IHK-Konjunkturumfrage 4. Quartal 2023

Regionale Wirtschaft verharrt im Stimmungstief

Auch zum Winter hin haben sich die Unternehmen im Raum Braunschweig-Wolfsburg nicht aus dem aktuellen Konjunkturtal befreien können. Nach wie vor ächzt die regionale Wirtschaft unter hohen Energiekosten, gestiegenen Preisen für Vorprodukte, zunehmenden Arbeitskosten sowie unter der gewachsenen Zinsbelastung. Auf der Nachfrageseite herrscht dagegen weiter Zurückhaltung – sowohl bei den Investitionen als auch beim Konsum. Wirksame Impulse gehen momentan weder vom Inland noch vom Ausland aus. Folglich schmelzen die Auftragsbestände der Betriebe immer weiter ab. Zur konjunkturellen Flaute gesellen sich grundlegende Herausforderungen wie der allgegenwärtige Arbeits- und Fachkräftemangel, der enorme Anpassungsdruck im Zuge der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz, starke Belastungen durch überbordende Bürokratie und neue Gesetzesvorgaben sowie die Auswirkungen der fortschreitenden globalen außen- und sicherheitspolitischen Polarisierung. In Summe ergibt sich daraus eine prekäre Gemengelage, die der heimischen Wirtschaft mächtig aufs Gemüt schlägt. Dies zeigt der gemeinsame Konjunkturbericht der IHK Braunschweig und der IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) für das vierte Quartal 2023.
Demnach vollzog der IHK-Konjunkturklimaindikator, der sowohl die derzeitige geschäftliche Lage als auch die Geschäftserwartungen der Unternehmen abbildet, eine Seitwärtsbewegung auf niedrigem Niveau. Zum Winter hin konnte er lediglich um zwei Punkte zulegen, so dass er weiterhin einen nur sehr mäßigen Stand von 75 aufweist. Auch wenn sich der Absturz der beiden Vorquartale nicht fortgesetzt hat, ist festzuhalten, dass das Konjunkturklima derzeit nur geringfügig über dem Level liegt, das nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine herrschte. Noch schlechter war es sonst nur noch im tiefsten Tal der Coronakrise ausgefallen. Die aktuelle Misere zieht sich inzwischen durch alle befragten Branchen. So liegen die sektoralen Konjunkturklimaindikatoren für die einzelnen Wirtschaftsbereiche allesamt deutlich unter dem neutralen Wert von 100. Missgelaunt zeigen sich vor allem die Industrie und der Einzelhandel mit sektoralen Indikatorständen von 67 und 68. Nur etwas besser ist die Stimmung im Großhandel mit einem branchenbezogenen Indikatorwert von 75. Und auch die Laune der Dienstleister hat mit einem sektoralen Indikatorwert von 85 mittlerweile deutlich gelitten.
Dass der IHK-Konjunkturklimaindikator zwischen Herbst und Winter kaum zulegen konnte, gründet sich auf die weitgehend unveränderten Rückmeldungen der Unternehmen – und zwar gleichermaßen zu ihrer Geschäftslage wie auch zu ihren Geschäftserwartungen. Auf die Frage nach der geschäftlichen Lage bezeichnet derzeit nur jeder fünfte befragte Betrieb diese als gut. 56 Prozent sehen sie wenigstens als befriedigend an, fast jedes vierte Unternehmen beurteilt seine Situation hingegen als schlecht. Aus den guten und schlechten Lagebewertungen ergibt sich ein Saldo von -4, eine nur unwesentliche Verbesserung gegenüber dem Vorquartal (-6). Konstant pessimistisch fällt auch die Vorausschau der regionalen Wirtschaft auf die Geschäftsentwicklung im Jahr 2024 aus. Nur ein Zehntel der Befragten erwartet eine geschäftliche Aufhellung. 38 Prozent gehen von einem unveränderten Geschäftsverlauf aus. Mit 52 Prozent befürchtet allerdings mehr als die Hälfte eine geschäftliche Eintrübung. Der Saldo aus günstigen und ungünstigen Geschäftserwartungen beträgt folglich -42 und entspricht damit der Größenordnung des Vorquartals (-43).
Dr. Florian Löbermann, Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig, kommentiert all dies wie folgt: „Die Ergebnisse unserer Konjunkturumfrage sind ernüchternd. Anzeichen, die Hoffnung auf eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung machen, muss man momentan mit der Lupe suchen. Stattdessen herrscht in der regionalen Wirtschaft erhebliche Verunsicherung und Unzufriedenheit, die durch immer neue und kostensteigernde Vorgaben der Politik genährt wird. Sieben von zehn befragten Unternehmen zählen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen mittlerweile zu den größten Risiken für ihre Geschäftstätigkeit. Das ist alarmierend! Es braucht dringend einen schnellen und klaren Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik, der die stetig anwachsenden Belastungen für die Unternehmen wirksam und tiefgreifend reduziert und mögliche Potenziale nutzbar macht.“
Daran schließt Michael Wilkens, stellvertretender IHKLW-Hauptgeschäftsführer und Leiter der IHKLW-Geschäftsstelle Wolfsburg, an: „Der Wirtschaftsstandort Deutschland verliert dramatisch an Attraktivität und unsere Konjunkturumfrage zeigt, die Unternehmen im Raum Braunschweig-Wolfsburg können sich davon nicht abkoppeln. Investitionen im Inland bleiben aus, stattdessen wird schrittweise die industrielle Produktion ins Ausland verlagert. Bei zahlreichen Standortfaktoren – beispielsweise Energieversorgung, Steuern und unternehmerischem Freiraum – sind etwa die USA oder asiatische Länder grundlegend besser aufgestellt. Darauf müssen wir jetzt endlich entschlossen reagieren und einen Neustart der Wirtschafts- und Standortpolitik einleiten.“ Worauf dabei zu achten sei, habe die IHK-Organisation kürzlich in dem Zehn-Punkte-Plan unter dem Titel #GemeinsamBesseresSchaffen (www.dihk.de/resolution2023) formuliert.

