Reform des Kaufrechts: Welche Änderungen kommen 2022?

Zum 1. Januar 2022 tritt die Reform des Kaufrechts in Kraft.
Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz für faire Verbraucherverträge vom 10. August 2021 sowie zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags vom 25. Juni 2021 die Novellierung des Kaufrechts und somit Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beschlossen.
Die Änderungen gelten vorwiegend für Verträge, die ab 1. Januar 2022 abgeschlossen werden.
Was ändert sich vor allem bei digitalen Angeboten, bei Gewährleistung und Mängelhaftung?

Wen betrifft das neue Kaufrecht?

Das neue Kaufrecht betrifft
  • Händler, die an Verbraucher verkaufen – ganz besonders Händler, die digitale Produkte vertreiben
  • Online-Shops, die an Verbraucher verkaufen
  • Hersteller, die evtl. von Händlern in Regress genommen werden.

Von welchem Zeitpunkt an gilt das reformierte Kaufrecht?


Die neuen Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) treten am 1. Januar 2022 in Kraft. Das heißt:
  • Für Verträge, die VOR dem 1. Januar 2022 abgeschlossen wurden, gilt noch das alte Kaufrecht.
  • Für Verträge, die vom 1. Januar 2022 an geschlossen werden, gilt das neue Kaufrecht 2022.

Digitale Produkte und Aktualisierungspflicht: Welche Produkte sind betroffen und was bedeutet das?


Im Zentrum steht unter anderem eine Update-Verpflichtung für Verkäufer bei Waren mit digitalen Elementen wie etwa Smart-Watches, allgemein Produkte mit digitalen Komponenten.
Welche Produkte sind beispielsweise betroffen?
  • Smart-Watches
  • Smartphones
  • Tablets
  • E-Bikes
  • Autos
  • Navigationssysteme
  • Saugroboter

Was ist neu?

Völlig neu ist eine Aktualisierungspflicht des Verkäufers.
Die Aktualisierungspflicht soll sicherstellen, dass die Technik auch dann noch funktioniert, wenn sich das digitale ‎Umfeld – zum Beispiel die Cloud-Infrastruktur – ändert (Funktionsfähigkeit).
Neben dieser sogenannten Interoperabilität geht es dabei auch um die IT-Sicherheit von smarten Geräten, die durch Sicherheits-Updates vor einem unberechtigten Zugriff Dritter auf Daten oder Funktionen geschützt werden sollen.
Dabei schuldet der Verkäufer alle Aktualisierungen, die die Funktionsfähigkeit und die IT-Sicherheit der Kaufsache gewährleisten, wie zum Beispiel Sicherheitsupdates. Er muss den Verbraucher auch über die anstehenden Updates informieren. Jenseits von funktionserhaltenden Aktualisierungen ist der Unternehmer aber nicht dazu verpflichtet, verbesserte Versionen der digitalen Elemente zu Verfügung zu stellen.
Stellt der Verkäufer keine Updates bereit und informiert er die Käufer nicht, liegt ein Sachmangel vor.
 

Wie lange muss aktualisiert werden?

Die Dauer der Aktualisierungspflicht ist unbestimmt. Es kommt auf die Verbrauchererwartung an. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann die Dauer der Aktualisierungspflicht länger oder kürzer sein. Anhaltspunkte für die Festlegung des Zeitraums können
  • Werbeaussagen, die zur Herstellung der Kaufsache verwendeten Materialien, der Preis und
  • Erkenntnisse über die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer ("life-cycle") sein.
So wird zum Beispiel ein Betriebssystem für einen Computer wegen seiner zentralen Bedeutung länger mit Aktualisierungen zu versorgen sein, als die jeweilige Anwendungssoftware.

IHK-Tipp

In den meisten Fällen können Händler die Updates nicht selbst zur Verfügung stellen. Dies macht in der Regel der Hersteller. Dafür können Sie als Händler beim Hersteller für die Aufwendungen Regress nehmen.
Vereinbaren Sie mit den Herstellern, dass er die Aktualisierungen zur Verfügung stellt.
Vereinbaren Sie, dass der Hersteller die Kunden über anstehende Aktualisierungen informiert. Es ist nicht festgelegt, wie dies zu geschehen hat. Dokumentieren Sie Ihre Lieferketten.
 

