„Ich bin mein Leben lang sehr technikaffin gewesen“

Jürgen Gehrke begeistert sich für Technik. Er gehört zu jener Sorte Mensch, die kaputte Radios auseinander- und wieder zusammenbaut. Als ehemaliger Berufsschullehrer hat er seine Passion zur Profession machen können. Seine Expertise bringt er als Prüfer für gewerblich-technische Berufe bei der IHK ein.
Bevor er Lehrer wurde, hat Gehrke die klassische Berufslaufbahn abgeschlossen. Es begann mit seiner Ausbildung zum Dreher bei den Stahlwerken Peine und Salzgitter, wo er anschließend als Universalfräser weiterarbeitete. Im Wehrdienst qualifizierte er sich zum Industriemeister Metall und damit en passant für den Lehrerberuf. Seither unterrichtete er fachpraktische Fächer an der Berufsbildenden Schule Fredenberg und holte parallel die Hochschulzugangsberechtigung in Abendkursen nach – stets vor Augen: das Lehramtstudium. „Nach zehnjähriger Tätigkeit als Lehrer für Fachpraxis konnte ich dann mit einem Stipendium des Landes Niedersachen das Studium beginnen“, erinnert sich Gehrke, der im Anschluss an seine Hochschulzeit 1999 den Weg zurück an die BBS Fredenberg fand. „Nun allerdings als Lehrer für Fachtheorie“, wirft er ein.

Die Pause

Die Einführung der Mechatroniker-Ausbildung im Jahr 1999 markiert einen Meilenstein für den heute 64-Jährigen, denn es war zugleich seine erste Berührung mit der IHK. Er habe den neuen Beruf an der BBS Fredenberg von Anfang an begleitet und wurde dadurch 2001 für die Tätigkeit als Lehrervertreter im IHK-Prüfungsausschuss für Mechatroniker benannt. „Lehrer und Prüfer zu sein, war für mich sehr bedeutsam, um den eigenen Unterricht in Bezug auf die Anforderungen der Abschlussprüfung reflektieren zu können“, betont Gehrke, der seit diesem Jahr im Ruhestand ist. „Darüber hinaus habe ich das Prüfer-Ehrenamt immer als persönliche Bereicherung empfunden.“
Dennoch musste der gebürtige Wolfenbütteler den Prüfungsausschuss 2011 verlassen. Warum der Bruch? Gehrke habe im selben Jahr die Funktion des Abteilungsleiters an der Schule übernommen und sehr schnell festgestellt, dass er Haupt- und Ehrenamt nicht gleichermaßen gerecht werden konnte. „Als Abteilungsleiter einer Berufsbildenden Schule gehört man zur erweiterten Schulleitung und hat damit eine deutlich höhere Präsenzpflicht. Dieser Umstand hätte zur Folge gehabt, dass mich meine Kollegen und Kolleginnen des Prüfungsausschusses sehr oft hätten vertreten müssen.“ Diese Bürde wollte der Pensionär seinen Mitstreitern nicht zumuten. Wären die Prüfungsausschüsse stärker besetzt gewesen, hätte er wohl weitermachen können.
„Ich habe das Prüferehrenamt immer als persönliche Bereicherung empfunden.“

Ehrenamtlicher Neustart

Das Bild habe sich seither nicht verändert. Viele Prüfungsausschüsse suchen dringend Nachwuchs, weiß Gehrke. Vor allem mit den Lehrkräften sei das so eine Sache. „Sie sind hochmotiviert, aber für die Berufsschulen stellt es eine organisatorische Besonderheit dar“, beschreibt er mit dem Blick eines ehemaligen Schulleiters. Er habe zwar bereitwillig Kollegen für die Prüfungstätigkeit abgestellt, diese wiederum mussten jedoch im Unterricht von anderen Lehrkräften vertreten werden. Mit dem Eintritt in den Ruhestand hat sich Jürgen Gehrke direkt wieder für das Ehrenamt berufen lassen, heute prüft er Industriemechaniker. Er gibt zu, die Unterstützung der Ausschüsse sei nicht sein einziger Anreiz gewesen. Es war auch der Umstand, dass ihm die Auseinandersetzung mit technischen Aufgaben und Problemstellungen im Rahmen der Prüfungserstellung schon immer viel Freude gemacht hat. „Ich bin mein Leben lang sehr technikaffin gewesen und habe nun die Freiheit, es als eine Art Hobby auszuleben.“ Ebenso sei der Austausch mit Prüfungskollegen – vornehmlich aus Unternehmen – sehr interessant und abwechslungsreich für ihn als ehemaligen „Pauker“.

Freiwillige Arbeit stärker bewerben

Obwohl der begeisterte Tennisspieler auch im Sportverein ehrenamtlich tätig ist, gibt er offen zu, dass ihm das Ehrenamt nicht per se im Blut liegt. Er sei vielmehr ein Mensch, dem derartige gesellschaftliche Aufgaben wichtig sind und er nicht umhinkomme, sich verantwortlich zu fühlen. Wie man die Verantwortung an den Nachwuchs transportieren könne? In seinem Umfeld habe er nie erlebt, dass es den jungen Menschen an Motivation mangelt. Dennoch stellt er seufzend fest, dass es insgesamt noch zu wenige Freiwillige seien. Gehrke schlägt vor, das Ehrenamt stärker zu bewerben und die Aufwandsentschädigung anzuheben.
Dass auch Ehrenämtler mal eine Pause brauchen, insbesondere wenn sie ­hauptberuflich so stark eingebunden sind wie Jürgen Gehrke es war, ist nachvollziehbar. Dass er das Amt aber wieder aufgenommen hat, spricht eindeutig für ihn – und nicht zuletzt auch für die Prüfertätigkeit.
Am Ende verrät Gehrke noch, dass auch heute noch der Pädagoge in ihm überwiege. Er erinnert sich an ein Fachgespräch, in dem die zu Prüfende schon bei der ersten Frage – die bekanntermaßen einen leichten Einstieg darstellen soll – passen musste. Er lacht. „Da muss man dann tief durchatmen, pädagogisch arbeiten und das Beste aus der Situation rausholen.“ Es komme tatsächlich nicht sehr häufig vor, dass die erste Frage nicht beantwortet wird.
ar