Viele offene Fragen: Unternehmen kämpfen mit Energieversorgung

Region Bodensee-Oberschwaben / Bad Wurzach:
Die Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK) lud gemeinsam mit der Verallia Deutschland AG Mitte Februar die beiden Grünen Landtagsabgeordneten Petra Krebs und Jutta Niemann am Firmensitz in Bad Wurzach zu einem Gespräch ein. Ziel war es, im Dialog zwischen Politik und Wirtschaft die drängenden Probleme und Herausforderungen in Sachen Energieversorgung aufzuzeigen und konkrete Lösungen zu diskutieren.
„Wir freuen uns, dass die Abgeordneten Niemann und Krebs der Einladung gefolgt sind und sich so vor Ort im Unternehmen die aktuellen Herausforderungen der Energiewende von uns aufzeigen lassen“, so Matthias Mönnighoff, Leiter Energie und Energietransformation bei Verallia. Die Verallia Deutschland AG stellt Verpackungen aus Glas her und gehört damit zu den energieintensiven Unternehmen. „Wir stecken in einem mächtigen Transformationsprozess und tragen mit unseren Produktionsveränderungen aktiv zur – politisch gewünschten – Energiewende bei“, so Mönnighoff. So kommt bei dem Unternehmen deutlich mehr Recyclingglas zum Einsatz und die Transformation der Schmelzwannen vom heute konventionellen Betrieb mit 90 Prozent Brennstoff plus 10 Prozent Strom künftig hin zu einer Befeuerung mit 70 bis 90 Prozent Grünstrom und einem Anteil klimaneutraler Brennstoffe trägt wesentlich zur energieärmeren beziehungsweise klimaneutralen Herstellung von Glas bei.
Diese Elektrifizierung lässt den Strombedarf des Unternehmens jedoch in die Höhe schnellen: In den kommenden 15 Jahren steigt der Bedarf für Grünstrom für Verallia Deutschland insgesamt um das über Fünffache. „Dieser steigende Bedarf gilt anteilig auch für unseren Standort Bad Wurzach“, so Mönnighoff und er erläutert: „Wir sind auf eine sichere Energieversorgung angewiesen, um Emissionen zu reduzieren und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Das Problem: Aus der Versorgung des nächstgelegenen Umspannwerks Haisterkirch ist diese Anschlusskapazität nicht verfügbar. Einen notwendigen 110kV-Anschluss für Bad Wurzach bereitstellen zu können, würde laut Netzbetreiber Investitionen in Höhe von über 20 Millionen Euro bedeuten. Ein neues, leistungsstarkes Umspannwerk müsste gebaut werden. Kosten für Bau und Anschluss, auf denen nach jetzigen Sachstand Verallia Deutschland sitzen bleiben würde. Doch diese Investition ist für das Unternehmen für den Standort Bad Wurzach nicht darstellbar.
„Wir kennen solche handfesten und nicht zuletzt auch existentiellen Probleme von vielen Gesprächen mit Unternehmen. Einerseits sollen die Unternehmen Motor der Energiewende sein und schnellstmöglich ihre Prozesse umstellen, andererseits fehlt es an der passenden Infrastruktur“, so Stefan Kesenheimer, IHK-Bereichsleiter für Unternehmensförderung und Regionalentwicklung. Er erläutert: „Dreh- und Angelpunkt ist immer und immer wieder der Stromnetzausbau. Denn ohne Netzausbau kann der dezentrale Ausbau von erneuerbaren Energien bei den Unternehmen nicht vorangehen und die gewünschte Elektrifizierung gerät ins Stocken. Mit der Elektrifizierung kommen jedoch unter Umständen sehr hohe Kosten auf die Unternehmen zu. Teilweise werden aber die Kriterien für die Kostenberechnung in unterschiedlichen Netzgebieten unterschiedlich abgeleitet. Dies führt zu Intransparenz und Verunsicherung bei den Unternehmen.“
Ein weiteres Problem, und auch das wurde bei dem Gespräch anhand konkreter Beispiele von Unternehmen aus der Region deutlich, sei die Planungsunsicherheit für Unternehmen. Wann ein Unternehmen mit einem Netzanschluss rechnen kann, wird oftmals nur vage formuliert. Zeitspannen von mehreren Jahren werden genannt. Verbindlichkeiten gibt es keine. Für Unternehmen, die viel investieren müssen, um ihre Prozesse umstellen zu können trägt dies nicht zur Investitionssicherheit bei und stellt ganze Projekte in Frage. „Manchmal stehen Zeithorizonte von bis zu zehn Jahren im Raum. Kein Unternehmen kann so Projekte und Transformationsprozesse solide planen. Da ist es schon realistischer, ein Projekt zu stoppen oder gar den Standort grundsätzlich zu prüfen und gegebenenfalls dort hinzugehen, wo die Rahmenbedingungen besser passen“, so Kesenheimer. Das Frustrierende dabei sei, dass die Unternehmen bereit seien und technische Innovationen hervorbringen könnten, die eine Transformation viel schneller möglich machen würden.
Dass die Energiewende gelingen kann, daran arbeiten auch die beiden Abgeordneten des Landtages Petra Krebs (MdL) und Jutta Niemann (MdL) von den Grünen. Niemann ist Sprecherin für Energie- und Klimapolitik und Mitglied des Ausschusses für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft. Krebs sitzt im selbigen. Offen zeigen sich die beiden Politikerinnen für die Themen der Unternehmer und der IHK. „Die Problematik, die wir auch von weiteren Unternehmen und Regionen kennen, wurde schon durch eine Task Force im Umweltministerium bearbeitet und verbessert. Auch die Bundesregierung hat wichtige Verbesserungen auf den Weg gebracht. Die Umsetzung wollen wir weiter beschleunigen und erwarten das auch von der Netze BW. Unternehmensstandorte dürfen dadurch keinesfalls geschwächt werden“, so Niemann. Und auch Landtagsabgeordnete Krebs macht deutlich: „Es ist völlig verständlich und nachvollziehbar, dass zu hohe Anschlusskosten Unternehmen bei dem Prozess der Elektrifizierung behindern. Dazu muss das Gespräch mit den Netzbetreibern gesucht werden.“
Es sei ein gutes, konstruktives Gespräch gewesen, so alle Beteiligten. Niemann und Krebs versprachen, die Anliegen in die Ministerien zu tragen, um dort auf die Probleme aufmerksam zu machen und gemeinsam mit den Netzbetreibern nach konkreten Lösungen zu suchen.
Eines ist klar: Der Netzausbau muss schneller, verbindlicher und transparenter laufen und die Unternehmen dürfen nicht die Last der Energiewende allein tragen. Dafür bedarf es eines echten Schulterschlusses zwischen Politik und Wirtschaft. Ein Gespräch kann ein Anfang sein.
Medieninformation Nr. 19/2025