Überblick: Gesetzgebungsverfahren in der EU

Brüssel befindet sich aktuell in einer spannenden Phase. Während der Wahlkampf langsam Fahrt aufnimmt, hängen weiterhin viele der im Green Deal vorgesehenen Gesetze im Prozess fest. Das hat sich das DIHK-Umweltteam zum Anlass genommen, einen Blick auf die wichtigen Gesetze zu werfen und eine Einschätzung abzugeben, welche es noch vor der Wahl über die Ziellinie schaffen.
So sollen Gesetze teilweise in einem Notverfahren (Corrigendum) bis zum Ende der Legislaturperiode verabschiedet werden. Dabei wird nur mit der englischsprachigen Version des Textes gearbeitet. Sie stellt dann die Grundlage der Abstimmung im Parlament dar. Die Übersetzung in alle 24 Amtssprachen erfolgt dann nachträglich. Dieses Verfahren wird angewandt für Gesetzte, die keinen Aufschub dulden, wie etwa den Beschluss über die Finanzhilfen für die Ukraine.
Zum Verständnis der Übersicht unten ist wichtig zu wissen, dass es in der europäischen Gesetzgebung kein Diskontinuitätsprinzip gibt. Das heißt, die Arbeit an Gesetzen kann in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt werden und muss nicht komplett neu gestartet werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die neue Kommission und das neu gewählte Parlament das so beschließen. Es kommt dabei allerdings zu Verzögerungen, weswegen die Verhandlungen erst wieder aufgenommen werden können, sobald die neue Kommission im Amt ist – das heißt frühestens im November 2024.
Eine Auswahl der wichtigsten geplanten EU-Umweltgesetze im Überblick:
  • Abfallrahmenrichtlinie: Bei der Verhandlung eines Zusatzartikels zur Abfallrahmenrichtlinie kommt es vermutlich zu keinem Abschluss mehr in dieser Legislaturperiode. Gearbeitet wird an einer Ausweitung der Herstellerverantwortung im Textilbereich und an einer Minimierung der Lebensmittelverschwendung. 
  • Ökodesignverordnung: Die bisherige Richtlinie soll durch eine Verordnung ersetzt werden. Angedacht sind detaillierte Vorgaben zu Energieeffizienz, Reparier- und Wiederverwertbarkeit von Elektrogeräten. Insgesamt soll die Nachhaltigkeit erhöht werden. Dazu gehört auch ein Verbot der Entsorgung unverkaufter Textilien und die Verankerung eines Digitalen Produktpasses. Dieses Gesetz ist verabschiedet und im Amtsblatt erschienen.
  • Recht auf Reparatur: Das Europäische Parlament möchte den Anspruch auf Reparatur unbedingt vor der Wahl gesetzlich verankern. Das liegt daran, dass in der Konferenz zur Zukunft Europas das Recht auf Reparatur als ein Kernanliegen der Bürger identifiziert wurde. Deswegen möchte das Parlament hier keine Erwartungen enttäuschen. Allerdings liegen die Positionen von Rat und Parlament aktuell weit auseinander. Die Verhandlungen dürften deshalb bis zuletzt spannend bleiben. Nächster Verhandlungstermin ist 1. Februar. 
  • Green Claims: Mit diesem Gesetz soll gegen irreführende Werbeaussagen zur Nachhaltigkeit (Greenwashing) vorgegangen werden. In Zukunft müssen umweltbezogene Aussagen von dritter Stelle überprüft werden und Verbraucherorganisationen können rechtliche Schritte einleiten. Eigentlich haben sich Rat und Parlament bereits geeinigt, allerdings steht die finale Abstimmung im Parlament noch aus und soll erst am 11. März stattfinden.
  • Industrieemissionen (IED): Die Überarbeitung der Richtlinie zielt auf eine deutliche Reduktion von Emissionen ab. Deswegen wird der Geltungsbereich um große Intensivtierhaltung und die Herstellung von Batterien im großen Maßstab erweitert. Ein Kompromiss wurde gefunden. Nun steht noch die Annahme durch Rat und Parlament aus. 
  • REACH: Die REACH Revision war nicht im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2024 enthalten. Wir gehen deswegen von einer Verschiebung auf die nächste Legislaturperiode aus. 
  • PFAS: Auch bei der geplanten Beschränkung der Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) deuten sich Verzögerungen an. Nach den tausenden von Rückmeldungen, die bei der Europäischen Chemieagentur (ECHA) eingegangen sind, ist vor dem Herbst nicht mit einem Update zu rechnen. Die DIHK setzt sich für eine pragmatische Lösung mit Ausnahmen ein, sodass nicht zu ersetzende Anwendungen weiterhin zur Verfügung stehen. 
  • Verpackungsverordnung: Im Verpackungsbereich soll die bisherige Richtlinie durch eine Verordnung ersetzt werden. Ziel ist eine nachhaltige Müllreduktion und eine Stärkung des Binnenmarkts durch europaweit einheitliche Regeln. Bei der Neufassung ist nicht mehr mit einem Abschluss vor der Europawahl zu rechnen. Allerdings ist eine Fortsetzung im neuen Mandat zu erwarten. 
  • Kommunale Abwässer: Diese Richtlinie soll neue scharfe Standards für die Reinigung von Abwasser und Niederschlagswasser setzen. Außerdem sollen Anforderungen an die kommunale Planung zur Vorsorge gegen Schäden durch Starkregen hinzukommen. Nächster Verhandlungstermin zwischen Rat und Parlament ist voraussichtlich Anfang Februar. Auch hier wird die Zeit für eine Verabschiedung vor der Europawahl knapp. 
  • Renaturierung: Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur soll zur Steigerung der biologischen Vielfalt beitragen. Im Parlament kam es zu teils harten Diskussionen. Die Auseinandersetzung entzündete sich vor allem an der Frage, wie Flächen genutzt werden dürfen. Trotz Opposition steht das Gesetz vor der finalen Verabschiedung im Parlament. Allerdings sind noch viele Detailfragen offen, unter anderem zu den nationalen Renaturierungsplänen
  • Critical Raw Materials Act: Das Gesetz zu den kritischen Rohstoffen soll zur nachhaltigen Rohstoffsicherung und der Diversifikation der Lieferkette beitragen. Aktuell steht noch die finale Abstimmung im Rat aus, allerdings steht der voraussichtliche Kompromisstext
  • Freiwilliger KMU-Standard (VSME): Aktuell kämpfen KMU, ausgelöst durch neue europäische und nationale Gesetze, mit dem sogenannten Trickledown- oder Kaskadeneffekt. Das bedeutet, dass über die Lieferkette auch Berichtspflichten bei den KMU ankommen, von denen sie eigentlich ausgenommen sind. Aktuell sammelt die DIHK Feedback für die laufende Konsultation zum Entwurf des Standards. Der Standard wird in jedem Fall erst im Herbst oder Winter dieses Jahres als Empfehlung von der Kommission vorgestellt und muss sich dann im Markt durchsetzen. 
Quelle: DIHK