Verschärfung der Beweislast

Bisher war es so: Tauchte sechs Monate nach Kauf ein Mangel bei der Ware auf, wurde davon ausgegangen, dass sie bereits beim Erwerb nicht in Ordnung war.
Diese Frist wurde jetzt auf zwölf Monate verdoppelt.
Verkäufer müssen beim Verkauf an Verbraucher künftig nicht – wie bisher – nur in den ersten sechs Monaten, sondern zwölf Monate nach Übergabe der Kaufsache beweisen, dass die Kaufsache mangelfrei war.
Die verlängerte Beweislastumkehr beim Verbrauchergeschäft hat damit eine empfindliche Verschärfung zulasten des Verkäufers erfahren.
Die gesetzliche Vermutung kann zwar – wie bisher – widerlegt werden, etwa wenn der Verkäufer nachweisen kann, dass der Mangel durch unsachgemäße Behandlung oder durch Verschleiß entstanden ist.
Eine solche Beweisführung kann aber aufwendig und schwierig sein.
Industrie- und Handelskammer (IHK)-Tipp: Stellen Sie sich auf mehr langwierige Beschwerden ein.
 

Ausstellungsstücke, Mängelexemplare, B-Ware: Vorsicht beim Verkauf

Wer bisher beispielsweise ein Sofa als Ausstellungsstück gekauft hat, dem war bewusst, dass es leichte Gebrauchsspuren aufweisen kann. Jetzt muss nun eigens darüber informiert und diese Information zusätzlich dokumentiert werden. Sonst gilt die Ware als mangelhaft.

Änderung des Sachmangelbegriffs

Werden an den Verbraucher B-Ware, Vorführgeräte, Ausstellungsstücke oder gebrauchte Ware verkauft, reicht ein Hinweis über die mindere Qualität (sogenannte negative Beschaffenheitsvereinbarung) in der Produktbeschreibung, den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder bei der Ausschilderung der Ware nicht mehr aus.
Künftig muss der Verkäufer noch vor dem Kaufabschluss den Käufer "eigens" davon in Kenntnis setzen, dass die Kaufsache von schlechterer Qualität ist, als normalerweise üblich.
Zusätzlich muss im Kaufvertrag die Abweichung, zum Beispiel im Hinblick auf Gebrauchsspuren, ausdrücklich und gesondert vereinbart werden.
Zu Beweiszwecken ist eine gesonderte Unterschrift des Käufers empfehlenswert.
Im Online-Handel muss deshalb in der Produktbeschreibung beim Bestellvorgang ausdrücklich in hervorgehobener Weise auf die schlechtere Qualität hingewiesen werden.
Ein vorangekreuztes Kästchen in Online-Shop, das der Verbraucher deaktivieren kann, genügt nicht. Der Käufer muss mit Click bestätigen, dass er von dem Mangel Kenntnis genommen hat.

IHK-Tipp:
Prüfen Sie schon jetzt, ob in Ihrem Unternehmen regelmäßig Ware mit Mängeln verkauft wird. Setzen Sie jetzt schon einen Prozess auf, die Mängel an der Ware zu dokumentieren und auch sicherzustellen, dass der Käufer davon aktiv erfährt und dies bestätigt.

Neue Regeln bei der Gewährleistungsfrist

Tritt bei einer Ware kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist von zwei Jahren ein Mangel auf, dann hatte der Käufer bisher Pech, wenn er ein wenig gezögert hat. Jetzt ist dies anders: Tritt der Mangel kurz vor knapp auf, tritt die Verjährung erst vier Monate später ein.

Ablauf der Verjährungsfrist

Die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beim Warenkauf beträgt nach wie vor zwei Jahre ab Ablieferung der Sache.
Neu sind aber zwei sogenannte Ablaufhemmungen:
Bei einem Mangel, der sich innerhalb der regulären Gewährleistungsfrist gezeigt hat, tritt die Verjährung erst vier Monate nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat. Wenn sich also bei einem gekauften PC erst im 23. Monat der Mangel zeigt, kann der Käufer seine Ansprüche beispielsweise noch bis zum 27. Monat nach Lieferung geltend machen.
Das Problem: Für den Verkäufer ist kaum nachprüfbar, wann der Mangel sich tatsächlich gezeigt hat.
Darüber hinaus sieht das Gesetz eine Ablaufhemmung vor, wenn der Unternehmer während der Verjährungsfrist einem geltend gemachten Mangel durch Nacherfüllung abhilft.
In diesem Fall tritt die Verjährung von Ansprüchen wegen des geltend gemachten Mangels erst nach Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die nachgebesserte oder ersetzte Ware dem Verbraucher übergeben wurde.
Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass der Käufer nach Rückerhalt der Sache prüfen kann, ob durch die Nacherfüllung dem geltend gemachten Mangel abgeholfen wurde. Sichergestellt wird zudem, dass die Verjährung nicht abläuft, während sich die Kaufsache zur Nacherfüllung beim Verkäufer befindet.
IHK-Tipp
Dokumentieren Sie das Datum einer Nacherfüllung genau, damit Sie sicher Bescheid wissen über den Fristablauf der Gewährleistung.

