Konjunkturumfrage 3. Quartal 2025
Regionale Konjunktur im Dauertief
Die zähe konjunkturelle Durststrecke im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg dauert an – und substanzielle Linderung scheint vorerst nicht in Sicht. Dies ist das Ergebnis des gemeinsamen Konjunkturberichts der IHK Braunschweig und der IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) für das dritte Quartal 2025. Demnach gab der IHK-Konjunkturklimaindikator zwischen Sommer und Herbst um acht Punkte nach. Mit seinem jetzigen Stand von 80 hat er sich nun wieder deutlicher vom neutralen 100er-Wert entfernt. Letzteren konnte der Indikator nun schon seit fast vier Jahren nicht mehr überspringen. Eine derartig langanhaltende Schwächephase hat es im Rahmen der regionalen Konjunkturbeobachtung bisher noch nicht gegeben.
Zur neuerlichen Abkühlung des regionalen Konjunkturklimas haben sowohl nachlassende Lagebeurteilungen als auch pessimistischere Geschäftserwartungen der befragten Unternehmen beigetragen. Derzeit bezeichnen gerade einmal 15 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftslage als gut. 58 Prozent schätzen sie wenigstens als befriedigend ein. Mit 27 Prozent beurteilt jedoch mehr als jeder vierte Betrieb seine momentane Situation als schlecht. Bemerkenswert ist, dass der Saldo aus guten und schlechten Lagebewertungen mit -12 weiterhin erkennbar im Negativbereich verharrt, aus dem er sich nun bereits seit über zwei Jahren nicht mehr lösen kann. Noch schlechter als die Lagebeurteilungen fallen die geschäftlichen Aussichten der regionalen Wirtschaft für die kommenden Monate aus. Die zuvor bereits ausgeprägte Skepsis ist dabei nochmals angewachsen. Mittlerweile rechnet mehr als ein Drittel der befragten Betriebe mit geschäftlichen Einbußen. 57 Prozent meinen, das Geschäftsniveau zumindest halten zu können. An eine Aufhellung der Geschäftstätigkeit glauben inzwischen nur noch 8 Prozent der Unternehmen.
Die Gründe für die trübe Stimmung halten die regionale Wirtschaft bereits seit Längerem fest im Griff: Auf der Angebotsseite stehen immer noch hohe Energie- und Rohstoffkosten, merklich zunehmende Arbeitskosten, signifikante Steuerlasten sowie eine gewachsene Zinsbelastung. Währenddessen herrscht auf der Nachfrageseite weiter Zurückhaltung, wobei wirksame Impulse derzeit weder vom Inland noch vom Ausland ausgehen. In der Folge lassen schleppende Auftragseingänge die Auftragspolster immer weiter abschmelzen. Hinzu gesellen sich grundlegende Herausforderungen wie der weiterhin bestehende Arbeits- und Fachkräftemangel, der enorme Anpassungsdruck im Zuge der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz, massive Belastungen durch die überbordende Bürokratie sowie die Auswirkungen der fortschreitenden globalen außen- und sicherheitspolitischen Polarisierung.
Daraus ergibt sich eine prekäre Gemengelage, die sich auch auf die Investitionsbereitschaft der regionalen Wirtschaft auswirkt. Diese bleibt nicht nur ausgesprochen verhalten, sondern hat sich zum Herbst hin sogar noch einmal verringert. So beabsichtigen derzeit 37 Prozent der befragten Betriebe, ihre Investitionsbudgets zu kürzen. Eine Ausweitung seiner Investitionen erwartet dagegen nur ein gutes Fünftel der Unternehmen. Hinzu kommt, dass der Großteil der geplanten Investitionen lediglich der Beschaffung von Ersatzbedarf und der Rationalisierung dient. Auf Wachstum ausgerichtete Investitionen zur Produktinnovation und Kapazitätserweiterung stehen dahinter deutlich zurück. Dabei ist der Investitionsbedarf grundsätzlich ausgesprochen hoch, denn ohne umfassende Investitionen werden die Herausforderungen der Digitalisierung oder der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz kaum zu bewältigen sein. Am zurückhaltenden Investitionsverhalten wird deutlich, dass die regionale Wirtschaft nach wie vor kein Vertrauen in eine durchgreifende und nachhaltige Verbesserung ihres wirtschaftlichen Umfelds gefunden hat.
