IHK Standortumfrage 2022 - Gute Bewertung

Attraktiver Wirtschaftsstandort
Die Unternehmen in der Region Bodensee-Oberschwaben bewerten ihren Wirtschaftsstandort insgesamt mit einer guten „Zwei“ (2,17) Das geht aus der aktuellen Umfrage zur Standortzufriedenheit der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben (IHK) bei ihren Mitgliedsbetrieben hervor. Detaillierte Ergebnisse finden Sie im IHK Dashboard zur IHK Standortumfrage.

Expansionsabsichten trotz schwieriger Wirtschaftslage

Die Zufriedenheit und Verbundenheit mit dem Standort äußert sich auch darin, dass jeder vierte Betrieb in den vergangenen fünf Jahren flächenmäßig in der Region expandiert hat. Auch in den kommenden Jahren plant trotz der aktuell schwierigen Rahmenbedingungen jedes fünfte Unternehmen eine Erweiterung in der Region. Das sind allerdings deutlich weniger als zum Umfragezeitpunkt in 2017 zur konjunkturellen Boomzeit. Gerade in Krisenzeiten ist es deshalb wichtig, diejenigen Faktoren zu kennen und ins Bewusstsein von Politikern und Entscheidern zu rücken, die für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung vor Ort wichtig sind. Ein besonderes Augenmerk legt die IHK bei der Auswertung der Umfrage daher auf Standortfaktoren, die bei den Unternehmen eine hohe Priorität genießen und bei denen gleichzeitig eine große Zufriedenheit (Stärken) oder Unzufriedenheit (Handlungsbedarfe) herrscht.

Handlungsbedarfe

Als Handlungsbedarfe kristallisieren sich laut der aktuellen IHK-Umfrage vornehmlich harte Standortfaktoren heraus. Die Mobilfunknetzabdeckung und die Breitbandversorgung werden als größte Hemmnisse (Platz 1 und 2) gesehen. Auch wenn sich in den letzten Jahren bei der digitalen Infrastruktur viel getan hat, hat durch Corona und aufgrund der zunehmenden Digitalisierung der Bedarf an einer schnellen, zuverlässigen Verbindung enorm zugenommen. Die weiteren größten Standortschwächen sehen die Unternehmen im Mangel an Wohnraum (Platz 3) und beruflich qualifizierten Fachkräften (Platz 4), sowie bei den Kosten und Verfügbarkeit für von Gewerbeimmobilien (Platz 5). Die Beurteilung des Standortfaktors Wohnraum hat sich gegenüber der Umfrage von 2017 sogar weiter verschlechtert.  Auch beim Thema Fachkräftesicherung herrscht Handlungsbedarf, denn demografiebedingt wird die Fachkräftelücke in der Region im Jahr 2035 auf 55.000 Personen ansteigen. 

