Der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige

Wer ist „öffentlich bestellter“ Sachverständiger?

Nur wer durch eine öffentlich-rechtliche Institution bestellt und vereidigt wurde. Das bedeutet, dass er besondere Sachkunde, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Vertrauenswürdigkeit nachgewiesen hat. Fehlt nur eine dieser Anforderungen, wird der Sachverständige nicht bestellt. Die Bezeichnung „Sachverständiger“ allein bietet keine Gewähr für Qualität, denn sie ist gesetzlich nicht geschützt. Deshalb müssen Qualifikationen und persönliche Integrität gesondert geprüft werden, wenn Sachverständige ohne öffentliche Bestellung als so genannte selbsternannte Sachverständige ihre Dienste anbieten. Auch die Anerkennung durch private Sachverständigenvereinigungen kann die öffentliche Bestellung und Vereidigung nicht ersetzen. Nur die öffentliche Bestellung ist die vom Gesetzgeber vorgesehene Auszeichnung besonders qualifizierter Sachverständiger.

Was zeichnet einen öffentlich bestellten Sachständigen aus?

Besondere Sachkunde

Nur der öffentlich bestellte Sachverständige muss im offiziellen Bestellungsverfahren einen anspruchsvollen Nachweis über seine „besondere Sachkunde“ führen. Darunter versteht man überdurchschnittliche Fachkenntnisse und Erfahrungen.

Vertrauenswürdigkeit

Die Zuverlässigkeit und Integrität wird vor der öffentlichen Bestellung überprüft.

Unparteilichkeit

Er wird darauf vereidigt seine Aufgaben gewissenhaft, weisungsfrei und persönlich zu erfüllen sowie seine Gutachten unparteiisch zu erstatten.

Pflicht zur Gutachtenerstattung

Er darf Aufträge nur aus wichtigem Grund ablehnen (zum Beispiel Verwandtschaft mit einer der Parteien).

Schweigepflicht

Er muss die ihm bei Ausübung seiner Tätigkeit anvertrauten Privat- und Geschäftsgeheimnisse wahren. Bei unbefugter Verletzung der Schweigepflicht kann er bestraft werden.

Überwachung

Der Sachverständige wird durch die Stelle, die ihn öffentlich bestellt hat, beaufsichtigt. Sie kann ihm die Bestellung entziehen, wenn er seine Sachverständigenpflichten verletzt.

Wie erkennt man einen öffentlich bestellten Sachverständigen?

An der Bezeichnung

Er muss die Bezeichnung „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger“ führen.

Am Ausweis

Öffentlich bestellte Sachverständige haben einen offiziellen Ausweis, den sie auf Verlangen vorzeigen müssen, und in dem Personalien, Bestellungsbehörde und Sachgebiet angegeben sind.

Am Stempel

Nur er darf einen Rundstempel führen.

Wann kann ein öffentlich bestellter Sachverständiger helfen?

Immer, wenn eine unabhängige fachliche Information oder Beratung benötigt wird, ein Schaden beurteilt, eine Sache bewertet, ein fachlicher Streit außergerichtlich geklärt oder der tatsächliche Zustand eines Gegenstandes zu Beweiszwecken festgestellt werden soll. Rechtsfragen darf der öffentlich bestellte Sachverständige allerdings nicht beantworten.
Das Gutachten eines öffentlich bestellten Sachverständigen genießt erhöhte Glaubwürdigkeit. Deshalb bietet es oft die Grundlage für eine gütliche außergerichtliche Einigung. Als Schiedsgutachter im Auftrag der Parteien kann der Sachverständige Streitfragen außergerichtlich schnell und verbindlich entscheiden.
Im Gerichtsverfahren sollen nach den Prozessordnungen nur öffentlich bestellte Sachverständige beauftragt werden.

Wie geht man mit einem öffentlich bestellten Sachständigen um?

Ein öffentlich bestellter Sachverständiger darf keine fachlichen Weisungen befolgen und Beeinflussungsversuche nachgeben, die die Unparteilichkeit des Gutachtens beeinträchtigen würden. Auch Dritte, denen das Gutachten bestimmungsgemäß vorgelegt wird (zum Beispiel Banken, Versicherungen) müssen sich auf seine Unparteilichkeit und Richtigkeit verlassen können. Die zu beantwortenden Beweisfragen werden jedoch vom Gericht oder von sonstigen Auftraggebern vorgegeben. Der Sachverständige muss das Gutachten und dessen tragende Grundlage (zum Beispiel Untersuchungen, Besichtigungen, Prüfung von Unterlagen) persönlich erarbeiten. Ständige Geschäftsbeziehungen, gute Bekanntschaft oder Verwandtschaft und dergleichen stellen die Unparteilichkeit des Sachverständigen und die Verwertbarkeit des Gutachtens regelmäßig in Frage.

Wie muss der Auftraggeber den Sachständigen unterstützen?

