Infrastruktur und Innovation als Zukunftstreiber
Region Bodensee-Oberschwaben:
Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen tauschten sich Ende Oktober in Weingarten bei einem Fachgespräch der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK) über wichtige Infrastrukturmaßnahmen für die Region Bodensee-Oberschwaben und deren Finanzierungsmöglichkeiten aus.
Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen tauschten sich Ende Oktober in Weingarten bei einem Fachgespräch der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK) über wichtige Infrastrukturmaßnahmen für die Region Bodensee-Oberschwaben und deren Finanzierungsmöglichkeiten aus.
Die Welt sei unsicherer und schneller geworden, die globale Wirtschaftsordnung strukturiere sich neu, die Region Bodensee-Oberschwaben stehe vor großen Herausforderungen, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Sönke Voss in seiner Begrüßung zu einem Fachgespräch Infrastruktur in Weingarten, zu dem die IHK Branchenexperten und Interessierte eingeladen hatte. Betriebe benötigten verlässliche Rahmenbedingungen und weniger bürokratische Hürden, Innovation brauche Raum und Infrastruktur müsse zukunftsfähig gestaltet und finanziert werden. „Wir sollten den Wirtschaftsstandort aber nicht schlechtreden“, so Voss weiter. Vielmehr gelte es, sich auszutauschen, voneinander zu lernen und gemeinsam „zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu tun“, um die Region nach vorne zu bringen. Moderiert wurde das Fachgespräch von Stefan Kesenheimer, Leiter des IHK-Geschäftsbereichs Unternehmensförderung und Regionalentwicklung. Infrastruktur und Innovation seien Zukunftstreiber für die Region, betonte er. Andernfalls drohe die Gefahr eines Stillstands. Im Rahmen des Fachgesprächs tauschten sich regionale Expertinnen und Experten darüber aus, welche Rahmenbedingungen erforderlich sind, damit die Region innovativ und wettbewerbsfähig bleiben könne, und welche Möglichkeiten es gebe, Infrastrukturprojekte nachhaltig und zukunftssicher zu finanzieren.
Sprachen beim IHK-Fachgespräch in Weingarten über Infrastruktur und Innovation (von links): Dr. Sönke Voss (Hauptgeschäftsführer der IHK Bodensee-Oberschwaben), Andreas Middelberg (Direktor Firmenkunden Kreissparkasse Ravensburg), Franz Schmid (Vorsitzender der Bezirksvereinigung der VR Banken), Susanne Jork (Gesellschafterin Früchte Jork GmbH), Walter Göppel (Energieagentur Oberschwaben gGmbH), Dr. Wolfgang Heine (Direktor Regionalverband Bodensee-Oberschwaben), Raimund Haser (Landtagsabgeordneter CDU), Holger Jerg (Breitbandversorgungsgesellschaft im Landkreis Sigmaringen mbH & Co. KG) und Professor Dr. Gerald Mathis (Institut für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung aus Dornbirn).
