Newsletter Recht - Dezember 2021

I. Pandemiebedingte Betriebsschließung kein Betriebsrisiko des Arbeitgebers

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass der Arbeitgeber nicht das Risiko des Arbeitsausfalls trägt, wenn er seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen muss. Er sei daher auch nicht zur Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs verpflichtet (BAG, Urteil vom 13. Oktober 2021, Az.: 211/21). Die beklagte Arbeitgeberin betreibt einen Handel unter anderem mit Nähmaschinen und musste ihr Ladengeschäft aufgrund einer Allgemeinverfügung der Freien Hansestadt Bremen im Jahr 2020 zeitweilig schließen. Die Klägerin war bei der Beklagten in diesem Zeitraum geringfügig beschäftigt, konnte jedoch nicht arbeiten und erhielt auch keine Vergütung. Mit ihrer Klage forderte sie die Zahlung ihres Lohns mit der Begründung, dass die Arbeitgeberin in diesem Fall das Betriebsrisiko trage. Während die Vorinstanzen der Arbeitnehmerin Recht gaben, urteilte das BAG zugunsten der Arbeitgeberin: 2 Es bestehe kein Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs, da sich nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko realisiert habe. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung sei vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. Es sei Sache des Staates, gegebenenfalls für einen Ausgleich der den Beschäftigten entstehenden finanziellen Nachteile zu sorgen, wie es zum Teil durch den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld geschehen sei. Soweit ein solcher bei geringfügig Beschäftigten nicht gewährleistet sei, beruhe dies auf Lücken im sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Daraus lasse sich jedoch keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten. BAG, Pressemitteilung 31/21 vom 13. Oktober 2021

II. Verpflichtender Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung ab Januar 2022

Ab dem 1. Januar 2022 müssen Arbeitgeber zu allen Entgeltumwandlungen in der betrieblichen Altersversorgung einen verpflichtenden Zuschuss an ihre Arbeitnehmer zahlen. Dieser Zuschuss soll den sozialversicherungsfreien Beitragsteil der Entgeltumwandlung weitergeben, den der Arbeitgeber bei Altzusagen bislang einbehalten konnte. Nun muss jeder Arbeitgeber, der eine Entgeltumwandlung über eine Direktversicherung, Pensionskasse oder einen Pensionsfonds durchführt und dadurch Sozialversicherungsbeiträge einspart, einen Zuschuss leisten. Dieser beträgt 15 % des umgewandelten Entgelts oder die Höhe der eingesparten Sozialversicherungsbeiträge, falls diese geringer ist als 15 %. Bisher beschränkte sich die Zuschusspflicht auf Neuzusagen in der betrieblichen Altersversorgung. Das Betriebsrentenstärkungsgesetz sieht vor, dass zukünftig alle Arbeitnehmer einen Anspruch auf diesen Zuschuss haben, den sie auch gerichtlich einklagen können. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Zuschusspflicht durch einen Tarifvertrag ausgeschlossen ist.

III. Firmen-, Handels- und Gesellschaftsrecht

BGH: Verschmelzungsbeschluss einer Genossenschaft ist in einer virtuellen Versammlung möglich Der Verschmelzungsbeschluss einer Genossenschaft kann vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie auch in einer virtuellen Versammlung getroffen werden. Das Versammlungserfordernis nach dem Umwandlungsgesetz steht dem nicht entgegen. Ein Gesetz zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sieht vor, dass Beschlüsse der Mitglieder einer Genossenschaft auch dann schriftlich oder elektronisch gefasst werden können, wenn dies in der Satzung nicht ausdrücklich zugelassen ist oder die Satzung zu dieser Frage keine Regelung enthält. Nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 5. Oktober steht das sich aus dem Umwandlungsgesetz ergebende Versammlungserfordernis dem nicht entgegen: Eine Versammlung setze nicht zwingend die physische Anwesenheit der Anteilseigner voraus. Der Versammlungszwang solle sicherstellen, dass die Anteilseigner die Möglichkeit haben, sich vor der Beschlussfassung über die Verschmelzung auszutauschen und diese zu erörtern. Das sei auch im Rahmen einer virtuellen Versammlung möglich. Auch die vorgeschriebene notarielle Beurkundung könne bei einer virtuellen Versammlung dadurch erfolgen, dass der Notar am Aufenthaltsort des Versammlungsleiters zugegen sei und sich von dem ordnungsgemäßen Ablauf des Beschlussverfahrens überzeuge. 3 BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2021, Az.: II ZB 7/21

