Lebensmittelkontaktmaterialien

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Auf Grundlage der Verordnung 1935/2004 bestehen beispielsweise für Maschinenkomponenten, Elektrogeräte oder Spielzeuge mit Lebensmittelkontakt umfangreiche Anforderungen. Eine Übersicht hierzu haben wir für Sie zusammengefasst.

Einleitung

In zahlreichen Quellen werden Verordnungen wie insbesondere die 1935/2004 und 10/2011 in erster Linie mit einem Fokus auf „naheliegende“ Lebensmittelbedarfsgegenstände thematisiert. Darüber hinaus sind von den entsprechenden Anforderungen jedoch beispielsweise auch Komponenten wie Dichtungen oder Förderbänder sowie Produkte mit nicht offensichtlichem Lebensmittelkontakt wie etwa Spielzeuggeschirr betroffen. In den folgenden Abschnitten finden Sie einen Überblick über den Rechtsrahmen sowie Hinweise zur praktischen Umsetzung verschiedener Vorgaben.

Rechtlicher Rahmen

Während beispielsweise die Maschinenrichtlinie oder die Spielzeugrichtlinie bereits umfangreiche Sicherheitsanforderungen an die jeweiligen Produkte definieren, ist es für das Verständnis der Vorschriften für Lebensmittelkontakt-Materialien entscheidend, sich die Einordnung in einen anderen Rechtsrahmen bewusst zu machen. So kann in Deutschland das Produktsicherheitsgesetz als das zentrale Gesetz hinsichtlich verschiedenster Sicherheitsanforderungen an den Großteil aller Produkte bezeichnet werden (zum Beispiel hinsichtlich mechanischer, elektrischer und vieler weiterer Gefährdungen).
Hinsichtlich des Kontakts mit Lebensmitteln stellt hingegen die Verordnung 1935/2004 den Rahmen dar, innerhalb dessen Maßnahmen zur Vermeidung hiermit verbundener Risiken definiert werden. Diese Differenzierung lässt sich am Beispiel einer Küchenmaschine verdeutlichen: Aspekte wie die elektrische Sicherheit, die elektromagnetische Verträglichkeit und so weiter werden mittels Niederspannungsrichtlinie, EMV-Richtlinie, RoHS-Richtlinie et cetera adressiert. Stoffverbote oder Informationspflichten hinsichtlich kritischer Stoffe werden mittels REACH-Verordnung definiert. Ausgehend von der Verordnung 1935/2004 werden schließlich Anforderungen hinsichtlich des Kontakts mit Lebensmitteln festgelegt.

Rahmenverordnung 1935/2004

Die Verordnung 1935/2004 gilt unter anderem für Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen oder vernünftigerweise erwarten lassen, dass sie mit Lebensmitteln in Berührung kommen oder ihre Bestandteile an Lebensmittel abgeben. Ein Beispiel für eine „vorsehbare“ Verwendung wäre etwa Spielzeuggeschirr, welches von Kindern als Trinkgefäß genutzt wird.
In recht allgemeiner Weise fordert die Verordnung, dass Lebensmittelkontaktmaterialien die menschliche Gesundheit nicht gefährden dürfen oder dass keine Beeinträchtigung des Geschmacks der Lebensmittel erfolgt. Zudem wird eine Produktion nach guter Herstellungspraxis (GMP) gefordert. Von großer praktischer Relevanz sind zudem insbesondere Artikel 15 bis 17 der Verordnung. Hier werden die Themen Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit und Konformitätserklärung thematisiert. Hierbei ist zu beachten, dass eine Konformitätserklärung nur dann vorgeschrieben ist, wenn eine solche in einer zur Rahmenverordnung erlassenen „Einzelmaßnahme“ vorgesehen ist.
Die Abgrenzung zwischen Rahmenverordnung und Einzelmaßnahmen führt immer wieder zu Verunsicherungen. Vereinfacht zusammengefasst gilt die Rahmenverordnung für alle abgedeckten Lebensmittelkontaktmaterialien und –gegenstände, während sich die Einzelmaßnahmen auf bestimmte Materialien und Gegenstände wie beispielsweise Kunststoffe beziehen und hierfür zusätzliche Anforderungen definieren.

