IHK-Konjunkturumfrage 1. Quartal 2024

Weg aus dem Konjunkturtal bleibt steinig

Die konjunkturelle Lage der Unternehmen im Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg bleibt auch im Frühjahr schwierig. Dies zeigt der gemeinsame Konjunkturbericht der IHK Braunschweig und der IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) für das erste Quartal 2024. Zwar konnte der IHK-Konjunkturklimaindikator, der sowohl die aktuelle geschäftliche Lage als auch die Geschäftserwartungen der Unternehmen abbildet, um 10 Punkte zulegen und einen – nach wie vor sehr mäßigen – Stand von 85 erreichen; dieser Anstieg gründet sich aber allein auf die mittlerweile nicht mehr gar so düsteren Geschäftsprognosen für den weiteren Jahresverlauf. Dagegen hat sich die geschäftliche Lage der Betriebe sogar noch einmal verschlechtert. Aktuell bezeichnet nur jeder fünfte befragte Betrieb seine Situation als gut. Etwas mehr als die Hälfte sieht sie wenigstens als befriedigend an, 28 Prozent der befragten Unternehmen beurteilen ihre Situation jedoch als schlecht. Aus den guten und schlechten Lagebewertungen ergibt sich ein Saldo von -8. So schwach war dieser Wert zuletzt vor mehr als drei Jahren ausgefallen.
Die unverändert geringe Dynamik des Konjunkturgeschehens zeigt auch einen Blick auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche. So liegen die sektoralen Konjunkturklimaindikatoren für alle betrachteten Branchen immer noch deutlich unter dem neutralen Wert von 100. Tristesse herrscht weiterhin im Einzelhandel mit einem sektoralen Indikatorstand von 71. Nur etwas besser ist die Stimmung in der Industrie sowie im Großhandel bei branchenbezogenen Indikatorwerten von jeweils 82. Und auch unter den Dienstleistern ist die Laune entsprechend dem sektoralen Indikatorstand von 90 durchwachsen. Wenigstens konnte das Konjunkturklima in allen erwähnten Wirtschaftszweigen einige Punkte gutmachen. In der Industrie, im Großhandel und bei den Dienstleistern lag dies aber allein an einer begrenzten Aufhellung der vormals ausgesprochen schwachen Geschäftsaussichten. Verbesserte Lagebeurteilungen konnten hierzu lediglich im Einzelhandel einen Beitrag leisten.
Dass die regionale Wirtschaft beim Blick nach vorn nicht mehr ganz so schwarz sieht wie zu Jahresbeginn, zählt zu den wenigen Hoffnungsschimmern der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage. Trotzdem überwiegen die pessimistischen Geschäftsprognosen immer noch deutlich. Nur ein Zehntel der Befragten erwartet für die kommenden Monate eine geschäftliche Aufhellung. 58 Prozent gehen von einem unveränderten Geschäftsverlauf aus. Mit 32 Prozent befürchtet jedoch fast ein Drittel eine geschäftliche Eintrübung. Der Saldo aus günstigen und ungünstigen Geschäftserwartungen beträgt folglich -22; im Vorquartal hatte er noch -42 betragen. Zu den vereinzelten Lichtblicken kann auch die wieder etwas angewachsene Investitionsbereitschaft der regionalen Wirtschaft gerechnet werden. Allerdings hat sich bei den Investitionen zuletzt auch einiger Nachholbedarf aufgebaut. So hat mehr als die Hälfte der Betriebe in den letzten zwölf Monaten geplante Investitionen zurückgestellt. Als Hauptgrund für die Zurückstellung von Investitionen wurden von 61 Prozent der Unternehmen die unsicheren wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen genannt. Auch die zunehmende Regulatorik, die hohen Energiekosten, der Personal- und Fachkräftemangel, die hohe Steuer- bzw. Abgabenbelastung und die Dauer bzw. Komplexität von Planungs- und Genehmigungsverfahren haben zahlreiche Unternehmen dazu veranlasst, eigentlich vorgesehene Investitionen zurückzuhalten.
„Wenn wir aus dem Konjunkturtal herauskommen und uns von unseren Strukturschwächen dauerhaft befreien wollen, muss endlich wieder investiert werden. Deutschland liegt bei den Anlageinvestitionen als einzige der großen Volkswirtschaften weltweit noch unter dem Vor-Corona-Niveau. Wir werden gerade abgehängt“, sagt IHKLW-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert. „In unserer Umfrage haben die Unternehmen klar benannt, was sich ändern muss. Zwei Drittel fordern ein Ende der richtungslosen Wirtschaftspolitik, die keine Orientierung für anstehende Investitionsentscheidungen bietet. Fast die Hälfte knüpft Investitionen an eine Reduzierung von bürokratischen Belastungen. Und für rund ein Drittel sind niedrigere Energiepreise, Steuererleichterungen sowie kürzere Planungs- und Genehmigungsverfahren Voraussetzung für eine Auflösung des Investitionsstaus. Diese Zahlen belegen, dass es nun höchste Zeit ist, in der Wirtschaftspolitik einen wachstumsorientierten Kurs einzuschlagen. Den zahlreichen Ankündigungen müssen endlich auch einmal Taten folgen.“
Daran knüpft Dr. Florian Löbermann, Hauptgeschäftsführer der IHK Braunschweig, an: „Um Investitionen zu tätigen, braucht es Vertrauen in verlässliche Rahmenbedingungen und Planungssicherheit. Dieses Vertrauen ist den Unternehmen am Standort Deutschland inzwischen weitgehend verloren gegangen. An Ankündigungen zur Lösung der hinreichend bekannten strukturellen Probleme mangelt es zwar nicht, effektive Ergebnisse bleiben aber regelmäßig aus. Ein gutes Beispiel ist der Bund-Länder-Pakt zur Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung, der im November 2023 verkündet wurde. Über einhundert Maßnahmen sollen dafür sorgen, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren in einem neuen ‚Deutschland-Tempo‘ vorankommen. Eine Zwischenbilanz der IHK-Organisation zeigt nun aber, dass erst mit 11 der insgesamt 53 zentralen Gesetzesänderungen begonnen wurde. Wir werden hier weiter dranbleiben und auf das nötige Tempo drängen. Um das verloren gegangene Vertrauen wiederherzustellen, braucht die Wirtschaft endlich auch spürbare Veränderungen.“

