EU-Lieferkettenrichtlinie: Zielsetzung gut, Umsetzung praxisfremd und unverhältnismäßig

Region Bodensee-Oberschwaben: 
Die Einigung über die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDD), die vor Kurzem in Brüssel während der sogenannten Trilog-Verhandlungen erreicht wurde, ist aus Sicht weiter Teile der Wirtschaft bürokratisch und praxisuntauglich. Strengere Sorgfaltspflichten und ein erweiterter Anwendungsbereich der Regelungen führten bei vielen Unternehmen in der Region zu Unverständnis, so die Industrie- und Handelskammer (IHK) Bodensee-Oberschwaben. 
Die EU-Lieferkettenrichtlinie findet auf deutlich mehr Unternehmen Anwendung und enthält mehr Pflichten als das bestehende deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG). Die Richtlinie verfolgt das Ziel, ein nachhaltiges und verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln in globalen Wertschöpfungsketten zu fördern. „Dazu steht die regionale Wirtschaft“, so Dr. Sönke Voss, Hauptgeschäftsführer der IHK Bodensee-Oberschwaben. „Die Umsetzung durch die Richtlinie ist aber in der unternehmerischen Praxis nicht praktikabel. Der aktuelle Kompromiss führt daher zu mehr Bürokratie, Rechtsunsicherheit und kaum kalkulierbaren Risiken. Dies lehnen wir ab.“
Fast alle Unternehmen, die derzeit direkt vom deutschen Lieferkettengesetz betroffen seien, berichteten von diversen Unklarheiten und Problemen bei der praktischen Umsetzung, so Voss. In den zurückliegenden Monaten sei auch bei Veranstaltungen und Workshops der IHK Bodensee-Oberschwaben in Gesprächen mit regionalen Unternehmen immer wieder deutlich geworden, dass auch indirekt betroffene Betriebe – als Teil der Lieferkette – vor unüberwindbaren Schwierigkeiten stehen. 
Nicht durchsetzbare Anforderungen zwängen Unternehmen dazu, sich aus einzelnen Märkten zurückzuziehen, was in Zeiten gestörter Lieferketten besonders problematisch sei. Der bürokratische Aufwand für die Erstellung verschiedener Berichte und das Ausfüllen zahlreicher Fragebögen binde qualifizierte Arbeitskräfte. „Wir laufen sehenden Auges in eine Überregulierung, die schon jetzt die Innovationskraft reduziert und zur Verlagerung wichtiger Zukunftsinvestitionen an andere Standorte führt. Von den Finanzströmen über die Lieferketten bis zur Vermarktung entstehen kleinteilige Vorschriften und Berichtspflichten rund um Nachhaltigkeit. Die Zielsetzung ist richtig, der Weg dahin führt aber über Innovationskraft, marktwirtschaftliche Anreize und eine auf das Wesentliche beschränkte Regulierung“, betont der Hauptgeschäftsführer der IHK Bodensee-Oberschwaben. 
Angesichts der aktuell schwierigen Zeiten für Unternehmen sei die Lieferkettenrichtlinie daher ein falsches Signal. Das bundesweite IHK-Netzwerk und seine Dachorganisation, die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK), setzten sich daher noch stärker als bisher für den Abbau von Bürokratie ein, während die EU mit ihrer neuen Richtlinie den Unternehmen noch mehr bürokratische Lasten aufbürde. Dies beeinträchtige die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen und die Attraktivität der EU als Wirtschaftsstandort insgesamt erheblich.
Das Europäische Parlament und der Rat haben im Rahmen der Trilog-Verhandlung am 13./14. Dezember 2023 eine vorläufige politische Einigung zum EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) erzielt. Ein finaler Text liegt noch nicht vor. Weitere Informationen können Sie den Pressemitteilungen des Parlaments und des Rates entnehmen.
Medieninformation Nr. 121/2023