IV. GmbH trägt angemessene Gründungskosten

Bei der Gründung einer GmbH müssen die von der GmbH selbst zu tragenden Gründungskosten in einem angemessenen Verhältnis zum Kapital bzw. zu dem der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Vermögen stehen. Das haftende Kapital soll nicht von vornherein durch die Gründungskosten zu stark reduziert werden. Grund für diese Kostenbegrenzung ist der Gläubigerschutz. Allerdings hat sich der von einer GmbH nach dem Gesellschaftsvertrag zu übernehmende Gründungsaufwand nicht immer am Stammkapital zu orientieren, insbesondere wenn dem Unternehmen sonstiges freies Kapital zur Verfügung steht. In dem vom Kammergericht Berlin am 26.Oktober 2021 (Az.: 22 W 44/21) entschiedenen Fall, wurde die GmbH im Rahmen einer Umwandlung gegründet. Auf Grund des – neben dem Stammkapitel - zur Verfügung stehenden Kapitals – hier fast 2 Mio. Euro - war gewährleistet, dass es zu keiner zu Lasten der Gläubiger gehenden Unterkapitalisierung kommt. Die Gründungskosten waren daher nicht auf 10 % des Stammkapitals zu begrenzen.

V. Wettbewerbsregister: Mitteilungspflicht und Abfragemöglichkeit ab 01.12.2021

Seit dem 29.10.2021 liegen die formalen Voraussetzungen vor, dass Eintragungen im Wettbewerbsregister und Abfragen dort möglich werden. Seit Anfang Dezember 2021 gilt die Pflicht zur Mitteilung relevanter Rechtsverstöße durch die zuständigen Behörden. Zeitgleich werden auch die registrierten öffentlichen Auftraggeber in Vergabeverfahren auf das Wettbewerbsregister zugreifen können. Ab Juni 2022 wird die Abfrage ab bestimmten Auftragswerten verpflichtend.
 
Das bundesweite Wettbewerbsregister stellt öffentlichen Auftraggebern, Sektorenauftraggebern und Konzessionsgebern für Vergabeverfahren Informationen darüber zur Verfügung, ob ein Unternehmen wegen begangener Wirtschaftsdelikte von einem öffentlichen Vergabeverfahren auszuschließen ist oder ausgeschlossen werden kann.
 
Weitere Informationen zum Wettbewerbsregister finden Sie auf der Webseite des Bundeskartellamtes (hier).

VI. Whistleblowing-Richtlinie: Vorbereitungen für Hinweisgebersysteme treffen

Bis zum 17.12.2021 hätte die EU-Whistleblowing-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden müssen. Dies wird nicht mehr gelingen: Das deutsche Umsetzungsgesetz gibt es aber noch nicht, nicht einmal als Referentenentwurf. Der Versuch eines solchen Umsetzungsgesetzes war in der vergangenen Legislaturperiode gescheitert. Nun muss das Gesetzgebungsverfahren von vorne neu beginnen. Es ist jedenfalls damit zu rechnen, dass schon recht bald ein Referentenentwurf vorgelegt werden wird.
 
Viele Bestandteile des deutschen Umsetzungsgesetzes sind durch die Richtlinie schon recht genau vorgegeben. Darauf kann man sich schon vorbereiten, damit die erforderlichen Hinweisgebersysteme schnell funktionsfähig sein werden, sobald das deutsche Umsetzungsgesetz vorliegt.
 
Schon jetzt sollte daher überlegt werden,
  • welche Meldekanäle eingerichtet werden sollen,
  • externe oder interne Lösungen gesucht werden,
  • wie die Vertraulichkeit sichergestellt werden kann,
  • wer für Entgegennahme und Bearbeitung der Hinweise zuständig sein soll,
  • wie die Beschäftigten über das neue Hinweisgebersystem informiert werden sollen,
  • wie der Datenschutz sichergestellt werden kann,
  • wie der Betriebsrat einzubeziehen ist,
  • ob auch anonyme Hinweise ermöglicht werden sollen und
  • wie man das Hinweisgebersystem Hinweisgebern einerseits so schmackhaft machen kann, dass sie sich mit Meldungen nicht gleich an die externe Behörde oder gar an die Presse wenden, sondern den internen Kanal nutzen, aber andererseits potenzielle Hinweisgeber von missbräuchlichen Beschwerden und Denunziantentum abschreckt.
Wer bereits ein Hinweisgebersystem hat, sollte anhand der Richtlinie prüfen, ob die dortigen Anforderungen erfüllt werden. Ggf. können schon jetzt einige Anpassungen vorgenommen werden. Spätestens wenn das deutsche Umsetzungsgesetz vorliegt, wird es weiteren Anpassungsbedarf geben.