Gesamtwirtschaft Region Braunschweig-Wolfsburg

Sinkende Inflationsraten und teilweise rückläufige Energiepreise haben der regionalen Wirtschaft zuletzt zwar etwas Erleichterung verschafft, die grundlegenden Rahmenbedingungen für die Unternehmen bleiben jedoch heikel. Die Kosten für Energie und Vorprodukte sind immer noch hoch und auch die Kosten für den Faktor Arbeit steigen spürbar an. Hinzu kommt die gewachsene Zinsbelastung. Dagegen herrscht auf der Nachfrageseite weiter Zurückhaltung. Dies gilt zum einen für den Konsum, der bisher noch nicht nachhaltig von der robusten Arbeitsmarktlage und den Einkommenssteigerungen im Zuge der jüngsten Tarifabschlüsse profitiert hat. Zum anderen gilt dies sowohl für die inländische als auch für die ausländische Investitionsgüternachfrage, die nur für begrenzte Impulse sorgen kann.
Auch in der regionalen Wirtschaft bleibt die Investitionsneigung durchwachsen. Wenigstens ist sie gegenüber dem Vorquartal wieder etwas angestiegen. Derzeit gehen 30 Prozent der Betriebe von einer Ausweitung ihrer Investitionen aus und 42 Prozent rechnen mit einem gleichbleibenden Volumen. 28 Prozent planen jedoch, ihre Investitionsbudgets einzukürzen. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass ein Großteil der Investitionen lediglich der Beschaffung von Ersatzbedarf sowie der Rationalisierung dient. Auf Wachstum ausgerichtete Investitionen zur Produktinnovation und Kapazitätserweiterung stehen dahinter zurück. Neben konjunkturellen Gründen drücken auch grundlegende strukturelle Probleme auf das Investitionsklima. Der allgegenwärtige Arbeits- und Fachkräftemangel, der enorme Anpassungsdruck im Zuge der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz, starke Belastungen durch überbordende Bürokratie und neue Gesetzesvorgaben, Erschwernisse für den Export durch die Zunahme geopolitischer Krisen und die Auswirkungen der fortschreitenden außen- und sicherheitspolitischen Polarisierung lassen eine prekäre Gemengelage entstehen, die der heimischen Wirtschaft nach wie vor kräftig aufs Gemüt schlägt.

Industrie

Zwar konnte der sektorale Konjunkturklimaindikator für die Industrie 15 Punkte gutmachen, eine durchgreifende Stimmungsaufhellung ist damit aber nur bedingt verbunden. So fallen die Rückmeldungen der produzierenden Betriebe zu ihrer geschäftlichen Lage im Frühjahr ebenso schwach aus wie im zurückliegenden Winter. Momentan berichten gerade einmal 18 Prozent der Hersteller von guten Geschäften. Über einen schlechten Geschäftsverlauf klagen dagegen 38 Prozent. Der Saldo aus positiven und negativen Rückmeldungen beträgt demnach -20 und hat sich gegenüber dem Vorquartal nicht verändert. Niedriger war er zuletzt nur mitten in der Coronakrise ausgefallen. Noch viel schwieriger ist die Lage in der energieintensiven Industrie. Dort beträgt der Saldo aus positiven und negativen Lagebeurteilungen sogar -68. Immerhin fällt die Vorausschau der regionalen Industrie auf die künftige Geschäftsentwicklung nicht mehr ganz so pessimistisch aus wie in den beiden Vorquartalen. Auf diesen Basiseffekt gründet sich auch der durchaus signifikante Anstieg des sektoralen Konjunkturklimaindikators. Ungeachtet dessen dominiert bei den Geschäftsprognosen aber weiterhin die Skepsis. Lediglich 8 Prozent der Industriebetriebe hoffen auf bessere Geschäfte im weiteren Jahresverlauf, mehr als zwei Drittel erwarten eine gleichbleibende Entwicklung. Mit geschäftlichen Einbußen rechnet hingegen fast jedes vierte Produktionsunternehmen.