IHKLW-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert fordert jetzt eine konsequent auf Investitionen und Wirtschaftswachstum ausgerichtete Wirtschaftspolitik: „Entscheidend ist, dass Produktivität und Wirtschaftskraft schneller wachsen als die Sozialausgaben. Das gelingt nicht mit Steuererhöhungen, sondern nur mit Strukturreformen.“ Die Unternehmen stecken in einer mittlerweile jahrelangen Rezession fest, so Zeinert: „Für den von Bundeskanzler Friedrich Merz angekündigten ‚Herbst der Reformen‘ braucht es daher entschlossene Taten. Die Devise muss lauten: Standort stärken, Vertrauen zurückgewinnen, Wirtschaftswachstum wieder möglich machen.“ Zeinert fordert mehr Tempo bei Planungs- und Genehmigungsverfahren durch Vereinfachung und durch Verwaltungsdigitalisierung. Der IHKLW-Chef begrüßt, dass Ministerpräsident Olaf Lies das Thema priorisiert und eine Koordinatorin beauftragt hat, die Tempo machen soll. Denn: Im Bitkom-Digitalranking der Bundesländer belegt Niedersachsen in der Kategorie „Governance & digitale Verwaltung“ nur Platz zwölf.
Dem schließt sich Dr. Florian Löbermann, Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig, an und sagt: „Die Lage ist ernst. Die regionale Wirtschaft braucht keine weiteren Ankündigungen, sondern endlich spürbare Entlastungen und Weichenstellungen, die konkret in den Unternehmen ankommen. Keine Signale, sondern Umsetzung ist gefragt in den Bereichen Bürokratieabbau, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, Reformen in den sozialen Sicherungssystemen, steuerliche Erleichterungen, wettbewerbsfähige und verlässliche Energiepreise und in diesem Zusammenhang auch eine Absenkung der Stromsteuer für alle Branchen. Wir brauchen dringend wieder mehr Freiraum für unternehmerisches Handeln – und einen modernen Staat, der sich nicht einem allumfassenden Aufsichtsgedanken, sondern einer Ermöglichungskultur verschreibt.“
Gesamtwirtschaft Region Braunschweig-Wolfsburg
Angesichts der ernüchternden Rückmeldungen der Unternehmen zu ihrer Geschäftslage, ihren Geschäftserwartungen und ihren Investitionsabsichten überrascht es nicht, dass die regionale Wirtschaft auch bei ihren Beschäftigungsplanungen kräftig auf die Bremse tritt. So beabsichtigt derzeit nicht einmal mehr jeder zehnte Betrieb, seinen Personalbestand auszubauen. Dagegen rechnen 42 Prozent der Unternehmen damit, die Anzahl ihrer Mitarbeiter reduzieren zu müssen. Derartig schwach sind die Beschäftigungsprognosen der regionalen Wirtschaft schon lange nicht mehr ausgefallen. Dennoch sind die meisten Unternehmen sehr darum bemüht, ihre wertvollen Fachkräfte trotz aller konjunkturellen und strukturellen Probleme zu halten.
Und auch bei rückläufigen Beschäftigungsprognosen besteht grundsätzlich immer Personalbedarf. So berichtet mehr als die Hälfte der Betriebe von derzeit offenen Stellen. Annähernd drei von vier Unternehmen können offene Stellen längerfristig nicht besetzen, weil sie keine passenden Arbeitskräfte finden. Lediglich ein gutes Viertel hat keine Probleme bei der Stellenbesetzung. Die Herausforderungen bei der Rekrutierung betreffen Arbeitsplätze auf sämtlichen Qualifikationsstufen – von Stellen ohne Anforderungen an eine abgeschlossene Berufsausbildung über Positionen mit dualer Ausbildung, Fachwirt- oder Meisterqualifikationen bis hin zu akademischen Tätigkeiten mit Hochschulabschluss. Allen aktuellen Widrigkeiten zum Trotz besteht der Arbeits- und Fachkräftemangel also fort. Zwei Drittel der Unternehmen rechnen infolgedessen mit weiter steigenden Arbeitskosten, knapp 60 Prozent erwarten eine Mehrbelastung der vorhandenen Belegschaft. Mehr als ein Drittel befürchtet den Verlust von betriebsspezifischem Wissen. Etwa 30 Prozent gehen davon aus, dass sie gar ihr Angebot einschränken oder Aufträge ablehnen müssen, und 15 Prozent sehen ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit durch den Arbeits- und Fachkräftemangel gefährdet. Nur ein gutes Zehntel kann keine negativen Folgen für den eigenen Betrieb erkennen.