Erleichterte Rücktrittsmöglichkeiten für den Käufer

Hat eine Ware Mängel, konnte der Käufer bislang entweder die Reparatur oder ein neues Exemplar verlangen. Nur wenn er für Reparatur oder Lieferung explizit eine Frist gesetzt hat und diese ergebnislos ablief, konnte er die Ware zurückgeben, den Preis mindern oder Schadensersatz verlangen. Dies ist nun anders - die Frist muss nicht gesetzt werden.

Käufer muss keine Frist zur Nachbesserung mehr setzen

Das Gewährleistungsrecht geht wie bisher davon aus, dass der Verkäufer bei einem Sachmangel die Möglichkeit haben soll, den Mangel zu korrigieren. Der Käufer hat deshalb zunächst nur einen Anspruch auf Nacherfüllung. Er kann also Reparatur der mangelhaften Sache oder Lieferung einer neuen, mangelfreien Sache verlangen. Rücktritt, Minderung und Schadensersatz sind dagegen nur möglich, wenn der Käufer dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und diese ergebnislos verstrichen ist.
Während es im unternehmerischen Geschäftsverkehr bei dieser Regel bleibt, entfällt das Erfordernis der Fristsetzung bei Verbrauchergeschäften.
Ausreichend ist hier der bloße Ablauf einer angemessenen Frist.
Die Frist beginnt ab dem Zeitpunkt zu dem der Käufer den Verkäufer über den Mangel unterrichtet.
Hat der Unternehmer in diesem Sinne nicht rechtzeitig nacherfüllt, ist der Verbraucher zum Rücktritt (Geld zurück) berechtigt.

IHK-Tipp
Die Auswirkungen dieser vielleicht auf den ersten Blick eher unscheinbar wirkenden Verschärfung des Gewährleistungsrecht können erheblich sein: Ein Kfz-Händler zum Beispiel, der sich mit der Bearbeitung der Reklamation wegen eines überschaubaren Sachmangels zu lange Zeit lässt, läuft nunmehr Gefahr, dass er den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des gebrauchten Pkw zurückzahlen muss. Deshalb empfiehlt es sich, Nachbesserungen zügig in Angriff zu nehmen.

Neue Regeln für Garantieerklärungen

Anders als die Gewährleistung oder Mangelhaftung, die gesetzlich geklärt ist, handelt es sich bei der Garantie um eine freiwillige Verpflichtung des Verkäufers. An diese werden jetzt strengere Anforderungen gestellt.
Was hat sich geändert?
Zunächst ist zu unterscheiden zwischen der Mängelhaftung und der Garantie. Die Mängelhaftung oder auch Gewährleistung ist im Gesetz geregelt. Die Garantie hingegen ist eine zusätzlich zur gesetzlichen Gewährleistungspflicht übernommene freiwillige und grundsätzlich frei gestaltbare Verpflichtung des Herstellers oder Verkäufers, für eine bestimmte Beschaffenheit oder Haltbarkeit der Kaufsache einzustehen.
Die Garantieerklärung muss künftig einfach und verständlich abgefasst sein und dem Käufer spätestens bis zur Lieferung der Kaufsache auf einem dauerhaften Datenträger, zum Beispiel in Papierform oder per E-Mail, oder pdf-Datei zur Verfügung gestellt werden. Künftig muss eine Garantie, die Händler oder Hersteller dem Käufer einräumen können, bestimmte Pflichtinhalte haben, wie
  • Hinweis, dass die Inanspruchnahme der gesetzlichen Mängelrechte unentgeltlich ist und dass diese nicht durch die Garantie eingeschränkt werden,
  • Name und Anschrift des Garantiegebers,
  • Verfahren für die Geltendmachung der Garantie, d.h. der Händler muss beschreiben, wie der Verbraucher seine Garantieleistung erhält,
  • genaue Bezeichnung der Kaufsache für die Garantie gewährt wird,
  • Nennung von Dauer und räumlichen Geltungsbereich der Garantie.
Erfüllt die Garantieerklärung nicht alle Anforderungen, kann der Käufer trotzdem alle Rechte aus der Garantie beanspruchen. Zudem droht dem Garantiegeber wegen solcher Verstöße eine kostenpflichtige Abmahnung.
IHK-Tipp
Prüfen Sie jetzt schon, wie Sie bisher Ihre Garantieerklärungen formulieren. Prüfen Sie, ob die Anforderungen erfüllt sind und bereiten nötige Korrekturen vor.

