Energiepolitik aus Sicht der Praxis

Region Bodensee-Oberschwaben / Überlingen:
Über energiepolitische Herausforderungen in der Region Bodensee-Oberschwaben und mögliche Lösungswege sprachen Vertreter der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK), des Industrieverbands Polyurethan-Hartschaum sowie regionaler Unternehmen mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung bei der puren gmbh in Überlingen.
Andreas Jung ist seit 2005 Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Konstanz, Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie und seit 2021 Klima- und energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er habe die Gesprächseinladung zum Standortfaktor Energie sehr gerne angenommen, sagte er. Das Thema sei ihm nicht nur in seiner politischen Arbeit ein wichtiges Anliegen.
Bauen: nachhaltig und bezahlbar
Durch energieeffiziente Gebäude könnten Wirtschaftlichkeit, soziale Ziele und Klimaschutz wirkungsvoll verbunden werden, gab Dr. Andreas Huther, Geschäftsführer der puren gmbh, zu bedenken. Huther ist auch Vorsitzender des IHK-Energieausschusses, Vorstand des Industrieverbands Polyurethan-Hartschaum (IVPU) und Präsident des PU Europe. „Bezahlbares Wohnen ist möglich“, sagte er. Genehmigungsverfahren für Bau- und Energieeffizienzmaßnahmen im Bestand sollten dafür vereinfacht und energetische Sanierungen, bei denen zusätzlicher kostengünstiger Wohnraum entstehe, besonders gefördert werden.
IVPU-Geschäftsführer Tobias Schellenberger schloss sich den Ausführungen Huthers an und forderte mehr Technologieoffenheit sowie weitere Erfüllungsoptionen, etwa bei einer Novellierung des „Heizungsgesetzes“ (§71 Gebäudeenergiegesetz). Dies führe zu einer höheren Akzeptanz bei Gebäudeeigentümern. Zudem mahnte er eine Verstetigung der Förderprogramme für klimafreundlichen Neubau sowie eine stärkere Förderung energetischer Sanierung an.
Praxisorientierte Abgrenzung von Abfall- und Produktrecht gefordert
Huther stellte zudem das Pilotprojekt Kreislaufwirtschaft Berlin vor, das die Rücknahme von Polyurethan-(PU-)Resten, die bei der Verarbeitung auf Baustellen anfallen, in den Mittelpunkt stellt. Etwa 100.000 Kubikmeter PU-Reste gingen jährlich in die Müllverbrennung, so Huther. „Ziel des Projekts ist es, PU-Dämmstoffe wieder in den Ressourcenkreislauf zurückzuführen.“ Bislang gebe es kein flächendeckendes Sammelsystem in Deutschland. In Zusammenarbeit mit den Handwerksorganisationen und dem Baustoffhandel hätten puren und der IVPU ein Sammelsystem in Berlin aufgebaut. Das System funktioniere, die Zahl der Partner steige. „Die Rücknahmemengen wachsen kontinuierlich“, berichtete Huther. Materialreste sollten als Rohstoffe wiederverwendet werden oder zur Herstellung neuer Produkte dienen. Hierfür sei eine Vereinfachung der Genehmigungs- und Verwaltungsprozesse mit Festlegung des Abfall-Endes erforderlich. Huther: „Damit würde die Produktion neuer Produkte aus Sekundärmaterialien künftig unter das Produkt- und nicht das Abfallrecht fallen.“
Dies betreffe viele Bereiche, bestätigte Stefan Kesenheimer, IHK- Bereichsleiter Unternehmensförderung und Regionalentwicklung, und verwies auf das Beispiel Kunststoffflaschen. Es gebe zu viele „Kann-Regeln“. Um die Kreislaufwirtschaft weiter zu stärken, müsse noch klarer die Schnittstelle zwischen Abfall- und Produktrecht definiert und auch vereinfacht werden. Nur so würden die Wiederverwendung von Stoffen und das Recycling weiter gefördert.
Wettbewerbsfähigkeit braucht planbare Energieversorgung
Auch die Unternehmensvertreter Arnold Roth, Vice President Building der ifm real estate GmbH, und Oliver Hoch, Expert Energy Policy und Regulatory Affairs der Rolls-Royce Solution GmbH, sprachen von einem dringenden Handlungsbedarf in Sachen Energiepolitik. Dabei stehe die Versorgungssicherheit an oberster Stelle. Diese sei laut aktuellem Monitoringbericht der Bundenetzagentur künftig nicht mehr in allen Situationen gewährleistet. Durch mangelnde Investitions- und Planungssicherheit, zu viele Regelungen, zu lange Verfahrenszeiten und Bürokratiehemmnisse sei zudem die globale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen akut gefährdet.
IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Sönke Voss stellte ein Positionspapier regionaler Akteure am Bodensee zum Standortfaktor Energie vor. Die Region sei geprägt von einem starken produzierenden Gewerbe. Ohne eine gesicherte Energieversorgung sei die wirtschaftliche Prosperität in Gefahr, so Voss. Der Strombedarf werde im Zuge der Dekarbonisierung von Unternehmen wesentlich ansteigen. Ebenso bestehe Bedarf an Wasserstoff. Er appellierte eindringlich an die Landes- und Bundesregierung, Versorgungssicherheit durch den Ausbau dezentraler Energieerzeugungsanlagen und Speicher in den Verteilnetzen zu schaffen, Netzbaumaßnahmen – wo nötig – zu beschleunigen, konsequent Speicher wie Batterien und dezentrale Erzeugungsanlagen zu fördern sowie die Bodenseeregion schnellstmöglich mit Wasserstoff zu erschließen.
Andreas Jung bedankte sich abschließend für den intensiven Austausch und die wertvollen Informationen aus der Runde. Er werde Anregungen, Lösungsvorschläge, Bedenken und Forderungen der Wirtschaft aus der Region in seine politische Arbeit mit nach Berlin nehmen.
Medieninformation Nr. 113/2025