Straßen, Schiene und Energie
Dr. Wolfgang Heine, Direktor des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben, gab in einem kurzen Impulsreferat einen Überblick über aktuelle Infrastrukturmaßnahmen und deren Zeitplan. „Derzeit gibt es kein einziges planfestgestelltes und baureifes Straßenprojekt in der Region“, gab er zu bedenken. Zudem müsse man in anderen Zeitdimensionen denken. Bei Straßen seien zehn Jahre wie ein Jahr zu verstehen, dann werde es erträglich. Als fest disponierte Bundesfernstraßen-Projekte im Bundesverkehrswegeplan 2030 nannte Heine insbesondere die Fertigstellung der beiden Bündelungsachsen B 30 und B 31, den sogenannten Planungsfall 7.5, das heißt drei Maßnahmen an der B 31 zwischen Immenstaad und Überlingen, sowie das Projekt Ravensburg-Friedrichshafen und die Ortsumfahrungen Enzisreute und Gaisbeuren im Zuge der B 30. Zentral seien weiterhin der Molldietetunnel in Ravensburg (B 32) und im Landkreis Sigmaringen das eigenständig geplante Projekt B 311n/B 313. Wichtig sei, bis zum Auslaufen des momentanen Bundesverkehrswegeplans 2030 solche Planungsfortschritte zu erzielen, dass die Projekte nicht mehr in Frage gestellt würden. Investitionen in die Bundesfernstraßen seien in den vergangenen 50 Jahren überwiegend über den allgemeinen Haushalt, durch Sonderprogramme und seit 2005 auch mit Einnahmen aus der LKW-Maut finanziert worden. Um die geplanten Bundesfernstraßenprojekte realisieren zu können, würden etwa 10 Milliarden Euro pro Jahr benötigt, so Heine. Leider seien in vielen Jahren die Haushaltsmittel um die Einnahmen aus der Lkw-Maut gekürzt worden. Bei der Schiene greife nach Fertigstellung der Elektrifizierung von Südbahn und Allgäubahn im Jahr 2021 das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) – eine Mischfinanzierung zwischen Bund, Land und Kommunen, so der Regionalverbandsdirektor weiter. Über das GVFG sind Elektrifizierungs- und Ausbaumaßnahmen bei der Hochrheinbahn (bis 2028), bei der Bodenseegürtelbahn (bis 2035), bei der Zollernalbbahn (bis 2035) und beim Bodo-Ringzug Kißlegg / Aulendorf (bis 2035) möglich. Mit Blick auf das Thema Energieinfrastruktur sagte Heine, dass die Flächenziele für Windenergie mit 1,85 Prozent der Regionsfläche und für Photovoltaik mit 0,5 Prozent erreicht worden seien. Die Verbandsversammlung des Regionalverbands habe im September den Teilregionalplan Energie als Satzung beschlossen. Derzeit gibt es in der Region Bodensee-Oberschwaben laut Heine 13 bestehende und 22 genehmigte Windenergieanlagen. Für weitere 166 Anlagen innerhalb der festgelegten Vorranggebiete liegen mittlerweile Anträge vor. Für Freiflächen-Photovoltaik in der Region Bodensee-Oberschwaben umfasse die Summe aller 125 Vorbehaltsgebiete eine Fläche von etwa 1.762 Hektar.
Was brauchen Unternehmen?
Susanne Jork von der Früchte Jork GmbH zeigte auf, welche Voraussetzungen aus Sicht eines Unternehmens notwendig sind, um wirtschaftlich erfolgreich sein zu können. Eine gute Infrastruktur, Versorgungssicherheit, intakte Verkehrsstraßen, die Verfügbarkeit von benötigten Flächen und das Thema Automatisierung stünden ganz oben auf der Agenda. „Wir brauchen vor allem Planungs- und Versorgungssicherheit“, sagte die Unternehmerin und mahnte weniger Bürokratie und weniger Regulierungen, kürzere Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie eine funktionierende Energie- und Breitbandversorgung als wichtige Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg an.
Ein Modell aus Vorarlberg
Professor Dr. Gerald Mathis, Geschäftsführer des ISK Instituts für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung in Dornbirn, stellte neue Ansätze der Infrastrukturfinanzierung vor und zeigte langfristig tragfähige Strategien auf. „Unser Ziel ist es, Gemeinden und Regionen mit praxisorientierten Informationen beim Aufbau und Betrieb eines erfolgreichen Standortmanagements zu unterstützen“, sagte er. Mathis berät auf internationaler Ebene Länder, Regionen und Kommunen zu Fragen der Standort-, Wirtschafts-, Regional- und Kommunalentwicklung. Neben der Entwicklung von Standort-, Gemeinde- und Wirtschaftsentwicklungskonzepten begleitet das ISK Institut auch die operative Umsetzung derartiger Projekte.