Reform des Kaufrechts: Was können Sie jetzt tun?

Handelsunternehmen sind nun gefordert, die zahlreichen neuen gesetzlichen Regelungen der Warenkaufrichtlinie (WKRL) in der Praxis umzusetzen.
Auch bei der Garantie, dem Verkauf von gebrauchten Waren, dem Unternehmerrückgriff sowie in verschiedener anderer Hinsicht sind neue gesetzliche Vorgaben zu beachten.
Allgemeine Geschäftsbedingungen sollten deshalb überprüft, das Verkaufspersonal geschult, das Beschwerdemanagement angepasst und die Vertragsverhältnisse in Bezug auf Hersteller und/oder Lieferanten mit Blick auf die Neuregelungen angepasst werden.
Um Rechtsnachteile zu vermeiden, sollten die notwendigen Maßnahmen möglichst bis zum Inkrafttreten des neuen Kaufrechts am 1. Januar 2022 umgesetzt werden.


Merkblatt “Neue Händlerpflichten bei digitalen Inhalten”

Das Merkblatt “Neue Händlerpflichten bei digitalen Inhalten” geht besonders auf die Bereitstellung von Waren mit digitalen Elementen und Dienstleistungen sowie über den Handel mit digitalen Waren ein.

Änderungen im BGB

Die Regelungen gelten vorwiegend für den Bereich Verbraucherverträge (B2C). Jedoch haben die Änderungen im BGB auch Auswirkungen auf Geschäfte unter Unternehmern (B2B).
Die wichtigsten Elemente sind die Neuregelung des Sachmangelbegriffs in § 434 BGB-neu, die Einführung einer Sache mit digitalem Inhalt in den §§ 475b ff. BGB-neu inklusive einer Aktualisierungspflicht und die Verlängerung der Beweislastumkehr in § 477 BGB-neu. Daneben sieht das Gesetz weitere Anpassungen vor. Hierzu gehören unter anderem die konkretisierenden Ergänzungen der Sonderbestimmungen für Garantien, die Neugestaltung des Ausschlusses von Mängeln bei Kenntnis des Käufers und die praktische Streichung des Fristsetzungserfordernisses bei Verbrauchsgüterkäufen.
Nachfolgend haben wir die Änderungen im BGB für Sie in einer Übersicht dargestellt.
§ 308 - Abtretungsverbot
Um Verbrauchern die Übertragbarkeit ihrer Ansprüche zu sichern, soll das AGB-Recht in § 308 Nr. 9 BGB-neu geändert werden: Danach soll ein neues Klauselverbot für Abtretungsverbote eingefügt werden. Bei auf Geld gerichteten Ansprüchen soll hiernach die Abtretung künftig nicht mehr durch AGB allgemein ausgeschlossen werden können. Verbraucher sollen ihre Ansprüche gegen den Unternehmer an Dritte abtreten können. Das Inkrafttreten ist bereits auf den 1. Oktober 2021 datiert. Es sollten umgehend bestehende Verträge und AGB angepasst werden.

§ 309 - Laufzeitklauseln
Ein weiteres Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit soll in § 309 Nr. 9 BGB-neu hinzugefügt werden. Demnach sollen Laufzeitvereinbarungen künftig als Erstlaufzeiten von über einem Jahr bis zu zwei Jahren sowie Verlängerungen von über drei Monaten bis zu einem Jahr nur bei Beachtung zusätzlicher Anforderungen wirksam vereinbart werden können. Zudem soll die Kündigungsfrist für den Verbraucher auf einen Monat verkürzt werden.