Einzelhandel

Das Konjunkturklima im Einzelhandel bleibt trotz des leichten Anstieges des sektoralen Indikatorwertes um drei Punkte trübe. Immerhin haben sich die geschäftlichen Lagebeurteilungen der Händler im Vergleich zum Vorquartal etwas verbessert. Dennoch bezeichnen derzeit nur 8 Prozent der Händler ihre geschäftliche Situation als gut. Während etwa zwei Drittel sie zumindest noch als befriedigend empfinden, berichtet jeder vierte Befragte von schlecht laufenden Geschäften. Ausgehend von einem niedrigen Niveau haben sich die Umsätze und Erträge in Teilen der Branche stabilisiert, bleiben aber mehrheitlich unter Druck. Schwer hat es dabei keineswegs nur der stationäre Handel, auch im Onlinehandel wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel. Vor allem der Absatz langlebiger Konsumgüter gestaltet sich derzeit mühsam. Die inzwischen gesunkenen Inflationsraten und die zu erwartenden oder bereits eingetretenen Lohnzuwächse haben die Konsumlaune der Kunden bisher nur in geringfügigem Maße anstacheln können. Stattdessen bleibt die Kaufzurückhaltung der Verbraucher angesichts multipler Krisen und der daraus resultierenden Verunsicherung persistent. Und so fallen auch die geschäftlichen Prognosen der Einzelhändler für die kommenden Monate eher trostlos aus. 42 Prozent der Handelsunternehmen gehen von einer Verschlechterung ihrer Geschäftslage aus, mit besseren Geschäften rechnen hingegen nur 3 Prozent der Befragten.

Großhandel

Trotzdem der sektorale Konjunkturklimaindikator um einige Punkte zulegen konnte, tritt der Großhandel auf der Stelle. Dies zeigen die Rückmeldungen der Branche zu ihrer geschäftlichen Lage, die schlechter ausfallen als im Vorquartal. Aktuell berichtet nicht einmal jeder zehnte Grossist über gut laufende Geschäfte. Drei Viertel der Betriebe bezeichnen ihre Situation als befriedigend, 16 Prozent beurteilen ihre Geschäftslage jedoch als schlecht. Natürlich kann sich auch der Großhandel der allgemeinen Konjunkturflaute nicht entziehen. Entsprechend zögerlich fällt das Bestellverhalten seiner Kunden aus. Weite Teile des Wirtschaftszweiges sind hiervon betroffen. So leidet der produktionsbezogene Großhandel unter der trägen Industriekonjunktur, den konsumnahen Großhandel trifft dagegen die anhaltende Kaufzurückhaltung der Verbraucher. In der Folge sind die Umsätze und Erträge der Branche unter Druck geraten. Hoffnung auf Besserung war im zurückliegenden Winter kaum vorhanden. Zum Frühjahr hin ist sie zwar erkennbar angewachsen, bleibt aber dennoch verhalten. Dies zeigen die Prognosen für die Geschäfte im weiteren Jahresverlauf. Demnach bewertet mit 47 Prozent fast die Hälfte der Großhändler ihre geschäftlichen Aussichten als schlecht. Ein gutes Drittel geht zumindest von einer gleichbleibenden Entwicklung aus. Bessere Geschäfte erwartet dagegen nicht einmal jedes fünfte Großhandelsunternehmen.

Dienstleistungen

Auch wenn der branchenbezogene Konjunkturklimaindikator für die Dienstleistungswirtschaft ein paar Punkte gutmachen konnte, bleibt die Stimmung unter den Dienstleistern gedämpft. Wie in der Industrie und im Großhandel gründet sich der Anstieg nämlich allein auf die – vom ausgesprochen niedrigen Niveau des Vorquartals ausgehenden – verbesserten Geschäftsaussichten. Insofern kommt hier ein Basiseffekt zum Tragen. Hingegen hat die geschäftliche Lage der Branche zwischen Winter und Frühjahr durchaus gelitten. Umsätze, Erträge und Auftragseingänge zeigen lediglich eine geringe Dynamik. In der Folge bewerten derzeit nur noch 27 Prozent der Dienstleister ihre geschäftliche Lage als gut. Gut die Hälfte sieht sie als befriedigend an, 22 Prozent hadern hingegen mit ihrer Situation. Damit fallen diese Relationen zwar günstiger aus als bei den anderen betrachteten Wirtschaftszweigen, von den langjährigen Durchschnittswerten für die Dienstleistungswirtschaft sind sie aber weit entfernt. Angesichts des trägen Geschäftsumfelds bleiben auch die Erwartungen an die Geschäftsentwicklung im weiteren Jahresverlauf verhalten. So glauben nur 11 Prozent der befragten Dienstleistungsbetriebe an eine geschäftliche Aufhellung. Gleichbleibende Geschäfte erwarten immerhin 56 Prozent. Ein Drittel rechnet jedoch mit einer geschäftlichen Eintrübung. Per Saldo sehen also auch die Dienstleister schwierigen Zeiten entgegen.
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