Stärken

Stark ist die Region vor allem bei den weichen Standortfaktoren. Die meisten Pluspunkte sammeln die Allgemeine Sicherheit (Platz 2), die Einkaufsmöglichkeiten (Platz 3), Sport- und Freizeitmöglichkeiten (Platz 4) sowie die Medizinische Versorgung (Platz 5). Als größtes Plus sehen die Unternehmer jedoch die Versorgungsqualität bei der Stromversorgung (Platz 1). Das Ergebnis zeigt deutlich, dass eine sichere Stromversorgung für die Wirtschaft ein hohes Gut und ein nicht zu unterschätzender Standortvorteil ist – gerade auch im Vergleich mit Standorten im Ausland. Die aktuellen Auswirkungen des Ukrainekriegs auf Energiepreise und –versorgung führen uns vor Augen, dass dieser Faktor auch in Mitteleuropa nicht selbstverständlich gegeben ist. 
Allgemeine Sicherheit: Die Region Bodensee-Oberschwaben weist eine verglichen mit ganz Baden-Württemberg und Deutschland sehr geringe Kriminalitätsrate auf und punktet stark beim Thema allgemeine Sicherheit. Diesen Standortfaktor wissen die Unternehmen sehr zu schätzen.  Auch als Pull-Faktor für potentielle Fachkräfte ist dies nicht zu unterschätzen. 
Sport und Freizeitmöglichkeiten: Die Region ist nicht nur landschaftlich reizvoll, sondern punktet auch mit ihren vielfältigen Sport- und Freizeitmöglichkeiten. „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“, dieser Slogan zieht immer noch und hat in Zeiten von Corona als Ausgleich zum Beruf sicher zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Auch dieser Faktor spielt bei der Anziehungskraft der Region für neue Beschäftigte eine Rolle.
Einkaufsmöglichkeiten: Einkaufsmöglichkeiten sind wichtig, und die Unternehmen sind zufrieden mit dem Angebot in der Region. Das ist eine gute Botschaft, denn es zeigt, dass trotz der Zunahme des Online-Handels das Einzelhandelsangebot und die Attraktivität der Innenstädte wichtige Standortfaktoren bleiben. Deshalb sollten die Akteure, Händler, Stadtplaner, Wirtschaftsförderer nicht nachlassen in ihren Anstrengungen, den Erlebnisort Innenstadt attraktiv zu halten. Die IHKs Ulm und Bodensee-Oberschwaben bieten dazu Beratungsangebote. 
Medizinische Versorgung: Die medizinischen Versorgung gehört nach Unternehmereinschätzung zu den Stärken der Region. Sie liegt im Ranking der Standortfaktoren nach Wichtigkeit auf Platz 4, und die Unternehmen sind mit ihr zufrieden.  Diese Bewertung ist angesichts der vielen Entscheidungen und Diskussionen um Klinikschließungen in der Region Auftrag an die politischen Entscheider, die gute medizinische Versorgung auch im ländlichen Raum dauerhaft zu erhalten und, wo nötig, weiter zu verbessern.  

Raum für die Wirtschaft

Ähnlich wie beim Thema Wohnraum haben auch beim Standortfaktor “Kosten für Gewerbeimmobilien”, der Aufwendungen für Grundstückskäufe, Immobilien und Mieten einschließt, sowohl die Wichtigkeit als auch die Unzufriedenheit gegenüber 2017 zugenommen. Die Unternehmen in der Region sind erfolgreich unterwegs, sie suchen aber oft sehr lange oder sogar vergeblich nach neuen Gewerberäumen. Auch Existenzgründerinnen und -gründer sind in der Regel auf bestehende Gewerbeimmobilien angewiesen. Ein wichtiger Standortfaktor bleibt zudem die Verfügbarkeit von Gewerbeflächen. Da es auf die Grundgesamtheit gesehen eher wenige Unternehmen sind, die Flächen suchen, schafft es dieser Standortfaktor zwar dennoch nicht in die in der Auswertung der Umfrage ermittelten konkreten Handlungsbedarfe mit Dringlichkeit für die gesamte Region. Aber den expansionswilligen Unternehmen brennt das Thema Gewerbeflächen unter den Nägeln. Die Region kann es sich nicht leisten, expansionswillige Unternehmen zu verlieren, deshalb muss auch hier alles daran gesetzt werden, dass insbesondere den ortsansässigen Unternehmen ausreichend Gewerbeflächen zeitnah zur Verfügung stehen. Der Standortfaktor Kosten für Gewerbeimmobilien lässt sich ablesen, wie wichtig die Verfügbarkeit von Raum für die Wirtschaft ist. Der Mangel an Flächen wiederum führt zu einem knappen Angebot und damit zu steigenden Preisen für Gewerbeflächen und –immobilien. In Verbindung mit den Expansionsabsichten wird das deutlich: Während im Landkreis Sigmaringen 43 Prozent der Unternehmen flächenmäßig expandiert haben oder es planen, sind das im Bodenseekreis, wo die Gewerbeflächen Mangelware sind, mit 30 Prozent sehr viel weniger.  