Strategisch relevante Immobilen sollten unbedingt kommunal gesichert werden, betonte Mathis. „Ohne kommunale Hoheit geben Sie alle Macht und jeglichen Einfluss aus Ihren Händen.“ Für die erforderliche Finanzierung gelte es, Partner mit ins Boot zu holen. Mathis berichtete von dem erfolgreichen Vorarlberger Modell einer Trägergesellschaft, der sogenannten Projekt- und Strukturentwicklungsgenossenschaft (PSG), an der die betreffende Gemeinde zu 60 Prozent und eine lokale Bank zu 40 Prozent beteiligt seien. Das ISK-Institut bringe das erforderliche Know-how ein. Gemeinsam werde eine Nutzungs- und Verwertungskonzeption entwickelt, würden Ziele definiert und Entwicklungsparameter festgelegt. „Dann laden wir Projektentwickler und Investoren ein, es folgt ein Hearing – und derjenige, der die Immobilie im Sinne der kommunalen Zielsetzung privatwirtschaftlich am besten umsetzt, gewinnt“, so Mathis weiter. Die Gemeinde habe damit ihr Ziel erreicht und das Projekt zugleich „von der Backe“. Dieses Modell, so Mathis weiter, funktioniere bestens im Ansiedlungsmanagement und bei der Wohnraumentwicklung, aber auch in Sachen Gewerbegebietsentwicklung.
Podiumsdiskussion
Im Anschluss diskutierten Andreas Middelberg (Kreissparkasse Ravensburg), Franz Schmid (Bezirksvereinigung der VR Banken), Susanne Jork (Früchte Jork), IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Sönke Voss, Holger Jerg (Breitbandversorgungsgesellschaft im Landkreis Sigmaringen) und Walter Göppel (Energieagentur Oberschwaben) auf dem Podium sowie in regem und direktem Austausch mit dem Publikum, welche Maßnahmen ergriffen werden müssten, um Infrastrukturprojekte finanzierbar und nachhaltig umsetzbar zu machen. Eine leistungsfähige Infrastruktur wie Straßen, Energie- und Breitbandnetze sei das Rückgrat für eine starke Wirtschaft, so die einhellige Botschaft. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Kommunen und Finanzinstituten werde immer wichtiger. Zu viele Regelungen wirkten sich negativ auf die Investitionsbereitschaft aus. Schnelle, transparente Genehmigungsverfahren könnten das Risiko unvorhersehbarer Kostensteigerungen reduzieren. Gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen müsse der Zugang zu Finanzierungen erleichtert werden. Insbesondere bei Wärmenetzen und Breitband stelle eine langfristige Kapitalbildung ein zentrales Problem dar. Hinzu kämen Unsicherheiten hinsichtlich der Stabilität gesetzlicher Rahmenbedingungen. Starre Regelungen und eine überbordende Bürokratie überforderten Kommunen und Unternehmen nicht nur in Sachen Breitbandausbau. Hier bestehe dringend Handlungsbedarf. Neben weniger komplexen und komplizierten Förderprogrammen seien zudem Finanzierungsinstrumente wünschenswert, die unabhängig von jährlichen Haushalten Bestand hätten.
Diskutierten beim IHK-Fachgespräch auf dem Podium über Infrastruktur und Innovation (von links): Walter Göppel (Energieagentur Oberschwaben gGmbH), Holger Jerg (Breitbandversorgungsgesellschaft im Landkreis Sigmaringen mbH & Co. KG), Susanne Jork (Gesellschafterin Früchte Jork GmbH), Moderator Stefan Kesenheimer (IHK Bodensee-Oberschwaben), Dr. Sönke Voss (Hauptgeschäftsführer der IHK Bodensee-Oberschwaben), Franz Schmid (Vorsitzender der Bezirksvereinigung der VR Banken) und Andreas Middelberg (Direktor Firmenkunden Kreissparkasse Ravensburg).
Abschließend überreichte Stefan Kesenheimer ein Thesenpapier der IHK mit Vorschlägen und Forderungen zum Thema Infrastruktur und Finanzierung an den Landtagsabgeordneten Raimund Haser, der sich an dem informativen Austausch beteiligte.
Medieninformation Nr. 108/2025
