Energiepolitische Positionen der IHK Bodensee-Oberschwaben

Die IHK Bodensee-Oberschwaben unterstützt das Ziel der Energiewende, die Energieversorgung zunehmend auf regenerative Quellen umzustellen und sich damit auch von den Entwicklungen der Rohstoffmärkte unabhängiger zu machen. Zudem erzeugt die Energiewende bei richtiger Gestaltung ein hohes Maß an Kreativität und Innovation, das sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirkt.
Durch vielfältige Eingriffe in den Markt und durch eine mangelnde Koordinierung zwischen Bund und Ländern hat die Politik die Kosten der Energiewende deutlich in die Höhe getrieben. Staatliche Abgaben wie Erneuerbare-Engergie-Gesetz- Umlage (EEG-Umlage), Umlagen auf die Netzentgelte und Stromsteuer machen heute den größten Teil der Stromkosten für Wirtschaft und Verbraucher aus. Dies bedroht die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen am Standort Deutschland.
Auch die Versorgungssicherheit, bislang ein besonderes Plus Deutschlands, ist in Gefahr. Spätestens mit Abschaltung weiterer Kernkraftwerke in Süddeutschland sind Engpässe in der Stromversorgung zu befürchten. Wir fordern daher Bund und Länder dazu auf, schnellstmöglich den Rahmen für die Energiewende neu zu gestalten. Das zentrale Zieldreieck der Energieversorgung „Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit“ ist dabei gleichgewichtet zu verfolgen:
  1. Koordination
    Die Energiewende kann nur gelingen, wenn Bund und Länder sich eng abstimmen.
    • Die Fäden der zahlreichen Einzelmaßnahmen der Energiewende müssen in einer Hand zusammenlaufen. So kann innerhalb der Regierung, zwischen den Bundesbehörden, zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie im Dialog mit der Wirtschaft klar gemacht werden, was wann wo und wie geschehen muss, um den Einstieg in eine neue Energieversorgung zu schaffen.
    • Die Verbindung von Strom-, Wärme- und Verkehrssektor sollte verbessert werden. Der Einsatz der Energieträger durch Wettbewerb technologieoffen gesteuert werden. 
  2. Versorgungssicherheit
    Es gibt viele Ansatzpunkte, um das Risiko bei der Versorgungssicherheit zu senken.
    • Wir treten dafür ein, wirtschaftlich sinnvolle Potenziale zur Flexibilisierung der Nachfrage, zum grenzüberschreitenden Handel, zur Speicherung oder zur intelligenten Koppelung der unterschiedlichen erneuerbaren Energien beispielsweise auch zur Effizienzsteigerung über eine Weiterentwicklung des bestehenden Strommarktes zu erschließen.
    • Um regionale Versorgungsengpässe zu verhindern, sollte genügend Netzreserve zur Verfügung stehen und hin zu mehr Transparenz weiterentwickelt werden. Die Bundesregierung ist aufgefordert, den Betrachtungszeitraum der Versorgungssicherheit bis nach 2022 auszudehnen, möglichen Handlungsbedarf gleichermaßen gründlich und zügig zu untersuchen und darauf aufbauend Vorschläge für ein Marktdesign zu entwickeln, das den wirtschaftlichen Bau und Betrieb erforderlicher Kraftwerke sicherstellt.
  3. Netzausbau
    Die Anpassung der Netzinfrastruktur an die neuen Anforderungen dezentraler und volatiler Erzeugung ist für das Gelingen der Energiewende von zentraler Bedeutung.
    • Ausreichende Nord-Süd-Verbindungen für Strom und Gas sind die Grundvoraussetzung, um die Versorgung auch in Süddeutschland langfristig zu sichern.
    • Netzausbau ist in vielen Fällen die günstigste Option, Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Umsetzung des Netzentwicklungsplans hat daher höchste Priorität.  
  4. EEG-Reform
    Die EEG-Umlage muss im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und des Standorts Deutschland sinken.
    • Die Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien sollten selbst Marktverantwortung übernehmen. Für besonders innovative Technologien kann es befristet und degressiv gestaffelt Zuschläge geben. Auf feste Einspeisevergütungen ohne Marktrisiko muss verzichtet werden.
    • Unabhängig davon sollte über die Notwendigkeit und Ausgestaltung alternativer Formen der Finanzierung der EEG-Umlage nachgedacht werden.