Gesamtwirtschaft Region Braunschweig-Wolfsburg

Vor dem Hintergrund einer wenig dynamischen Geschäftslage und überwiegend pessimistischer Geschäftsprognosen bleibt auch die Investitionsbereitschaft der regionalen Wirtschaft verhalten. Zwischen Herbst und Winter hat sich das Investitionsklima nur geringfügig verändert. Momentan beabsichtigt jeder dritte Betrieb, seine Investitionsbudgets zu kürzen. Eine Ausweitung seiner Investitionen plant dagegen nur jedes vierte Unternehmen. Dabei dient ein Großteil der Investitionen lediglich der Beschaffung von Ersatzbedarf sowie der Rationalisierung. Auf Wachstum ausgerichtete Investitionen zur Kapazitätserweiterung stehen dahinter zurück. Auffällig ist, dass die auslandsaktiven Unternehmen ihre Investitionen in der Fremde merklich forscher angehen. Hier liegt der Anteil derjenigen, die ihre ausländischen Investitionen steigern möchten, erkennbar über dem Anteil derjenigen, die ihre auswärtigen Investments zurückfahren.
Im Inland sehen sich die Unternehmen hingegen mit zahlreichen Investitionsbremsen konfrontiert. An erster Stelle stehen dabei die herrschenden wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. 70 Prozent der befragten Betriebe sehen darin ein erhebliches Risiko für ihre künftige Geschäftsentwicklung. Auch die hohen Energie- und Rohstoffpreise stellen für 62 Prozent der Unternehmen ein beträchtliches Problem dar. 59 Prozent der Befragten sorgen sich um die Inlandsnachfrage. Und 54 Prozent bereitet der Fach- und Arbeitskräftemangel erhebliche Kopfzerbrechen. Rund die Hälfte der Betriebe befürchtet schließlich, dass die Entwicklung der Arbeitskosten die künftige Geschäftsentwicklung belasten wird. Möglicherweise auch deshalb gehen viele Unternehmen ihre Personalplanungen derzeit eher defensiv an.

Industrie

Zwar konnte der sektorale Konjunkturklimaindikator für die Industrie einige wenige Punkte gutmachen, eine durchgreifende Stimmungsaufhellung ist damit aber nicht verbunden. Die geschäftliche Lage der produzierenden Betriebe hat sich vom Herbst zum Winter sogar noch einmal verschlechtert. Momentan berichten gerade einmal 13 Prozent der Hersteller von guten Geschäften. Über einen schlechten Geschäftsverlauf klagt dagegen ein Drittel. Der Saldo aus positiven und negativen Rückmeldungen beträgt demnach -20, womit er immer tiefer in den Minusbereich rutscht. Noch viel schwieriger ist die Lage in der energieintensiven Industrie. Hier beträgt der Saldo aus positiven und negativen Lagebeurteilungen -71. Nicht wenige Industriebetriebe hadern mit ihren Umsätzen und Erträgen. Und vormalige Auftragsreserven sind mittlerweile zu guten Teilen abgearbeitet. Auch wenn aktuell die Ordertätigkeit der Industriekunden etwas angezogen hat, bleibt sie im Großen und Ganzen träge. Daraus folgt, dass die Auftragsbestände der regionalen Industrie immer weiter zusammenschrumpfen. Mittlerweile hält mehr als die Hälfte der regionalen Industriebetriebe ihr Auftragsvolumen für zu klein. Demgegenüber bezeichnen nur 14 Prozent ihr Auftragspolster als groß. Solch ungünstige Relationen waren zuletzt zu Beginn der Coronakrise registriert worden. Immerhin fällt die Vorausschau der regionalen Industrie auf die künftige Geschäftsentwicklung nicht mehr ganz so pessimistisch aus wie noch im Vorquartal. Hierauf gründet sich auch der leichte Anstieg des sektoralen Konjunkturklimaindikators. Ungeachtet dessen dominiert bei den Geschäftsprognosen aber weiterhin die Skepsis.