Beispiel: Verordnung 10/2011

Das Konzept der Einzelmaßnahmen lässt sich gut am Beispiel der Verordnung 10/2011 verdeutlichen. Diese nimmt an verschiedenen Stellen Bezug auf die Rahmenverordnung 1935/2004 und definiert sehr konkrete Anforderungen an Lebensmittelkontaktgegenstände und –materialien aus Kunststoff. Zunächst müssen diese beispielsweise den allgemeinen Sicherheitsanforderungen sowie den Kennzeichnungsvorgaben gemäß Rahmenverordnung entsprechen, zudem sind die Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit zu erfüllen. Darüber hinaus sind diese nach guter Herstellungspraxis gemäß der Verordnung 2023/2006 herzustellen.
Weit über die allgemeinen Anforderungen der Rahmenverordnung hinaus gehen die Vorgaben hinsichtlich Zusammensetzung und Konformitätserklärung. So enthält beispielsweise Anhang I der Verordnung 10/2011 eine Liste derjenigen Stoffe, die für die Herstellung zugelassen sind. Zudem sind neben einem Gesamtmigrationsgrenzwert auch spezifische Migrationsgrenzwerte vorgesehen. Außerdem werden in Anhang II Beschränkungen beispielsweise hinsichtlich Barium, Kupfer oder Mangan definiert.
Hinsichtlich der Eignung für bestimmte Lebensmittel werden in Anhang III Lebensmittelsimulanzien definiert. Dort findet sich auch eine Tabelle, welche Simulanzien welcher Lebensmittelkategorie zuzuordnen sind. Anhang IV definiert schließlich Inhalt und Umfang der Konformitätserklärung. Neben allgemeinen Angaben wie der Identität des Ausstellers oder Produktbezeichnung sind hierin beispielsweise auch die Arten von Lebensmitteln zu spezifizieren, die mit dem Material oder Gegenstand in Berührung kommen sollen.

Fehlende Einzelmaßnahme

Für zahlreiche Materialien wurden (noch) keine Einzelmaßnahmen erlassen. Fehlt eine solche, gelten dennoch die Anforderungen aus der Rahmenverordnung 1935/2004, zudem können darüber hinaus nationale Vorschriften in den verschiedenen EU-Staaten gelten. Für verschiedene Materialien wurden im Laufe der Jahre Empfehlungen erarbeitet beziehungsweise weiterentwickelt, die im Sinne eines Stands der Technik angewendet werden können, um die Übereinstimmung mit den Anforderungen der Rahmenverordnung sicherzustellen. Hier sind in erster Linie die BfR-Empfehlungen zu nennen. Die zugehörige Datenbank umfasst Empfehlungen beispielsweise für Polyamide, Silikone oder Papier, Karton und Pappe. Für Metalle und Legierungen finden sich insbesondere in einer auf der EDQM-Website verfügbaren Technischen Leitlinie Informationen. Teilweise enthalten auch einzelne produkt(gruppen)spezifische Normen Vorgaben hinsichtlich der eingesetzten Materialien beziehungsweise Legierungen.
Somit unterscheidet sich das praktische Vorgehen nicht grundsätzlich von den Fällen, in denen eine Einzelmaßnahme wie die Verordnung 10/2011 erlassen wurde. Aus den verschiedenen Empfehlungen oder Normen beziehungsweise dem Stand der Technik resultieren in der Regel „Positivlisten“ hinsichtlich Stoffen beziehungsweise Materialien, gegebenenfalls Stoffverbote sowie Migrationsgrenzwerte. Sowohl die Auswahl und Verwendung geeigneter Materialien im Rahmen von Entwicklung, Konstruktion und Produktion als auch das Ergebnis entsprechender Migrationstests müssen dokumentiert werden. Anforderungen an Qualitätssicherung und Rückverfolgbarkeit ergeben sich alleine schon aus der Perspektive einer möglichen Produkthaftung/Produzentenhaftung, so dass sich das Konzept mit oder ohne Einzelmaßnahme nicht grundsätzlich unterscheidet. Im Fall der Einzelmaßnahmen besteht allerdings eine konkrete „Anleitung“ wie die Anforderungen umzusetzen sind. Gewissermaßen stellt dies eine Analogie zu Produktsicherheitsgesetz und CE-Richtlinien dar, wo bei Anwendbarkeit von CE-Richtlinien vermeintlich detailliertere Vorgaben bestehen, die Produktsicherheit jedoch auch bei Nicht-Anwendbarkeit von CE-Richtlinien sichergestellt und die zugehörigen Maßnahmen dokumentiert werden müssen.

Nationale Vorschriften

Für verschiedene Materialien und Gegenstände bestehen in den einzelnen EU-Staaten nationale Vorschriften. Dies ist insbesondere immer dann möglich, wenn für bestimmte Materialien keine EU-weiten Vorgaben bestehen. Derartige nationale Vorschriften lassen sich teilweise über den Trade Helpdesk der Europäischen Kommission identifizieren. Durch „Simulation“ eines Imports aus einem beliebigen Nicht-EU-Staat in das jeweilige Zielland lassen sich anhand des Product Codes die potenziell relevanten produktspezifischen Anforderungen recherchieren. In der Ergebnisübersicht sind diese unter dem Register „Product Requirements“ zusammengefasst. Durch Anklicken der einzelnen Vorschriften gelangt man zu einer Übersicht, an deren Ende nationale Anforderungen und Anlaufstellen aufgelistet sind. Hierüber wird der Einstieg in die weiterführende Recherche in der Regel deutlich vereinfacht.