Industrie
Die Stimmung in der Industrie bleibt weiterhin angespannt. Der sektorale Konjunkturklimaindikator verlor zwischen Sommer und Herbst zwar nur einen einzigen Punkt, doch mit einem aktuellen Stand von 90 bewegt er sich weiterhin auf dem sehr mäßigem Niveau der letzten beiden Jahre. Gegenüber dem Vorquartal haben sich die Rückmeldungen aus der regionalen Industrie nur geringfügig verändert – sowohl in Bezug auf die aktuelle Geschäftslage als auch hinsichtlich der Erwartungen für die kommenden Monate. Momentan berichten gerade einmal 17 Prozent der Hersteller von guten Geschäften. Über einen schlechten Geschäftsverlauf klagt dagegen ein knappes Viertel. Der Saldo aus positiven und negativen Rückmeldungen liegt nun bereits seit zweieinhalb Jahren durchgehend im negativen Bereich und beträgt aktuell –7. Nicht wenige Industriebetriebe hadern mit ihren Umsätzen und Erträgen. Auftragsreserven sind weitgehend aufgebraucht, die aktuelle Nachfrage der Industriekunden aus dem In- und Ausland bleibt träge. Folglich schrumpfen die Auftragsbestände. Fast ein Drittel der regionalen Betriebe hält das eigene Auftragsvolumen für zu gering, nur 4 Prozent freuen sich über ein komfortables Auftragspolster. Entsprechend zurückhaltend fällt auch der Blick nach vorn aus: Nicht einmal jeder zehnte Fabrikant rechnet in den kommenden Monaten mit einer geschäftlichen Aufhellung, die Mehrheit erwartet unveränderte Geschäfte, mehr als jeder fünfte Produzent geht hingegen von einer Eintrübung aus.
Einzelhandel
Das Konjunkturklima im Einzelhandel bleibt träge und hat sich zwischen Sommer und Herbst kaum verändert. Der branchenspezifische Klimaindikator verharrt weiterhin auf dem niedrigen Wert von 77. Dies ist das Resultat zweier gegenläufiger Einflussfaktoren – der etwas verschlechterten Lagebeurteilungen und der leicht verbesserten Geschäftsaussichten. Derzeit bezeichnet nur jeder zwanzigste Einzelhändler seine geschäftliche Situation als gut. 71 Prozent bewerten ihre Lage immerhin als zufriedenstellend. Fast jeder vierte Händler berichtet jedoch von schlecht laufenden Geschäften. Nach wie vor leiden die Händler unter der schwachen Konsumneigung ihrer Kunden. Die Verunsicherung der Verbraucher sitzt angesichts zahlreicher Krisen und schlechter Nachrichten aus der Wirtschaft tief. Und so ist eine nachhaltige Erholung des Konsumklimas vorerst nicht in Sicht. Zwar sind die Teuerungsraten ebenso wie die Zinsen mittlerweile merklich zurückgegangen, die Konsumenten halten aber dennoch ihr Geld zusammen und kaufen nur sparsam und preissensibel ein. Dies gilt ganz besonders für den stationären Handel, aber durchaus auch für den Onlinehandel. Vor diesem Hintergrund bleibt der Ausblick der Händler auf die Geschäfte in den kommenden Monaten – trotz marginaler Verbesserung – verhalten. So rechnet weiterhin ein Drittel der Handelsunternehmen mit einer Verschlechterung seiner Geschäftslage, bessere Geschäfte erwartet hingegen nur eine kleine Minderheit von 6 Prozent.