Demnach sollen automatische Vertragsverlängerungen von mehr als drei Monaten nur noch dann zulässig sein, wenn Unternehmen ihre Vertragspartner vorher auf ihre Kündigungsmöglichkeit hingewiesen haben. Eine stillschweigende Vertragsverlängerung ist künftig nur noch dann erlaubt, wenn diese auf unbestimmte Zeit erfolgt und eine Kündigung jederzeit mit Monatsfrist möglich ist.

§ 312k - Kündigung von Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr
Verträge, die über das Internet abgeschlossen werden, sollen künftig auch online gekündigt werden können. Im Gesetz wurde nunmehr verankert, dass dafür ein „Kündigungsbutton“ auf der Webseite eines Unternehmens platziert werden muss. Stichtag für das Inkrafttreten ist der 1. Juli 2022.

§ 434 - Sachmangelbegriff
Nach der Neufassung des § 434 BGB ist eine Sache zukünftig frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang sowohl den subjektiven (Beschaffenheitsvereinbarung) als auch den objektiven Anforderungen (Branchenüblichkeit und Kundenerwartung) entspricht. Daneben werden Anforderungen an die Montage, bei Waren mit digitalen Inhalten an die Installierbarkeit, geregelt (§ 475b Abs. 2 BGB). Das objektive Fehlerverständnis ist bereits auch jetzt im Sachmangelbegriff zu finden. Die Vereinbarung über die Beschaffenheit obliegt den Parteien. Andererseits wird die Bedeutung des Sachmangelbegriffs durch Merkmale, wie zum Beispiel die gewöhnliche Verwendbarkeit oder die übliche Beschaffenheit und den Montageanforderungen weiter geprägt. Dementsprechend wird zukünftig mehr denn je auf die durchschnittliche Käufererwartung abgestellt. Eine vertragliche Abweichung wird künftig nur noch unter hohen Anforderungen möglich sein (vergleiche § 476 Abs. 1 S. 2 BGB-neu).

§ 439 - Nacherfüllung
In § 439 BGB wird für den Fall der Nachlieferung eine Verpflichtung zur Rücknahme des mangelhaften Gegenstandes auf eigene Kosten ergänzt. Das heißt in § 439 Abs. 5 BGB wird die Obliegenheit des Käufers aufgenommen, dem Verkäufer die Sache zum Zweck der Nacherfüllung am Erfüllungsort der Nacherfüllungsverpflichtung zur Verfügung zu stellen. § 439 Abs. 6 BGB wird dahingehend ergänzt, dass es die Pflicht des Verkäufers ist, die im Wege der Nacherfüllung ersetzte Sache auch zurückzunehmen.

§§ 445a, 445b, 478 BGB - Lieferantenregress
Es wurde die Erweiterung des Regresses auf die Rücknahmekosten hinzugefügt, neben der Ersatzpflicht des Lieferanten für Aufwendungen des Verkäufers gegenüber dem Käufer wegen Verletzung einer Aktualisierungspflicht nach § 475b Abs. 4 BGB sowie die Abschaffung der Höchstgrenze der Ablaufhemmung von 5 Jahren seit Ablieferung der Sache vom Lieferanten an den Verkäufer nach § 445b Abs. 2 BGB.

§ 475 – Anwendbare Vorschriften beim Verbrauchsgüterkauf
Die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten bei Kenntnis von Mängeln wird durch § 442 BGB im Kaufrecht grundsätzlich ausgeschlossen. In § 475 Abs. 3 BGB-neu sollen nunmehr für den Verbrauchsgüterkauf abweichende Vereinbarungen ergänzt werden. Damit können Verbraucher künftig auch Mängelrechte geltend machen, obwohl sie den Mangel bei Vertragsschluss kannten.

Nach § 475 Abs. 5 BGB-neu muss die Nacherfüllung für den Verbraucher nicht nur unentgeltlich, sondern auch innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten erfolgen.

Hinzu kommt die Einführung von Sonderbestimmungen für die Rückabwicklung des Kaufvertrags nach Rücktritt (§ 475 Abs. 6-neu). Darin erfolgt eine Definition grundlegender Mindestanforderungen für die Rückabwicklung des Kaufvertrags nach der Vertragsbeendigung wegen eines Mangels der Kaufsache: Verkäufer hat Kosten der Rückgabe der Sache zu tragen; Verkäufer den Kaufpreis zurückzuerstatten, sobald er die Sache zurückerhält beziehungsweise der Käufer den Nachweis über die Rücksendung erbringt.

