Hohe Arbeitskosten bremsen regionale Wirtschaft – IHK warnt vor zusätzlichen Belastungen durch Politik

Seit fast drei Jahren verharrt die regionale Wirtschaft im Abschwung. Auch im Herbst 2025 ist kein Aufschwung in Sicht. Das zeigt die aktuelle regionale Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK): Viele Unternehmen kämpfen mit hohen Kosten und stagnierender Nachfrage. Besonders die steigenden Arbeitskosten entwickeln sich zunehmend zum Wettbewerbsnachteil.
„Die wirtschaftliche Lage in der Region bleibt angespannt. Die Belastung durch Arbeits- und Lohnnebenkosten hat sich für unsere Unternehmen deutlich verschärft“, sagt IHK-Präsident Martin Buck. „Wir haben nicht nur ein konjunkturelles Problem, sondern längst ein strukturelles. Die Kosten steigen, während die Politik keine wirksame Entlastung schafft.“

Regionale Konjunktur tritt auf der Stelle

30 Prozent der regionalen Unternehmen bewerten ihre aktuelle Geschäftslage als gut, 47 Prozent als befriedigend und fast ein Viertel als schlecht. Die Umsätze stagnieren auf geringem Niveau, und beim Auftragseingang zeigt sich kaum eine Belebung. Investitionen im Inland werden weiter zurückgehalten; sie beschränken sich meist auf Ersatz, Rationalisierung oder Digitalisierung. Nur wenige Betriebe planen Erweiterungsinvestitionen oder Neueinstellungen. 59 Prozent der Betriebe nennen die Arbeitskosten als eines ihrer größten Geschäftsrisiken. Auch Energiepreise (44 Prozent) und Bürokratie belasten die Unternehmen weiterhin erheblich. Für die weitere Geschäftsentwicklung bleibt der Ausblick verhalten: 17 Prozent der Unternehmen erwarten eine Verbesserung, 24 Prozent befürchten eine Verschlechterung, 59 Prozent rechnen mit einer gleichbleibenden Lage. Gerade in dieser Phase zählt neben Auftragslage und Kostenentwicklung auch die Stimmung in den Unternehmen. „Wirtschaft braucht Zuversicht“, betont Buck. „Klare Signale der Politik für Planungssicherheit und wirtschaftlichen Fokus könnten kurzfristig wichtige Impulse geben.“

Deutschland im Kostenvergleich

Die Belastung des Faktors Arbeit ist in Deutschland im internationalen Vergleich besonders hoch. Laut OECD lag der Steuer- und Abgabenkeil für Durchschnittsverdiener (Alleinstehende ohne Kinder) im Jahr 2024 bei 47,9 Prozent – nur Belgien liegt höher. Zugleich erreichten die Lohnnebenkosten mit 42,3 Prozent des Bruttolohns ein Rekordniveau, bedingt durch steigende Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung. Führende Wirtschaftsinstitute sehen darin ein wachsendes Standortrisiko: Fachkräftemangel und steigende Soziallasten treiben die Kosten weiter nach oben – ohne Reformen droht eine schleichende Deindustrialisierung. „Damit reden wir nicht über Kleinigkeiten, sondern über ein strukturelles Problem“, betont Buck. „Die Sozialabgaben und Lohnnebenkosten sind schon heute zu hoch – und die Politik setzt weiter auf kleine, politisch bequeme Schritte statt auf den großen Wurf. Das Ergebnis: höhere Lasten, weniger Wettbewerbsfähigkeit.“

Politische Eingriffe erhöhen Unsicherheit

Die Kosten für die Unternehmen steigen, Produkte und Dienstleistungen werden teurer, die Wettbewerbsfähigkeit und die Konsumlaune leiden. 41 Prozent der Unternehmen sehen die aktuelle Wirtschaftspolitik insgesamt als Risiko. Mit Sorge blickt die IHK auf zunehmende Eingriffe in Lohn- und Tarifgestaltung – etwa durch Mindestlohn, Bundestariftreuegesetz oder staatliche Aktionspläne zur Tarifbindung. „Die Tarifautonomie ist ein zentrales Prinzip der sozialen Marktwirtschaft“, betont Buck. „Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften kennen die Realitäten in den Betrieben und Branchen am besten – sie können faire und zugleich wirtschaftlich tragfähige Lösungen aushandeln. Staatliche Eingriffe in diese bewährte Ordnung gefährden die notwendige Flexibilität und schwächen letztlich die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen.“
„Solche Eingriffe wirken doppelt“, warnt Buck weiter. „Einerseits steigen die Kosten unmittelbar, andererseits entstehen Kaskadeneffekte über alle Lohngruppen hinweg. Das sorgt für Unruhe in den Betrieben und verschärft den Wettbewerbsnachteil für unsere Region.“ Gerade kleine und mittlere Unternehmen seien auf Flexibilität und Gestaltungsspielraum angewiesen – nicht nur, um auf volatile Auftragslagen und Fachkräftemangel zu reagieren, sondern auch, um innovativ und anpassungsfähig zu bleiben. „Alles, was unternehmerische Freiheit einschränkt, muss auf die Goldwaage gelegt und auf seine langfristigen Folgen geprüft werden“, appelliert Buck an die Politik.

IHK fordert Kurswechsel und Mut zu Reformen

Angesichts der anhaltend schwachen Wirtschaftsdynamik fordert die IHK Bodensee-Oberschwaben einen klaren wirtschaftspolitischen Kurswechsel. Deutschland brauche eine mutige Reformagenda, die die Wettbewerbsfähigkeit stärkt und den Unternehmen wieder Handlungsspielräume eröffnet. Im Fokus stehen die Begrenzung der Arbeitskosten, eine verlässliche Energiepolitik sowie Bürokratieabbau und Investitionen in Infrastruktur. „Unsere Unternehmen sind bereit für den Wandel“, betont Buck. „Aber sie brauchen Planungssicherheit und faire Rahmenbedingungen. Ohne Mut zu echten Reformen und eine klare Linie verlieren Deutschland und insbesondere unsere wirtschafts- und exportstarke Region weiter an Wettbewerbsfähigkeit – und jede konjunkturelle Wende bleibt aus.“
Eine Grafik zur Geschäftslage und erwartungen von 2015-2025
Grafik 1: Geschäftslage und erwartete Entwicklung Herbst 2025
Grafik zu Beschäftigung und Investitionen von 20215-2025
Grafik 2: Beschäftigung und Investitionen
Grafik: Top 10 der Entwicklungsrisiken
Grafik 3: Risiken - Arbeitskosten
Grafik: Konjunkturnavigator zeigt eher einen Abschwung
Grafik 4: Konjunkturnavigator - Abschwung
Hintergrundinfo
An der IHK-Konjunkturumfrage „Herbst 2025“ haben sich 291 Unternehmen aus der Region Bodensee-Oberschwaben beteiligt. Die Befragung fand im September 2025 statt. Abgefragt wurden die aktuelle Geschäftslage, Umsatz- und Ertragsentwicklung sowie Erwartungen zur künftigen Wirtschaftsentwicklung. Wichtige Indikatoren sind Auftragseingänge, Umsatzerwartungen sowie Investitions- und Beschäftigungspläne der Unternehmen.
Medieninformation Nr. 99/2025