Was Unternehmer beachten müssen

Einführung

Seit Januar 2016 besteht europaweit die Pflicht, Streitschlichtungsstellen einzurichten. Was bedeutet das für Unternehmer? Der Weg zum Gericht ist für Unternehmer und Verbraucher häufig aufwändig und teuer. Die Verbraucherschlichtung bietet für beide Seiten eine günstige Alternative. Die genauen Konsequenzen bleiben abzuwarten. Dennoch tun Unternehmen gut daran, sich bereits jetzt mit dem Thema auseinander zu setzen, insbesondere mit den neuen Informationspflichten. Was diese beinhalten, erfahren Sie unter dem Abschnitt „Welche Pflichten sind umzusetzen? Wo sind die Informationen zu platzieren?“. Die Schlichtungsstellen sollen es Verbrauchern und Unternehmern erleichtern, Streitigkeiten außergerichtlich beizulegen, wobei arbeitsvertragliche Streitigkeiten ausgenommen sind. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz bietet einen Leitfaden für Unternehmen zu Verbraucherschlichtung an.

Online-Streit-Plattform

Die Europäische Kommission hat zu diesem Zweck eine „Online-Streit-Plattform“ als zentrale Anlaufstelle für Verbraucherbeschwerden eingerichtet. Die Plattform leitet die Beschwerden an die Schlichtungsstellen vor Ort. Es gibt die vom Bund geförderte  Allgemeine Schlichtungsstelle in Kehl und die Schlichtungsstelle für Luftverkehr in Bonn. Die Europäische Kommission finanziert die Plattform und gewährleistet die Datensicherheit.

Wie läuft das Schlichtungsverfahren ab?

Die Beschwerde wird vom Verbraucher durch ein Formular über die Plattform eingereicht. Die Gegenpartei erhält das Beschwerdeformular. Innerhalb von 30 Tagen soll sich gemeinsam auf eine Streitbeilegungsstelle geeinigt werden. Der Bearbeitungszeitraum für die Streitigkeit beträgt in der Regel 90 Tage. Das Streitbeilegungsverfahren endet mit der Mitteilung des Ergebnisses. Dieses wird nicht veröffentlicht und ist nicht vollstreckbar. Die Möglichkeit, das Gericht aufzurufen, bleibt weiterhin bestehen.
Bei Streitigkeiten über (Online-) Verbraucherverträge gilt das Prinzip der freiwilligen Teilnahme an der Schlichtung. Jeder Unternehmer kann einwilligen, muss aber nicht. Die Allgemeine Schlichtungsstelle bearbeitet zunächst Beschwerden, die von Verbrauchern eingereicht wurden. Theoretisch bestünde die Möglichkeit, dass auch Unternehmer über die Plattform Beschwerden gegen Verbraucher einreichen. In der Praxis haben die Schlichtungsstellen derlei Beschwerden allerdings ignoriert. Es liegt künftig in der Hand der Schlichtungsstellen, ob Unternehmerbeschwerden bearbeitet werden.

Was ist der Vorteil der außergerichtlichen Schlichtung?

Sie bietet eine pragmatische und kostensparende Alternative zum Gerichtsprozess, indem oft ein langwieriges Verfahren vor Gericht vermieden wird. Kostensparend ist die Schlichtung deshalb, da in einem Prozess die unterlegene Partei grundsätzlich die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, worunter auch die Rechtsanwaltskosten des Gegners gezählt werden können. Die Schlichtung schließt den Rechtsweg nicht aus: Dieser bleibt weiterhin bestehen.
Eine erfolgreiche Schlichtung kann die Kundenbeziehung trotz Streit aufrechterhalten. Unternehmer können ihren Service verbessern und sich von der Konkurrenz positiv abheben. Die Plattform überwindet Sprachbarrieren, indem sie eine Übersetzungsfunktion übernimmt. Ist bei dem Verbrauchervertrag ein Unternehmer aus Deutschland und ein Verbraucher aus Italien beteiligt, lassen sich Sprachbarrieren oft nicht ausschließen. Gesetzlich vorgeschrieben ist die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schlichtungsstellen und ihrer Streitmittler. Sie sind mit der außergerichtlichen Streitbeilegung betraut  und für die unparteiische und faire Verfahrensführung verantwortlich. Streitmittler sind keine Richter oder Rechtsanwälte.

Welche Kosten entstehen bei der Teilnahme an der Schlichtung?