§§ 475b - 475e  – Regelungen des Verbrauchsgüterkaufvertrags über digitale Produkte
Bitte beachten sie nunmehr die Abgrenzung zwischen den Mangelbegriffen und die Neustrukturierung des Gewährleistungsrechtes:
  • Analoge Kaufsache, §§ 434 ff. BGB-neu
  • Kaufsache mit digitalem Element, §§ 434 ff., 475b ff., 327 ff. BGB-neu
  • Digitale Produkte, §§ 327d ff. BGB-neu
Daher vorab zur Kontrollfrage – Wo befindet sich der Mangel: An der Ware selbst (Hier tritt die kaufrechtliche Gewährleistung ein nebst Verbrauchsgüterkaufrecht) oder im Gegenzug an den enthaltenen oder verbundenen digitalen Produkten, sodass die nachfolgenden Vorschriften entsprechend Anwendung finden.

§ 475b Abs. 1, 2 BGB:
Definiert den Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen: Eine Ware, die digitale Produkte in einer solchen Weise enthält oder mit diesen verbunden ist, dass sie ihre Funktionen ohne Letztere nicht erfüllen kann, vergleiche § 327a Abs. 3 Nr. 1 BGB-neu. Ein Beispiel hierzu kann dem Gesetzesentwurf entnommen werden: Wird in der Werbung angegeben, dass ein Smart-TV eine bestimmte Video-Anwendung enthält, so ist diese Video-Anwendung als Bestandteil des Kaufvertrags anzusehen.

§ 475b Abs. 3, 4 BGB:
Auch nach Gefahrübergang ist die Bereitstellung von Aktualisierungen erforderlich, soweit dies vereinbart oder üblicherweise zu erwarten ist. Ein Unterlassen stellt einen Sachmangel darf. Für die Frage, über welche Dauer der Verbraucher legitimierweise Aktualisierungen erwarten kann, können Werbeaussagen, die zur Herstellung der Ware verwendeten Materialien sowie der Kaufpreis zählen. Je höherwertig die Ware ist, desto länger darf mit Aktualisierungen gerechnet werden. Eine Rolle spielt dabei auch die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer von Waren der gleichen Art.

§ 475b Abs. 5 BGB:
Schließt unter Umständen die Haftung des Unternehmers aus, wenn der Verbraucher die Aktualisierung nicht installiert.

§ 475c BGB:
Nach § 475c II BGB haftet der Unternehmer dann während des Bereitstellungszeitraums, mindestens aber für zwei Jahre nach Ablieferung der Ware dafür, dass diese den Anforderungen des § 475b II BGB an die Sachmangelfreiheit entspricht.

§ 475d BGB:
Die Voraussetzungen für den Rücktritt und die Minderung werden gesenkt. Nach § 475d BGB ist eine aktive Fristsetzung des Verbrauchers nicht mehr erforderlich. Der Verbraucher kann bereits zurücktreten oder den Kaufpreis mindern, wenn er den Verkäufer vom Mangel unterrichtet und dieser in einer angemessenen Frist nicht nacherfüllt hat. Außerdem ist im Falle eines besonders schwerwiegenden Mangels ein sofortiger Rücktritt möglich. Auch bei den Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach § 281 BGB bedarf es der Fristsetzung dann nicht.

§ 475e BGB:
Enthält Regelungen zur Verjährung, insbesondere wichtige Fälle der Ablaufhemmung zur effektiven Geltendmachung der Verjährung beziehungsweise zur Prüfung der Sache im Falle der Nacherfüllung.

§ 476 - Abweichende Vereinbarungen zum Verbrauchsgüterkauf
Die Einführung besonderer Anforderungen an die Vereinbarung einer Abweichung von objektiven Anforderungen an die Kaufsache wird eingeführt, § 476 Absatz 1 BGB-neu. Um den Parteien die Möglichkeit einzuräumen, beim Kauf gebrauchter Sachen die Haftungsdauer rechtssicher durch Vereinbarung zu verkürzen, soll § 476 BGB entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs angepasst und den Parteien erlaubt werden, sich auf eine Gewährleistungsfrist, die den Zeitraum von einem Jahr nicht unterschreiten darf, zu einigen. Allerdings werden die formellen Voraussetzungen für eine entsprechende Vereinbarung erheblich erhöht. Auch insoweit soll erforderlich sein, dass der Verbraucher über die kürzere Verjährungsfrist eigens in Kenntnis gesetzt und diese ausdrücklich und gesondert im Vertrag vereinbart wird. Jedoch besteht weiterhin beim Verbrauchsgüterkauf neuer Sachen ein Verbot von haftungsbeschränkenden Vereinbarungen zulasten des Verbrauchers, § 476 Abs. 1 Nr. 2 BGB-neu.

