weg sind, dürften sie spätestens beim Digitalgipfel der Bundesregierung im Oktober 2024 in Frankfurt am Main gemerkt haben. Dort wurden sie für ihre Digitalisierungsidee mit dem mit 7000 Euro dotierten Gründungspreis ausgezeichnet. Und auch die interessanten Aufträge gehen ­noise2zero nicht aus. Derzeit arbeiten sie etwa für eine Tochtergesellschaft der Stadt am Akustikkonzept für das Schulgebäude in den Stiftshöfen. Hier geht es einerseits um Lärmschutz und -vermeidung, nicht zuletzt aber auch um eine gute Raumakustik – ein Thema, das auch zum Aufgabengebiet des Start-ups gehört, sei es in Klassen- oder Kitaräumen, Büros oder auch Restaurants. „Wenn man eine richtig gute Raumakustik haben will, muss man es einen Akustiker machen lassen“, stellt Christopher Blech klar.

Es läuft, hört man den beiden Gründern zu, richtig gut bei noise2zero. „Wir sind mit der Entwicklung absolut zufrieden“, verrät Sebastian Rothe, auch mit Blick auf die im Rahmen von Coachings erarbeiteten Finanzpläne. „Wenn es so weitergeht, erreichen wir die Ziele, die wir erreichen wollen.“ Das Start-up trägt sich bereits, die Gründer können sich selbst ein Gehalt auszahlen. So ist auch nicht auszuschließen, dass das Team schon bald vergrößert werden könnte.
Und so bleibt am Ende nur die Frage, wie es eigentlich mit der Akustik des kleinen Büros im Braunschweiger Technologiepark aussieht. Ein Problem mit einem auf Raketenstart-Niveau lärmenden Kaffee-Vollautomaten gibt es hier jedenfalls nicht – noise2zero setzen auf die gute, alte Filterkaffeemaschine mit ihrem fast schon beruhigenden Knacken und Blubbern. Manchmal sind die einfachsten nicht die schlechtesten Lösungen.
cm
6/2025