Im Grundsatz gilt, dass die Schlichtungsstelle vom Unternehmer ein Entgelt verlangen kann. Die Kosten fangen bei der Allgemeinen Schlichtungsstelle bei 50 Euro an. Wie hoch die Kosten letztendlich ausfallen liegt im Ermessen der Schlichtungsstelle und hängt vom Einzelfall ab. Unter bestimmten Voraussetzungen können die Kosten sogar erlassen werden.  Die Rechtsprechung zur steuerlichen Absetzbarkeit ist noch nicht gesichert, sodass der Rat eines Steuerberaters eingeholt werden sollte. Als Orientierung dient die Kostenordnung der Allgemeinen Schlichtungsstelle.

Anwendungsbereich der Online Streit Plattform

Der Anwendungsbereich der Plattform wird von der Online Dispute Resolution Verordnung, kurz ODR Verordnung, festgelegt: Von der Plattform umfasst sind alle Online-Kaufverträge oder Online-Dienstleistungsverträge zwischen einem in der Union wohnhaften Verbraucher und einem in der Union niedergelassenen Unternehmer. Die ODR Verordnung definiert die Begriffe „Online – Kaufvertrag oder Online-Dienstleistungsvertrag“: Das sind Verträge, „bei dem der Unternehmer oder der Vermittler des Unternehmers Waren oder Dienstleistungen über eine Webseite oder auf anderem elektronischen Wege angeboten hat und der Verbraucher diese Waren oder Dienstleistungen auf dieser Webseite oder auf anderem elektronischen Weg bestellt hat“. Gemeint sind damit alle Kauf- oder Dienstleistungsverträge, die klassisch im Internet oder über Mailverkehr geschlossen werden.

Welche Streitigkeiten erfasst die Plattform?

Gestritten wird über vieles! In der Regel geht es darum, dass der Verbraucher mit der Ware nicht zufrieden ist, da er meint, sie hätte einen Mangel. Nun möchte er seine Rechte geltend machen. Vielleicht will der Verbraucher nach Ausübung seines Widerrufsrechts das bereits gezahlte Geld zurück erhalten, allerdings hat er die Ware nicht im Originalzustand zurück gesendet. Es stellt sich dann für den Unternehmer die Frage, wie weiter zu verfahren ist, sprich wie viel Wertersatz er fordern kann. Behandelt wird ferner die Frage, ob überhaupt ein Verbrauchervertrag zustande gekommen ist. Dies kann dann der Fall sein, wenn zweifelhaft ist, ob der Verbraucher Geschäfte mit privater Zwecksetzung tätigt oder ob sie im Einzelfall seiner selbstständigen beruflichen Tätigkeit zuzuordnen sind. Im Zweifel ist zu Gunsten des Verbrauchers zu entscheiden . Streitigkeiten im B2B Verkehr, also Unternehmer gegen Unternehmer, sind nicht erfasst.

Welche Pflichten sind umzusetzen? Wo sind die Informationen zu platzieren?

Mit Einführung der Schlichtungsstellen kommen auf die Unternehmer wichtige Pflichten zu. Der Unternehmer hat auf die Existenz der europäischen Plattform und die Möglichkeit diese zu nutzen hinzuweisen. Weiter hat er die Informationspflicht nach § 36 des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes umzusetzen, sofern er die Bereitschaft an der Streitbeilegung hat oder dazu verpflichtet ist.
Drei relevante Zeitpunkte:
  1. Seit 9. Januar 2016 Die Informationspflicht nach Artikel 14 Absatz 1 ODR Verordnung: Es muss ein leicht zugänglicher Link auf die europäische Online Streit Plattform am besten in das Impressum gesetzt werden, da der Verbraucher den Link dort erwartet.
  2. Seit 1. April 2016 Die zweite Informationspflicht nach Artikel 14 Absatz 2 ODR Verordnung. Nun kommt hinzu, dass auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein zusätzlicher Hinweis erfolgen muss, jedoch nur falls sich Unternehmer verpflichtet haben oder verpflichtet sind. Wir empfehlen, den Hinweis in die AGB aufzunehmen. Der Unternehmer weist auf die Existenz der europäischen OS Plattform hin, wie auch auf die Möglichkeit, diese für die Beilegung von Streitigkeiten zu nutzen.
  3. Seit Anfang 2017 Die dritte Informationspflicht umfasst Verbraucherverträge, die nicht nur über den online Weg abgeschlossen wurden. Gesetzlich festgelegt ist diese Pflicht in § 36 Verbraucherstreitbeilegungsgesetz. Es muss ein Hinweis erfolgen, ob sie überhaupt teilnehmen möchten oder ob sie verpflichtet sind, an Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen sowie der Hinweis auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle. Ob Sie verpflichtet sind, erfahren Sie unter der Überschrift „Verbraucherstreitbeilegungsgesetz“

Wer muss informieren?

