„Beruf und Bildung sind meine Themen“

Seit dem 1. Juli leitet Dr. Kirsten Anna van Elten die Abteilung Ausbildung in der IHK Braunschweig. Damit trägt sie im Haus die Verantwortung für eine der wichtigsten hoheitlichen Aufgaben innerhalb der IHK-Arbeit. Die ersten drei Monate im Amt, also fast 100 Tage, sind rum. Das haben wir zum Anlass genommen, um mit der promovierten Geschichtswissenschaftlerin über die Ist-Situation in ihrem Bereich zu sprechen und zudem gefragt: Quo vadis, Abteilung Ausbildung?
Frau Dr. van Elten, nach den ersten 100 Tagen darf das erste Mal bilanziert werden: Wie haben Sie diese Zeit als neue Abteilungsleiterin der Ausbildung erlebt?
Ich habe manchmal das Gefühl, dass es schon 700 Tage sind (lacht). Jeder Tag hier ist so grundsätzlich anders, weshalb man das nur ganz schwer zusammenfassen kann. Für mich war in der neuen Funktion gleich die erste Corona-Verordnung einschneidend, weil das für uns in der Ausbildung einen ganzen Rattenschwanz an Konsequenzen nach sich gezogen hat und immer noch zieht, insbesondere bei der Organisation und Durchführung von Prüfungen. Sich unter Coronabedingungen bei Unternehmerinnen und Unternehmern vor Ort vorzustellen, bleibt ebenfalls eine echte Herausforderung. Nichtsdestotrotz ist das aktuell ein sehr wesentlicher Teil unserer Arbeit. Wir möchten uns und die Services, die wir anzubieten haben, draußen vorstellen. Der Start war für mich auch deshalb eine spannende Zeit, weil am 1. August der klassische Ausbildungsstart ist. Da galt es, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen auch die Unternehmen gut zu beraten, zu unterstützen und Ausbildung möglich zu machen.
Die Coronapandemie begleitet uns zumindest in diesem Jahr noch weiter. Welche Effekte hat diese generell auf die duale Ausbildung – und welche ganz explizit auf Ihre Arbeit in der Abteilung?
Intern betrachtet, ist das Pandemiegeschehen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Abteilung vor allem mit einer großen Unsicherheit verbunden gewesen: können Prüfungen stattfinden oder nicht – und, wenn ja, wie können die stattfinden. Mittlerweile läuft das natürlich routinierter als zu Beginn von Corona. Bei Einladungen schicken wir beispielsweise nach wie vor Informationen bezüglich der gerade geltenden Hygienemaßnahmen mit, weil uns die Sicherheit der Prüfer und Prüflinge enorm wichtig ist. Hier war es notwendig, die Unterlagen nicht nur aktuell zu halten, sondern auch so aufzubereiten, dass alles gut verständlich ist. Die Prüflinge sind ohnehin nervös, die brauchen jetzt nicht noch 20 Seiten Auflagen und Erklär-Texte. Das bedeutete für uns intern wie extern schon einen großen Abstimmungsaufwand.
Für die jungen Leute selbst ist die Berufsorientierung immer ein Riesenthema: was will ich mal werden, wo möchte ich hin. Da Schule zuletzt nur unregelmäßig stattfand, fehlte den jungen Leuten ein wichtiger Part im Orientierungsprozess. Für uns galt es daher, präsent zu sein, um zu zeigen, dass die Ausbildung grundsätzlich ein sehr guter Weg ist.
Es gibt Rankings mit den beliebtesten Berufen. Hat die Pandemie hier für Verschiebungen gesorgt?
Es gab die Annahme, dass es im Gastro­bereich ganz viel Einbruch gibt. Das ist bei uns tatsächlich nicht so extrem, was mich sehr gefreut hat. Wir sehen aber, dass sich im Bereich Handel und Dienstleistungen gerade im Bereich E-Commerce ganz viel bewegt. Der Onlinehandel ist ein großes Thema für uns alle. Was wir zudem registrieren, ist eine gestiegene Zahl an Weiterbildungsinteressierten.
Sie sind seit etwa zwei Jahren im Haus, zunächst als Referentin in der Aus- und Weiterbildung, dann Teamleiterin und später kommissarische Abteilungsleiterin der Weiterbildung. Als Abteilungsleiterin der Ausbildung sind Sie nun parallel weiterhin kommissarische Abteilungsleiterin der Weiterbildung. Wie bringen Sie das unter einen Hut?
Es fällt mir wahrscheinlich deshalb nicht allzu schwer, weil Beruf und Bildung wirklich „meine“ Themen sind, das fasziniert mich einfach. Zudem habe ich mit ­Ann-Kathrin Frohmüller eine super Teamleitung, die für mich, aber auch für die ­Kollegen, eine große Unterstützung ist. Es ist letztlich die Arbeit aller, die sicherstellt, dass die Abteilung gut funktioniert. Ich bekomme von außen immer wieder gespiegelt, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer wahrnehmen, was wir als Kollektiv leisten.