Einzelhandel

Auch im Einzelhandel basiert der leichte Anstieg des branchenbezogenen Konjunkturklimaindikators allein darauf, dass die geschäftlichen Perspektiven etwas weniger trübe eingeschätzt werden als bei der Vorumfrage. Die geschäftliche Lage der Einzelhändler hat sich im vierten Quartal hingegen noch einmal verschlechtert. Derzeit bezeichnet nur ein gutes Zehntel der Händler die eigene geschäftliche Situation als gut, annähernd die Hälfte empfindet sie immerhin noch als befriedigend. Vier von zehn Befragten berichten hingegen von schlecht laufenden Geschäften. Schwer hat es dabei keineswegs nur der stationäre Handel, auch im Online-Handel wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel. Zudem hat das Weihnachtsgeschäft vielerorts die Erwartungen nicht erfüllt. Der Einzelhandel leidet weiterhin unter der Kaufzurückhaltung seiner Kunden. Multiple Krisen und die immer noch hohen Inflationsraten drücken auf die Konsumlaune der Verbraucher und schmälern deren verfügbares Einkommen. Zudem müssen die Einzelhandelsbetriebe auch selbst mit den gestiegenen Kosten zurechtkommen. Herausforderungen stellen sich also sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite. Für das angebrochene Jahr erhofft sich der Handel, dass mit sinkenden Inflationsraten und den zu erwartenden Lohnzuwächsen die Kaufkraft der Kunden wieder zulegen kann. Der Blick nach vorn fällt daher nicht mehr ganz so düster aus, dennoch bleibt der Pessimismus vorherrschend. So rechnen 39 Prozent der Handelsunternehmen mit einer Verschlechterung ihrer Geschäftslage, bessere Geschäfte erwartet hingegen nur jeder zwanzigste Händler.

Großhandel

Dass der sektorale Konjunkturklimaindikator für den Großhandel etwas zulegen konnte, ergibt sich aus den verbesserten Rückmeldungen der Grossisten zu ihrer geschäftlichen Lage. Nachdem die negativen Beurteilungen im Herbst noch erkennbar überwogen hatten, halten sich Positiv- und Negativreports nun annähernd die Waage. So bewerten derzeit 19 Prozent der Großhändler ihre Geschäftslage als gut. 57 Prozent erachten sie als befriedigend, 18 Prozent klagen hingegen über schlechte Geschäfte. Natürlich kann sich auch der Großhandel der allgemeinen Konjunkturflaute nicht entziehen. So macht dem produktionsbezogenen Großhandel die Schwäche der Industriekonjunktur zu schaffen, und den konsumnahen Großhandel tangiert die anhaltende Kaufzurückhaltung der Verbraucher. Hoffnung auf durchgreifende Besserung ist derzeit nicht weit verbreitet. Dies zeigt die Vorausschau auf die Geschäfte im neuen Jahr. Demnach bewertet mehr als die Hälfte der Großhändler die geschäftlichen Aussichten als schlecht. 46 Prozent gehen zumindest von einer gleichbleibenden Entwicklung aus. Bessere Geschäfte erwartet dagegen nur eine kleine Minderheit der befragten Großhandelsunternehmen. Angesichts dieses unverändert tristen Ausblicks verwundert es nicht, dass die Investitionsbereitschaft der Branche auf bescheidenem Niveau verharrt. Und auch bei ihren Personalplanungen haben die regionalen Großhändler inzwischen die Handbremse angezogen.

Dienstleistungen

Der branchenbezogene Konjunkturklimaindikator für die Dienstleistungswirtschaft ist nun bereits zum dritten Mal in Folge rückläufig. Auch wenn das geschäftliche Klima unter den Dienstleistern derzeit immer noch besser ausfällt als bei allen anderen betrachteten Wirtschaftszweigen, so ist die trübe Stimmung längst auch bei ihnen angekommen. Dies äußert sich in erster Linie in Form der merklich verschlechterten Geschäftserwartungen. Demnach rechnet die Hälfte der Dienstleistungsbetriebe im angebrochenen Jahr mit einer geschäftlichen Eintrübung. Gleichbleibende Geschäfte erwartet ein gutes Drittel. Nur 15 Prozent glauben hingegen an eine geschäftliche Aufhellung. Vor dem Hintergrund dieser eher trüben Aussichten hat die Investitionsneigung der Branche spürbar gelitten. Auch ihre Beschäftigungspläne haben die Dienstleister zurückgefahren, wenngleich einzelne Dienstleistungszweige nach wie vor händeringend nach geeigneten Arbeitskräften suchen. Allen skeptischen Prognosen zum Trotz ist festzuhalten, dass sich die geschäftliche Lage der Branche zwischen Herbst und Winter durchaus verbessert hat. Momentan bewerten 28 Prozent der Dienstleister ihre Geschäftslage als gut. 57 Prozent sehen sie als befriedigend an, 15 Prozent hadern hingegen mit ihrer Situation. Damit fallen diese Relationen erkennbar günstiger aus als bei den anderen betrachteten Wirtschaftszweigen. Von den langjährigen Durchschnittswerten für die Dienstleistungswirtschaft sind sie aber immer noch weit entfernt.
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