Erreichbarkeit der Region

Der Standortfaktor „Erreichbarkeit überregional Straße“ hat seit der letzten Umfrage in punkto Zufriedenheit zugelegt, die Wichtigkeit hat dabei im Empfinden der Unternehmen gleichzeitig abgenommen. Die IHK führt das einerseits auf den durch Corona ausgelösten Trend zurück, Geschäftsreisen durch digitale Kontaktformate zu ersetzen. Andererseits konnten in der Region in den letzten Jahren Straßenneubauten frei gegeben werden, die zu großen Zeitersparnissen führten und so die Qualität der Erreichbarkeit deutlich verbessert haben. Hervorzuheben sind hier die B 30-Südumfahrung Ravensburg, die B 31-Umfahrung Friedrichshafen, aber auch die neue Verkehrsführung bei Überlingen auf die B 31 neu. Dies muss Ansporn sein, die wichtigen weiteren Straßeninfrastrukturprojekte wie die B 30 zwischen Ravensburg-Süd und Friedrichshafen, die B 31 zwischen Immenstaad und die Meersburg, die B 311n/B313 zwischen Meßkirch und Mengen oder die B 30 Umfahrungen von Enzisreute und Gaisbeuren in Planung und Umsetzung voranzutreiben. Auch bei der Erreichbarkeit der Region über die Schiene ist die Zufriedenheit angestiegen, was die IHK auf die verbesserten Verbindungen auf der Südbahn nach Realisierung der Elektrifizierung zurückführt. Priorität muss nach Einschätzung der IHK nun der weitere Ausbau und die Elektrifizierung der Bodenseegürelbahn von Radolfzell nach Lindau erhalten, um auch in Ost-West-Richtung eine leistungsstarke Verkehrsachse zu erhalten.  Auch der Wunsch nach einem Ausbau der Möglichkeiten des Gütertransports per Schiene wurde von den Befragten geäußert. 

Kommunale Verwaltungen

Unzufriedenheit herrscht in der Region mit der Bearbeitungsdauer von Verfahren in den kommunalen Verwaltungen. Angesichts der immer größer werdenden Herausforderungen der Unternehmen äußern sie zunehmend Unverständnis für lange Verfahren und bürokratische Hemmnisse. Die IHK hat zum Themenkomplex „Verwaltung und Kommunalpolitik“ insgesamt sechs Standortfaktoren abgefragt. Darunter die Kategorien „Offenes Ohr für Anliegen der Wirtschaft“ oder das „Angebot an Online-Dienstleistungen der Verwaltung“. Sie rangieren in der Wichtigkeit der Standortfaktoren zum großen Teil unter den TOP 10.Die Kommunen haben hier viel Handlungsspielraum, um ihren Unternehmen gute Rahmenbedingungen zu bieten. 

Weiteres Vorgehen

Die IHK wird die Standortumfrage wie schon bei den Vorumfragen in interessierten Kommunen mit repräsentativen Umfrageergebnissen vorstellen und mit den politischen Entscheidungsträgern diskutieren. Ziel ist es, die Standortstärken zu sichern und die Schwächen zu beheben oder abzumildern, damit sich die Region Bodensee-Oberschwaben im Standortwettbewerb in Zukunft weiterhin gut und sogar noch besser behaupten kann. 

Hintergrundinformation zur Studie

Die IHK-Umfrage zur Standortzufriedenheit wurde von Mitte Februar bis Ende April 2022 mit Unterstützung des EWAS-Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung und angewandte Statistik in Hannover durchgeführt. Durch die zeitgleiche Befragung der IHKs Reutlingen, Ulm und Bodensee-Oberschwaben liegen insgesamt 4.339 Unternehmensantworten für den Regierungsbezirk Tübingen vor. Dadurch lassen sich aufschlussreiche Vergleiche sowohl zu den vorherigen Umfragen als auch zu den Nachbarregionen und anderen Kommunen ziehen. Aus der Region Bodensee-Oberschwaben beteiligten sich knapp 1.600 Unternehmen. Die Firmen konnten zu 32 Standortfaktoren aus den vier Bereichen Infrastruktur und Verkehr, Fachkräfte und Bildung, Attraktivität Ihrer Stadt und Gemeinde sowie Verwaltung und Kommunalpolitik eine Bewertung zu Zufriedenheit und Wichtigkeit der Themen abgeben. Aus der Region Bodensee-Oberschwaben liegen die Ergebnisse für die Region, für die drei Landkreise und für 20 Kommunen vor.