§ 477 - Beweislastumkehr
Die Verlängerung der Beweislastumkehr bei Mängeln wird von 6 Monate auf ein Jahr angehoben, § 477 Absatz 1 BGB-neu. Bei gebrauchten Sachen soll wieder eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr zugelassen werden. Verkäufer müssen beim B2C-Kauf künftig nicht – wie bisher – nur in den ersten sechs Monaten, sondern zwölf Monate nach Übergabe der Kaufsache beweisen, dass die Kaufsache mangelfrei war. Die Beweislastverlängerung im B2C-Geschäft hat damit eine empfindliche Verschärfung zulasten des Verkäufers erfahren. Die gesetzliche Vermutung kann zwar – wie bisher – widerlegt werden, etwa wenn der Verkäufer nachweisen kann, dass der Mangel durch unsachgemäße Behandlung oder durch Verschleiß entstanden ist. Eine solche Beweisführung kann aber aufwendig und schwierig sein. Die Verdoppelung der Frist auf ein Jahr wird den Handel deshalb aller Voraussicht nach mit mehr Streitfällen und höheren Kosten belasten.

§ 479 - Garantien
Die Bestimmungen für Garantien wurden weiterhin ergänzt. Nach § 479 Abs. 3 BGB muss eine Garantie künftig mindestens den Umfang des gesetzlichen Nacherfüllungsanspruchs haben.

Nutzen Sie die Zeit bis zum Jahreswechsel!
Handelsunternehmen sind nun gefordert, die zahlreichen neuen gesetzlichen Regelungen in der Praxis umzusetzen. Das betrifft nicht nur die vorgenannten Neuerungen. Auch bei der Garantie, dem Verkauf von gebrauchten Waren, Unternehmerrückgriff sowie in verschiedener anderer Hinsicht sind neue gesetzlichen Vorgaben zu beachten. Allgemeine Geschäftsbedingungen sollten deshalb überprüft, das Verkaufspersonal geschult, das Beschwerdemanagement angepasst und die Vertragsverhältnisse in Bezug auf Hersteller und/oder Lieferanten mit Blick auf die Neuregelungen angepasst werden. Um Rechtsnachteile zu vermeiden, sollten die notwendigen Maßnahmen möglichst bis zum Inkrafttreten des neuen Kaufrechts am 1. Januar 2022 umgesetzt werden.
To-Do`s zur Umsetzung der neuen Regelungen:
  • Update bestehender Geschäftsmodelle, Verträge, Widerrufsbelehrungen und AGB
  • Aktualisierungen sicherstellen durch Informationen an den Verbraucher nebst entsprechenden Anpassungen der bestehenden Lieferverträge
  • Prozesse, Wertschöpfungskette anpassen hinsichtlich der neuen Bedingungen


DIHK-Praxisratgeber "Kaufrecht für den Handel – Neue Regeln zum 1. Januar 2022"

Erläuterungen zum neuen Kaufrecht und E-Commerce mit einer Vielzahl von Beispielen und Tipps sowie Hinweisen zum Umgang mit den neuen rechtlichen Herausforderungen gibt ab dem 1. November der Praxisratgeber "Kaufrecht für den Handel – Neue Regeln zum 1. Januar 2022". Er wird zusammen mit den relevanten Gesetzestexten herausgegeben von der DIHK-Bildung-gGmbH und ist bereits gedruckt oder als E-Book vorbestellbar.
 

Online-Veranstaltungen:

Die IHK Schwaben informiert über die neuen Regelungen sowie die maßgeblichen Handlungsbedarfe am 29.11.2021, von 14:00 bis 14:45 Uhr in einem kostenfreien Webinar. 
Zudem informiert die IHK Region Stuttgart am 02.12.2021 von 09.00 Uhr bis 12.00 Uhr in einem kostenfreien Webinar über die neuen Regelungen. 

Quelle: IHK München
Stand: November 2021