  5. Reduzierte EEG-Umlage
    Wir plädieren für eine Fortsetzung der reduzierten EEG-Umlage für stromintensive Industrieunternehmen.
    • Sie stellt keine Besserstellung deutscher Standorte gegenüber dem europäischen Wettbewerb dar, sondern ist Bedingung dafür, international wettbewerbsfähig zu sein.
    • Die Regelung sollte jedoch mittelstandsfreundlicher gestaltet werden, indem bei der Bruttowertschöpfung statt der starren Grenze ein fließender oder gestaffelter Übergang geschaffen wird.
  6. Eigenerzeugung
    ​​​​​​​Viele Unternehmen antworten auf bestehende Unsicherheiten der Energiewende mit Eigenerzeugung.
    • Die Eigenerzeugung sollte von Belastungen freigestellt werden.
    • Dies eröffnet auch für den Ausbau der erneuerbaren Energien, vor allem für die Photovoltaik, interessante Chancen, ohne staatliche Zuwendungen zu wachsen.
  7. Senkung Stromsteuer und Bürokratieabbau
    Kurzfristig sollte die Stromsteuer deutlich gesenkt werden.
    • Dies reduziert für viele Unternehmen die Kostenbelastung aus staatlichen Abgaben.
    • Zusätzliche Umlagen auf den Strompreis darf es zudem nicht geben.
    • Die vielfältigen Meldepflichten und die dazugehörenden Fristen sind auf ein Minimum zu reduzieren.
  8. Energieeffizienz
    Effizienzmaßnahmen reduzieren den Energieverbrauch, leisten über die Einsparung fossiler Brennstoffe einen Beitrag zum Klimaschutz und begrenzen den notwendigen Ausbau von Erzeugungskapazitäten.
    • Energieeinsparpotenziale können durch Anreize und auf freiwilliger Basis effektiver gehoben werden als durch staatliche Vorgaben. Hierfür ist ein verlässlicher Rahmen in allen relevanten Sektoren erforderlich, insbesondere in den Sektoren Wärme und Verkehr.
    • Unternehmen sollen dazu ermuntert werden, ihr Energiemanagement kontinuierlich zu verbessern und technische Potenziale zur Effizienzsteigerung zu nutzen. Bei Effizienzanforderungen und -anreizen sollte nicht nur auf die gleichmäßige Senkung des Stromverbrauchs gezielt werden. Gefragt ist auch Flexibilität in der Nachfrage, mit der Lastspitzen gekappt und Angebotsüberhänge aufgefangen werden können.
  9. Gebäudesanierung
    Zum Gelingen der Energiewende müssen die Einsparpotenziale im Gebäudebestand erschlossen werden, um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu senken.
    • Durch fachgerechte Wärmeschutzmaßnahmen und mit moderner Gebäudetechnik können erhebliche Einsparungen in den Bereichen Heizung und Warmwasserbereitung erzielt werden.
    • Die Einführung der degressiven AfA für Energiesanierungsmaßnahmen, kann weitere Investitionen schaffen.
    • Für die Erzeugung des Wärmebedarfs müssen verstärkt erneuerbare Energien, industrielle Abwärme unter Berücksichtigung regionaler Strukturen und die Potenziale für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen genutzt werden. 
  10. Europäischer Strommarkt und Rechtssicherheit
    Wir halten es für dringend geboten, dass Deutschland die Energiepolitik stärker mit seinen europäischen Nachbarn koordiniert.
    • Ein europäischer Strommarkt schafft zusätzliche Möglichkeiten zur Optimierung des Risikoausgleichs und der Versorgungssicherheit und gewährleistet gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen in Europa.
    • Zudem sollte Deutschland den Prozess der Energiewende regelmäßig mit der EU abstimmen, um der Wirtschaft Rechtssicherheit im europäischen Kontext zu geben. Besonders bei nationalen Gesetzgebungen hat für die Wirtschaft die Investitionssicherheit und Kalkulierbarkeit eine sehr hohe Bedeutung.
  11. Energieforschung
    Zur nachhaltigen Sicherstellung einer umweltfreundlichen, zuverlässigen und wirtschaftlichen Energieversorgung ist es notwendig,
    • die Erforschung innovativer Technologien entlang der gesamten Energiekette von der Erschließung, Umwandlung, Speicherung, Verteilung bis zur Energieanwendung und Gebäudetechnik ebenso zu forcieren wie
    • den technischen Fortschritt zur allgemeinen Energieeffizienz und Energieeinsparung.