Unternehmer, die mit ihren Kunden über Telemedien Kaufverträge oder Dienstleistungsverträge abschließen. Auch derjenige Unternehmer, der über ebay oder Amazon oder eine sonstige Plattform verkauft ist informationspflichtig. Es betrifft alle Unternehmer, die ihren Sitz in der Europäischen Union (EU)  haben.

Wie sieht der Informationstext aus?

Beispielhaft für die erste Pflicht:
„ Online Schlichtung (als Überschrift): Die Europäische Kommission stellt eine Plattform zur Online-Streitbeilegung (OS) bereit, die Sie unter: [Link hinzufügen] finden“
Beispielhaft für die zweite Pflicht:
„Online Schlichtung (Überschrift): Die europäische Kommission stellt eine Plattform zur Online-Streitbeilegung (OS) bereit, die Sie unter: [Link hinzufügen] finden. Verbraucher haben die Möglichkeit, diese Plattform für die Beilegung ihrer Streitigkeiten zu nutzen.“

Welche Schlichtungsstellen gibt es bereits?

Die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung eingetragener Verein (e.V.) mit Sitz in Kehl und die Schlichtungsstelle für Luftverkehr beim Bundesamt für Justiz.
Das Bundesamt für Justiz stellt eine Liste der Schlichtungsstellen und die Verfahrensordnung der Allgemeinen Schlichtungsstelle zur Verfügung.

Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz

Das Verbraucherstreitbeilegungsgeset (VBSG) ist am 1. April 2016 in Kraft getreten und gilt ab sofort. Das Gesetz ist das Resultat der Umsetzung der EU Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten, sog. ADR Richtlinie.
Alle Verbraucherverträge gemäß § 310 Absatz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), das heißt Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmern,  sind von dem Gesetz erfasst und demnach auch von der Informationspflicht nach § 36 VSBG. Die Platzierung schreibt § 36 Absatz 2 VSBG vor: Bei vorhandener Webseite muss der Hinweis an leicht zugänglicher Stelle angegeben werden. Verwendet der Unternehmer AGB, sollte er die Information zusammen mit den AGB angeben. Unternehmer können sich Ende 2016 um die Informationspflicht nach § 36 VSBG kümmern. Sollten Angebote per E-Mail versendet werden, muss der Informationstext  darin enthalten sein.
Wichtig: Die Informationspflicht trifft alle Unternehmer. Sie haben darüber zu informieren, inwieweit sie bereit sind an der Schlichtung teilzunehmen oder ob sie dazu verpflichtet sind. Verpflichtet sind nur wenige Branchen, zum Beispiel Energieversorger, Luftfahrt- und Eisenbahnverkehrsunternehmen.  Alle anderen haben die freie Entscheidung und können zu jedem Fall individuell entscheiden. Unternehmer, die am Schluss des Vorjahres zehn oder weniger Personen beschäftigen, sind von der Informationspflicht befreit.

Was regelt das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz?

Es regelt insbesondere das System der Verbraucherschlichtungsstellen und welche Grundvoraussetzungen die Stellen erfüllen. Es handelt sich um dieselben Schlichtungsstellen, die von der Online Streit Plattform bei Verbraucherbeschwerden aufgerufen werden.
Das Gesetz geht davon aus, dass es primär private Verbraucherschlichtungsstellen gibt, die anzuerkennen sind. Mit der durch den Bund geförderten Allgemeinen Schlichtungsstelle in Kehl besteht ein ausreichendes Schlichtungsangebot, sodass die Länder von der Errichtung von Universalschlichtungsstellen nach § 29 VSBG des Gesetzes absehen können.
Der DIHK hat zur Verbraucherstreitschlichtung eine Broschüre herausgegeben.
Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat folgenden Fragen Antworten Katalog zusammengestellt.
Haben Sie Fragen rund um die Plattform, Schlichtungsstellen und Verbraucherrechte, dann können Sie sich an das Europäische Verbraucherzentrum Deutschlands wenden. Die Beratung ist kostenlos.
Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl er mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Quelle: Industrie- und Handelskammer Darmstadt Rhein Main Neckar