Marktüberwachung

Wie für andere Produktbereiche findet auch in Zusammenhang mit Lebensmittelkontaktmaterialien eine umfangreiche Marktüberwachung statt. Neben der Sicherstellung fairer Wettbewerbsbedingungen erlauben damit verbundene Datenbanken auch eine systematische Beobachtung, inwiefern bestimmte Materialien oder Produkte auffällig werden. Hieraus können gegebenenfalls Maßnahmen wie ergänzende Prüfungen oder Rücksprachen mit Zulieferern abgeleitet werden.
Während für Verbraucherprodukte das europäische Schnellwarnsystem das zentrale Portal hinsichtlich öffentlicher Warnungen und Rückrufinformationen darstellt, werden Food Contact Materials (FCM) aufgrund des oben genannten anderen Rechtsrahmens im RASFF-Portal geführt. Unter der entsprechenden Kategorie oder durch Schlagwortsuche finden sich die zugehörigen Einträge. Weitere Informationen zu dieser Thematik finden sich unter anderem auf der Website des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.

Maßnahmen aus Sicht eines Unternehmens

Die im konkreten Einzelfall anzuwendenden Maßnahmen lassen sich nicht abschließend anhand eines Beispiels darstellen, zudem bestehen je nach internen Organisationsstrukturen unterschiedlichste Ausprägungen von Prozessen und Dokumentation. Stark vereinfacht zusammengefasst und ohne Anspruch auf Vollständigkeit lassen sich jedoch folgende Zwischenschritte zur Erfüllung der Anforderungen darstellen:
  • Identifikation der anwendbaren Vorschriften (zum Beispiel 1935/2004, 10/2011, LFGB, BedGgstV und weitere)
  • Recherche der zugehörigen Leitlinien (Guidance Documents), zum Beispiel auf der EC-Website, beim BVL et cetera)
  • Ermittlung der eigenen Rolle im Sinne der jeweiligen Vorschriften
  • Ermittlung der Anforderungen an das jeweilige Produkt beziehungsweise Material (zum Beispiel zugelassene Stoffe, Einhaltung der GMP-Anforderungen, durchzuführende Migrationsprüfungen, Erfordernis und gegebenenfalls Inhalt einer Konformitätserklärung, gegebenenfalls Recherche von Empfehlungen, technischen Leitlinien und Normen)
  • Gegebenenfalls Einbeziehung spezialisierter Berater beziehungsweise Prüfinstitute (Volltextsuche in der Datenbank zum Beispiel nach „10/2011“)
  • Umsetzung der relevanten internen Maßnahmen und Prozesse, Einholen entsprechender Erklärungen bei Zulieferern
  • Dokumentation der verschiedenen Maßnahmen, gegebenenfalls Erstellung von Konformitätserklärung oder anderen Nachweisen
  • Fortlaufende Beobachtung von Rechtsvorschriften, Normen, Leitlinien und Empfehlungen in Hinblick auf Änderungen. Produkt- und Marktbeobachtung in Hinblick auf bisher unbekannte Risiken
Teilweise bestehen hierbei entlang der Lieferkette Unsicherheiten, wer für die Erfüllung welcher Maßnahmen und Teilaufgaben erforderlich ist. Am Beispiel der „Kunststoffverordnung“ 10/2011 finden sich hierzu beispielsweise im EC-Leitfaden Hinweise und Beispiele. Insbesondere Importeure sollten zudem beachten, dass die verschiedenen Vorschriften außerhalb der EU naturgemäß nicht gültig sind und bei entsprechenden Zulieferern somit möglicherweise nicht in vollem Umfang bekannt sind. Bereits in der Frühphase von FuE-Projekten oder Beschaffung sollte daher auf eine Einhaltung der verschiedenen Anforderungen hingewirkt werden. Hierzu bieten sich beispielsweise vertragliche Vereinbarungen sowie die Einforderung von Erklärungen, Nachweisen und Prüfberichten an.
Vor allem für Importeure bestehen verschiedene Möglichkeiten, Plausibilitätsprüfungen oder Stichprobenkontrollen durchzuführen. So ist der finanzielle Aufwand für Migrationstests in der Regel überschaubar, so dass mit vertretbaren Mitteln ergänzende Prüfungen beziehungsweise Stichprobenkontrollen möglich sind. Auch vorgelegte Konformitätserklärungen lassen sich leicht überprüfen, indem beispielsweise für Gegenstände aus Kunststoff der Inhalt der Erklärung mit den Vorgaben gemäß Anhang IV der Verordnung 10/2011 abgeglichen wird. Darüber hinaus könnte beispielsweise ein Abgleich der im Rahmen von Prüfungen (Prüfberichten) verwendeten Simulanzien mit der Entsprechungstabelle erfolgen, inwieweit die Simulanzien für die relevanten Lebensmittel geeignet sind.
Für Maschinenbauer hat der VDMA eine Reihe von Informationen zusammengefasst. Zudem steht dort eine Vorlage zur Verfügung, auf deren Basis auch dann Bescheinigungen erstellt werden können, wenn beispielsweise in der jeweiligen Einzelmaßnahme keine Konformitätserklärung gefordert wird.