Großhandel
Auch im Großhandel hat sich zwischen Sommer und Herbst kein Stimmungswechsel vollzogen. Der branchenbezogene Konjunkturklimaindikator konnte nur einen einzigen Punkt gutmachen und liegt nun auf einem nach wie vor schwachen Wert von 68. Verantwortlich die Seitwärtsbewegung sind zwei gegenläufige Entwicklungen: Eine etwas günstigere Einschätzung der aktuellen Lage und zugleich leicht rückläufige Geschäftserwartungen. Wie schwierig die Situation nach wie vor ist, zeigen die Rückmeldungen der Großhändler zu ihrer Geschäftslage, die nur geringfügig besser ausfallen als im Vorquartal. Derzeit berichtet gerade einmal jeder zwanzigste Grossist über gut laufende Geschäfte. 62 Prozent der Befragten bezeichnen ihre Situation als befriedigend, ein Drittel beurteilt seine Geschäftslage hingegen als schlecht. Natürlich kann sich auch der Großhandel der anhaltenden Konjunkturflaute nicht entziehen. Entsprechend zögerlich fällt das Bestellverhalten seiner Kunden aus. So leidet der produktionsbezogene Großhandel unter der unverändert trägen Industriekonjunktur, den konsumnahen Großhandel trifft die fortdauernde Kaufzurückhaltung der Verbraucher. Die Hoffnung auf eine Erholung des Geschäftsverlaufs hat sich im Herbst wieder leicht abgeschwächt, die Skepsis bleibt entsprechend deutlich ausgeprägt. So bewerten weiterhin 40 Prozent der Großhändler ihre geschäftlichen Aussichten für die kommenden Monate als schlecht. 56 Prozent rechnen mit einer gleichbleibenden Entwicklung, bessere Geschäfte erwarten dagegen nur 4 Prozent der Grossisten.
Dienstleistungen
Nachdem die Dienstleister den regionalen Konjunkturzug über längere Zeit angeführt hatten, geraten auch sie nun zunehmend unter Druck. Der sektorale Konjunkturklimaindikator für die Dienstleistungswirtschaft stürzte im Herbst um satte 18 Punkte auf einen Wert von 82 ab. Ins Minus gerissen wird die Dienstleistungskonjunktur sowohl durch spürbar verschlechterte Lagebeurteilungen als auch durch merklich eingetrübte Geschäftserwartungen. Derzeit bewertet nur noch ein gutes Fünftel der Dienstleister seine Geschäftslage als gut. Knapp die Hälfte sieht sie als befriedigend an, 30 Prozent hadern hingegen mit ihrer Situation. Eine klare Abwärtstendenz zeigen die Rückmeldungen der Branche zu ihren Auftragseingängen, Umsätzen und Erträgen. Vielen unternehmensbezogenen Dienstleistern fehlen Aufträge der heimischen Industrie- und Gewerbekunden und auch die personenbezogenen Dienstleister spüren die Zurückhaltung ihrer Klienten. Zudem leiden auch die Dienstleister unter gestiegenen Kosten für Personal, Material und Energie. Vor diesem Hintergrund haben sich die Aussichten auf die kommenden Monate wieder verdüstert. Inzwischen glaubt nur noch ein gutes Zehntel der befragten Betriebe an eine geschäftliche Aufhellung. Etwas mehr als die Hälfte erwartet immerhin gleichbleibende Geschäfte, 36 Prozent rechnen jedoch mit einer geschäftlichen Eintrübung. Auch für die Dienstleistungswirtschaft dürfte die nähere Zukunft also herausfordernd bleiben.
Teilnehmen an der Konjunkturumfrage
Je mehr Unternehmen sich an der IHK-Konjunkturumfrage beteiligen, desto repräsentativer und verlässlicher sind deren Ergebnisse. Das Ausfüllen des Fragebogens dauert maximal fünf Minuten - bei vier Befragungen im Jahr. Machen Sie mit und stärken Sie die Aussagekraft unserer regionalen Konjunkturberichterstattung. Hier geht es zur Konjunkturumfrage.