Ist ein Gutachten in Auftrag gegeben, besteht für den Auftraggeber eines Gutachtens nach Werkvertragsrecht meist eine vertragliche Mitwirkungspflicht. Sie bedeutet, dass er
  • alles einschlägige Material zur Verfügung stellt,
  • alle Informationen weitergibt, die von Bedeutung sind bzw. sein können,
  • jede erforderliche Besichtigung ermöglicht,
  • alle notwendigen Untersuchungen durchführen lässt,
  • alles unterlässt, um den Sachverständigen einseitig zu beeinflussen.
Kann oder will der Auftraggeber nicht im erforderlichen Umfang mitwirken, weil zum Beispiel bestimmte Tatsachen nicht bekannt werden sollen, ist der Zweck des Auftrags insgesamt in Frage gestellt. Der Sachverständige kann sich in diesem Fall weigern, den Auftrag durchzuführen, weil er nur zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Gutachtens verpflichtet werden kann. Der Sachverständige unterliegt zwar einer Schweigepflicht, hat aber im Prozess kein besonderes Aussageverweigerungsrecht.

Was kostet ein Gutachten?

Für die Sachverständigentätigkeit gibt es bis auf wenige Fachbereiche (zum Beispiel die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) und die Tätigkeit vor Gericht keine Gebührenordnung. Deshalb sollte das Honorar vor Auftragsübernahme mit dem Sachverständigen ausgehandelt werden. Wird kein Honorar vereinbart, gilt die so genannte „übliche Vergütung“, deren Feststellung im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann. Die meisten Sachverständigen berechnen ihr Honorar nach den aufgewendeten Stunden. Der Stundensatz hängt vom Sachgebiet, der Schwierigkeit des Gutachtens, den besonderen Umständen des Falles und der Beschäftigungslage des Sachverständigen ab. Nebenkosten und Mehrwertsteuer werden in der Regel gesondert berechnet.
Wird der Sachverständige im Auftrag eines Gerichts tätig, so richtet sich die Höhe seiner Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen. Zusätzlich werden dem Sachverständigen die notwendigen Auslagen wie die Kosten für Hilfskräfte, Fotokopien, Reisen und Übernachtungen ersetzt. Die Kosten des Sachverständigen sind Teil der Prozesskosten und von der unterliegenden Partei je nach Prozessausgang ganz oder anteilig zu tragen.

Wie haftet der öffentlich bestellte Sachverständige?

Auch ein öffentlich bestellter Sachverständiger ist nicht unfehlbar. Aber er muss für Fehler in seinem Gutachten einstehen, bei privatem Auftrag ein fehlerhaftes Gutachten nachbessern oder eine Honorarkürzung hinnehmen. Hat er einen Mangel am Gutachten schuldhaft verursacht, haftet er auch für alle Folgeschäden, die aus der Verwendung des Gutachtens entstehen. Schuldhaft bedeutet, dass der Sachverständige nicht mit der notwendigen Sorgfalt gearbeitet hat. Die Haftung ist auch vom Inhalt des Gutachtenauftrages abhängig. Daher sollte der Auftrag schriftlich formuliert und genau abgegrenzt werden. Durch Vereinbarung mit dem Auftraggeber kann der Sachverständige in gewissem Umfang seine Haftung individuell regeln; die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit darf jedoch nicht ausgeschlossen werden. Die IHKs empfehlen den Sachverständigen nachdrücklich den Abschluss einer Haftpflichtversicherung für Schäden aus der Sachverständigentätigkeit.
Wird der Sachverständige im Gerichtsauftrag tätig, gelten andere Haftungsregeln, die gesetzlich festgelegt sind und nicht abbedungen werden können.

Was geschieht bei Beschwerden?

Besteht Grund zur Beschwerde über die Tätigkeit des Sachverständigen, sollte in jedem Fall die Stelle informiert werden, die den Sachverständigen öffentlich bestellt hat. Dort wird die Angelegenheit sorgfältig überprüft, um sicherzustellen, dass nur geeignete Sachverständige öffentlich bestellt bleiben. Die Überprüfung erfolgt deshalb ausschließlich im Interesse der Öffentlichkeit. Bei schwerwiegenden oder wiederholten Pflichtverstößen muss der Sachverständige mit dem Widerruf seiner öffentlichen Bestellung rechnen. Ist dem Beschwerdeführer ein Schaden entstanden, kann er privatrechtlich gegen den Sachverständigen vorgehen. Die Aufsicht führende Stelle kann nicht in seinem Interesse tätig werden und etwaige Nachbesserungswünsche oder Schadenersatzansprüche beim Sachverständigen durchsetzten. Bei Beschwerden über eine gerichtliche Tätigkeit eines Sachverständigen muss die Aufsichtsbehörde abwarten, bis das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.

Wo bekommen Sie Rat und Hilfe?

Auskunft über öffentlich bestellte Sachverständige und Fragen zum Sachverständigenwesen erteilen die bestellenden Stellen. Das sind im wesentlichen Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern, in einigen Bundesländern auch Architekten-, Ingenieur- oder Landwirtschaftskammern oder staatliche Stellen für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich.
Diese Bestellungskörperschaften geben regionale und überregionale Verzeichnisse über öffentlich bestellte Sachverständige heraus, wie zum Beispiel das bundesweite Sachverständigenverzeichnis. Sie benennen auf Anfrage kostenlos geeignete Sachverständige. Je konkreter der zu beurteilende Sachverhalt geschildert wird, desto gezielter kann der richtige Sachverständige gefunden werden.