VII. Preisangabenverordnung: Kabinett beschließt Novelle

Das Kabinett der nunmehr abgelösten Bundesregierung hat den Entwurf der Novelle der Preisangabenverordnung (PAngV) zur Umsetzung der Änderungen der Preisangabenrichtlinie aus der Richtlinie (EU) 2019/2161 zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union in nationales Recht am 03.11.2021 mit zwei Maßgaben des Bundesrates beschlossen.
 
Die Richtlinie sieht u. a. neue Vorgaben für die Bekanntgabe einer Preisermäßigung für durch Händler angebotene Erzeugnisse vor. Sie enthält außerdem eine Neufassung der Sanktionsvorschriften der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.02.1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse. Die Richtlinie (EU) 2019/2161 gilt ab dem 28.05.2022.
 
Bei Preisermäßigungen für Waren soll verhindert werden, dass auf vorherige Preise Bezug genommen wird. U.a. soll einer kurzzeitigen Anhebung von Preisen vor einer Preisermäßigung ein Riegel vorgeschoben werden.
 
Erleichtert werden soll der Abverkauf leicht verderblicher Lebensmittel. Zum einen wird diese Möglichkeit auf leicht verderbliche und kurz haltbare Waren erweitert, zum anderen wird für die Anbieter die Preisangabe für diese Waren vereinfacht. Dies soll der Lebensmittelverschwendung entgegenwirken und die Nachhaltigkeitsbestrebungen unterstützen.
 
Aufgrund eines Maßgabenbeschlusses des Bundesrates wird in § 5 Absatz 1 PAngV geregelt, dass zum Zwecke einer besseren Preistransparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher einheitlich 1 Kilogramm bzw. 1 Liter als Mengeneinheit für die Angabe von Grundpreisen zu nutzen ist. Die bisherige Möglichkeit einer Abweichung bei Waren, deren Nenngewicht oder Nennvolumen üblicherweise 250 Gramm oder 250 Milliliter nicht übersteigen, wird ersatzlos gestrichen.
Mit der Novellierung der Preisangabenverordnung wird der Begriff der „Selbstabfüllung“ in die Preisangabenverordnung eingeführt sowie eine Regelung zur Mengenangabe bei zur Selbstabfüllung durch die Verbraucherinnen und Verbraucher angebotener flüssiger loser Ware getroffen. Ergänzend wird zum punktuellen Aufladen von elektrisch betriebenen Fahrzeugen an einem Ladepunkt eine Neuregelung zur Angabe des Arbeitspreises für Elektrizität durch den Anbieter des Ladestroms aufgenommen, die durch den zweiten Maßgabenbeschluss des Bundesrates um die Abrufoption für eine Anzeige des Preises auf dem Display eines mobilen Endgerätes ergänzt wurde.
 
Die Novellierung führt zu einer deutlichen Umstrukturierung, durch die aber keine inhaltlichen Änderungen vorgenommen werden.
 
(Quelle: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Service/Gesetzesvorhaben/entwurf-novelle-der-preisangabenverordnung-kabinettfassung.html)
Die Verordnung zur Novellierung der Preisangabenverordnung mit Stand 03.11.2021 finden Sie hier.

VIII. EU-Kommission konsultiert zur Qualität und Verbesserungsbedarf der Unternehmensberichterstattung, Corporate Governance, Abschlussprüfung sowie der Aufsicht

Die EU-Kommission hat eine Konsultation zur Qualität und zum Verbesserungsbedarf der Unternehmensberichterstattung, zur Corporate Governance in den Unternehmen, zur Abschlussprüfung, zur Aufsicht über Abschlussprüfer und zur Kontrolle der Berichterstattung gestartet.
 
Die Fragen befassen sich mit der Wirksamkeit, Effizienz, Relevanz sowie Kohärenz der bisherigen europäischen Regelungen und erörtern Handlungs- und zusätzlichen Regulierungsbedarf. Neben dem Nachbesserungsbedarf gilt es aus Sicht der Kommission auch zu prüfen, wie die EU ihre Ziele (u. a. grüne Wirtschaft, digitalen Wandel, Erleichterung der Geschäftstätigkeit von KMU, Verringerung der Belastung und/oder Vereinfachung, Verbesserung der sozialen Verantwortung von Unternehmen, einschließlich Steuertransparenz und gerechter Besteuerung) erreichen kann und ob und welcher Änderungen es hierfür im europäischen Regulierungsrahmen bedarf. Bis zum 04.02.2022 kann der Online-Fragebogen der Kommission beantwortet werden (vorherige Registrierung erforderlich). Der Fragebogen steht auch auf Deutsch zur Verfügung. Die Ergebnisse der Konsultation sollen in eine Folgenabschätzung einfließen, die die Kommission 2022 zu einer möglichen Änderung und Stärkung der geltenden EU-Vorschriften erstellen wird.