Ich glaube, dass es jedem so geht, der eine Position neu bekleidet: Man hat sehr viele Ideen, die man sofort umsetzen möchte. Das klappt natürlich nicht von heute auf morgen. Ich musste mich selbst erstmal bremsen, um zu gucken, was haben wir, welche Rahmenbedingungen finden wir vor. Aktuell sehe ich, dass die ­Kolleginnen und Kollegen hier einen guten Job machen, ich sehe aber auch an vielen Stellen, dass man Sachen bündeln könnte. Die Schnittstellen, auch jene in die anderen Abteilungen des Hauses, würde ich gerne noch intensiver nutzen.
Haben Sie dafür Beispiele?
Da schwebt mir das eine oder andere Projekt vor. Zum Bereich Öffentlichkeitsarbeit sehe ich beispielsweise Berührungspunkte, was die Berufsorientierung angeht. Hier möchte ich in den nächsten Jahren gemeinsam das Thema Berufsorientierung stärken und neue Formate einführen.
Wo sehen Sie für die Abteilung Ausbildung den größten Handlungsbedarf – und was klappt schon gut?
Bei der Digitalisierung ist sicher Luft nach oben. Da sehe ich schon einen Mehrwehrt, wenn wir bestimmte Vorgänge auch anders – eben digital – abbilden können. Das freut am Ende die Kollegen, weil sie ein schnelleres Feedback bekommen, es freut aber vor allem die Unternehmerinnen und Unternehmer. Es gibt allerdings auch Ideen und Projekte, die man nicht so ohne weiteres umsetzen kann. An dieser Stelle, das ist der Anspruch, den ich habe, muss man aber auch mal erklären, warum Dinge nicht gehen.
Was gut klappt, ist die Absprache und Kommunikation unter den Kollegen. Da haben wir eine richtig gute Ebene. Ich habe, in den unterschiedlichsten ­Konstellationen, Jour fixe mit den Kolleginnen und Kollegen,  wobei in den letzten anderthalb Jahren ganz viel via Teams oder in Telefonkonferenzen stattgefunden hat. Ich halte es für ganz entscheidend, dass man sich gegenseitig mitkriegt. ­Meine Mitarbeiter sollten wissen, was mich beschäftigt und umgekehrt. Das schafft Verständnis – auf beiden Seiten.
Welche Arbeiten fallen aktuell schwer-punktmäßig in Ihrer Abteilung an?
In der Abteilung Ausbildung dreht sich, was wenig überraschend ist, schon sehr viel um die Prüfungen. Für die Eignungsfeststellungen waren wir zuletzt häufig in den Betrieben und auch sonst schauen wir, dass wir mit Unternehmen ins Gespräch gehen und gegebenenfalls beraten. Aktuell beantworten wir zudem viele Fragen in Zusammenhang mit Corona und zur Ausbildungsprämie. Und mit Wechseln in der Ausbildung hatten wir verstärkt zu tun, beispielsweise wenn Azubis – was uns immer freut – früher zur Prüfung zugelassen werden möchten. Nicht zuletzt haben wir auch das Weiterbildungsstipendium, ein Zwitter zwischen Aus- und Weiterbildung, wo wir die Besten der Besten fördern auf ihrem beruflichen Weg. Ein weiteres Projekt, das aktuell stark im Fokus steht, ist „TOP Ausbildung“.
Sie sind promovierte Geschichtswissenschaftlerin, wie kommt man da zur IHK?
Ich habe mich tatsächlich schon im Studium, ganz klassisch Geschichte und Deutsch, mit der IHK-Welt auseinandergesetzt, ein bisschen mehr sogar mit den Außenhandelskammern, weil ich immer mal überlegt hatte, ein Praktikum im Ausland zu machen. Die Bildungsthemen haben mich in der Zeit also ­ständig begleitet. Während der Promotion merkte ich dann, dass mir die Arbeit für und mit Menschen liegt, weshalb ich anschließend im Universitätskontext viel in Richtung Nachwuchsförderung gemacht habe: Programme aufgesetzt, strategisch geplant und durchgeführt. Irgendwann hatte ich Lust auf eine ganz andere ­Zielgruppe und mich gefreut, diesen Weg hier im Haus einschlagen zu können. Gebürtig komme ich vom Niederrhein nahe der niederländischen Grenze, habe dann in Bonn studiert. In Braunschweig wohne ich seit 2010, da habe ich zunächst in Wolfenbüttel für die Herzog Anton August Bibliothek gearbeitet, dann in Hamburg promoviert. Nach Zwischenstationen in Oldenburg und Düsseldorf bin ich dann wieder hierher zurückgekehrt – und beruflich angekommen.  
pau