Unternehmen müssen sich für den Krisenfall wappnen

Stuttgart / Friedrichshafen / Region Bodensee-Oberschwaben:
Die Versorgungssicherheit, die Resilienz und der Schutz der Infrastruktur gewinnen für Unternehmen auch im Kontext der Gesamtverteidigung zunehmend an Bedeutung. Globale Krisen, geopolitische Spannungen, Cyberbedrohungen und unterbrochene Lieferketten fordern die Betriebe heraus, ihre Rolle innerhalb eines gesamtgesellschaftlichen Sicherheitskonzepts aktiv wahrzunehmen und ihr wirtschaftliches Handeln darauf auszurichten. Am 14. Juli kamen über 100 interessierte Unternehmen aus allen Branchen in Friedrichshafen am Bodensee zusammen und tauschten sich im Rahmen der Veranstaltung „Krisenfest – Wirtschaft in der Gesamtverteidigung“ über die aktuellen Herausforderungen und möglichen Lösungsansätze aus.
Die Veranstaltung wurde von der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK) und der bei ihr angesiedelten Koordinierungsstelle für Gesamtverteidigung der IHKs in Baden-Württemberg gemeinsam mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus durchgeführt und stellte den Auftakt einer landesweiten Veranstaltungsreihe rund um den Themenkomplex Sicherheit und Verteidigung dar.
In seiner Begrüßung machte Martin Buck, Präsident der IHK Bodensee-Oberschwaben, deutlich, dass Anpassungsfähigkeit und Resilienz immer schon wichtige Eigenschaften von Unternehmen waren. „Wir sind eine Top-Industrie- und Hightech-Region, gerade weil wir uns immer wieder neu erfunden und Krisen erfolgreich gemeistert haben“, so Buck. Er betonte die zentrale Bedeutung der Wirtschaft auch im Krisenfall. So sei die Wirtschaft nicht nur „zentraler Pfeiler einer glaubhaften Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit“, es sei im Ernstfall auch notwendig, dass die Wirtschaft über möglichst viele Branchen hinweg weiterlaufen müsse. Angesichts multipler Bedrohungslagen sei es daher wichtig, bestmöglich vorbereitet zu sein. Richtung Politik lobte Buck den engen Schulterschluss mit der Landesregierung bei dem Thema und forderte wirtschafts- und praxisnahe Regelungen bei Themen wie Genehmigungsverfahren, Vergabe, Berichtspflichten und dem Ausbau und Erhalt von Infrastruktur. Es sei Zeit für „gemeinsames zielgerichtetes Handeln“, forderte Buck auf.
Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, betonte in ihrer Rede die Bedeutung des wirtschaftlich starken und innovativen Baden-Württembergs im Verteidigungskontext: „Von Waffenherstellern über Fahrzeugbau sowie Luft- und Raumfahrt bis hin zur Informationstechnologie – als Querschnittsbranche ist die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in Baden-Württemberg breit aufgestellt.“ Sie betonte das Zusammenspiel von industrieller Tiefe, technologischer Kompetenz und forschungsnaher Entwicklung – dieses gelte es in Zukunft noch stärker zu aktivieren. „Eine resiliente Wirtschaft beginnt dort, wo kluge Köpfe aus Forschung, Entwicklung und Industrie gemeinsam Verantwortung übernehmen – für Baden-Württemberg, für Deutschland und für Europa“, so die Ministerin weiter. Neben der strategischen Sicherung von Wertschöpfungsketten und neuen zivilen wie militärischen Entwicklungen brauche es derzeit die enge Kooperation zwischen Politik, Behörden, Unternehmen und Forschungseinrichtungen, um Baden-Württemberg krisenfest aufzustellen. „Wirtschaftliche Resilienz ist kein Selbstzweck, sie ist die Voraussetzung für Freiheit, Sicherheit und Stabilität“, sagte die Ministerin und betonte abschließend: „Ich kann Ihnen versichern, Baden-Württemberg nimmt seine Verantwortung ernst.“
Weltweite Bedrohungslage erfordert Resilienz
Fachlich referierte Stephan Gundel, Chefexperte Sicherheit der Gruner AG (Schweiz), über die aktuelle weltweite Bedrohungslage und die daraus resultierenden Konsequenzen für Wirtschaftsunternehmen. „Wir bewegen uns in einem geopolitischen Umfeld, in dem wir von mehr Feinden wie Freunden umgeben sind.“ Resilienz bedeute eigentlich nichts anderes, als „einmal mehr aufzustehen, als hinzufallen“, so Gundel. Unternehmen müssten trotz unvorhergesehener Ereignisse und Angriffe in der Lage sein, ihren Geschäftsbetrieb weiterzuführen und im Rahmen der Gesamtverteidigung auch die Versorgung der Bundeswehr und der Zivilbevölkerung mit Leistungen und Gütern sicherzustellen. Dafür gebe es eine Reihe von Vorsorgemaßnahmen und Konzepten. „Die entscheidende Frage ist, wie lange Prozesse bei Ihnen ausfallen können, bis Sie handlungsunfähig werden.“ Er empfahl unter anderem die konsequente Betrachtung der gesamten Wertschöpfungs- und Lieferkette bis hin zum Endkunden, der eigenen Mitarbeiter, der IT-Infrastruktur und der Standortsicherheit auch von ausgelagerten Dienstleistungen oder Abteilungen. „Achten Sie auch auf schwache Signale und seien Sie nicht naiv“, warnte Gundel und riet zu einer engen Kontaktpflege mit Sicherheitspartnern und Behörden.
Vorsorgende Energiesystemplanung
Einen Impulsvortrag über resiliente und robuste Energieversorgung bei Produktionssystemen hielt Dr. Timm Kuhlmann vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. Er zeigte anhand konkreter Beispiele, wie eine vorsorgende und intelligente Energiesystemplanung Unternehmen nicht nur bei der Frage der Resilienz, sondern auch hinsichtlich Flexibilität, Effizienz, Nachhaltigkeit und Kostenoptimierung oder aktuell auch bei der Umstellung auf Dual-Use-Produktion unterstützen kann. Das Fraunhofer IPA setzt dabei ihre praxisbezogenen Forschungen auch in Zusammenarbeit mit mittelständischen Unternehmen aller Branchen um.
Tim Bartsch, Referent für Security & Defense der IHK Bodensee-Oberschwaben, Koordinierungsstelle für Gesamtverteidigung, stellte einen derzeit entwickelten IHK-Pilotlehrgang zur Resilienzsteigerung vor, der Unternehmen dabei unterstützen soll, ihre geschäftskritischen Prozesse möglichst lange aufrechtzuerhalten.
Zum Abschluss stellte Thomas Bailey, Leiter Geschäftsentwicklung Stationary der Rolls-Royce Solutions GmbH, einen Praxisbericht zur industriellen Resilienz vor. Er informierte über Stromversorgungslösungen für Unternehmen, die einerseits die eigene Notstromversorgung sicherstellen und andererseits zur Netzstabilität beitragen.

Medieninformation Nr. 73/2025