Europäisches Einheitspatent

Seit dem 1. Juni 2023 gilt ein neues Patentsystem: Das europäischen Einheitspatent (Unitary Patent) und ein neues Patentgericht, das einheitliche Patentgericht, das für die neuen Einheitspatente und auch für "klassische" europäische Patente zuständig sein wird. 
Hintergrund: Das Europäische Patentübereinkommen
Als erster Schritt auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Patentsystem trat 1977 das Europäische Patentübereinkommen in Kraft, durch das ein zentrales Patenterteilungsverfahren geschaffen wurde . 
Ein europäisches Patent wird vom Europäischen Patentamt (kurz EPA) im Zuge eines einheitlichen Patenterteilungsverfahren gemäß dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) für 39 Vertragsstaaten, 4 Validierungsstaaten und einen Erstreckungsstaat erteilt. Dabei bleibt es  dem Anmelder überlassen, ob er alle 42 Gültigkeitsländer auswählt oder nur einzelne, für ihn interessante Staaten. Lediglich die Anmeldung und das Verfahren zur Erteilung erfolgen zentral beim Europäischen Patentamt (EPA). Nach der Erteilung und der Validierung in einem Vertragsstaat hat das europäische Patent dieselbe Wirkung wie ein nationales Patent . Die Mitgliedschaft in der EU ist keine Voraussetzung, um dem EPÜ beizutreten. Aus diesem Grund kann ein vom EPA erteiltes Patent auch in Staaten (zum Beispiel Schweiz, Türkei) validiert werden, die zwar keine Mitglieder der EU sind, jedoch Mitglieder des EPÜ
 

Das europäische Einheitspatent (EPA) und das einheitliche Patentgericht (EPG) sind zwei Meilensteine auf dem Weg zu einem einheitlichen EU-Patentsystem: Das Einheitspatent („europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung“, Unitary Patent (UP)) ist ein vom Europäischen Patentamt (EPA) mit Wirkung für alle teilnehmenden Mitgliedsstaaten erteiltes Patent, über das in späteren Auseinandersetzungen in einem einzigen Gerichtsverfahren für alle beteiligten Staaten eine gemeinsame einheitliche Gerichtsentscheidung getroffen werden kann (zum Beispiel Nichtigkeit/Verletzung). Das neue einheitliche Patentsystem ist am 1. Juni 2023 in Kraft getreten. Seit diesem Zeitpunkt gelten die beiden EU-Verordnungen (EU) Nr. 1257/2012 und (EU) Nr.1260/2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Patentschutzes.

Das Europäische Einheitspatent


Grundlage des einheitlichen Patentsystems ist das einheitliche Patentübereinkommen (EPÜ). Anmelder reichen wie bisher beim Europäischen Patentamt (EPA) eine europäische Patentanmeldung ein und beantragen aktiv die Erteilung eines europäischen Einheitspatents.
Durch das Einheitspatent wird mit einem einzigen Antrag beim Europäischen Patentamt ein einheitlicher Patentschutz in großen Teilen der EU erlangt und der Schutz kann in einem einzigen Verfahren durchgesetzt werden. Leider beteiligen sich aktuell nicht alle EU-Länder am Einheitspatent. Zunächst sind lediglich 17 EU-Staaten dabei. Mit Sicherheit aktuell nicht dabei sind Spanien, Kroatien und Polen sowie die Nicht-EU-Länder (wie zum Beispiel die Schweiz, Großbritannien, Türkei oder Norwegen). Das Einheitspatent bietet so eine zusätzliche Option für den Patentschutz in Europa, neben den beiden bisherigen Optionen, der nationalen Anmeldung und dem klassischen europäischen Patent. Es ist weiterhin möglich Patentanmeldungen bei den nationalen Ämtern dieser Staaten einzureichen oder ein europäisches Patent in einem oder mehreren EPÜ-Vertragsstaaten zu validieren.


Das einheitliche Patentgericht

Das Einheitliche Patentgericht („EPG“ oder – englisch - „UPC“) ist ein neu errichtetes Gericht, das unter anderem für Fragen der Verletzung und der Rechtsgültigkeit von Einheitspatenten und auch klassischen europäischen Patenten zuständig ist, sofern für Letztere kein Opt-Out (siehe unten) erklärt wird. Die Urteile gelten in allen Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht ratifiziert haben. Das EPG ist für Patentstreitigkeiten über Einheitspatente und bestehende europäische Patente in den teilnehmenden Mitgliedsstaaten zuständig.

Zuständigkeit des neuen einheitlichen Gerichts ausschließen - Opt-out

Seit dem 1. Juni 2023 ist das EPG für alle Patentstreitigkeiten aus bestehenden nationalen europäischen Patenten in den teilnehmenden Mitgliedsstaaten zuständig. Für eine Übergangszeit von voraussichtlich sieben Jahren gibt es die Möglichkeit, die Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) auszuschließen (Opt-out). Während  dieser Zeit können Klagen wegen Verletzungen beziehungsweise auf Nichtigerklärung weiterhin bei den bisher zuständigen nationalen Gerichten erhoben werden. Mit einem Opt-Out-Antrag wird somit verhindert, dass Dritte vor dem EPG gegen das Patent vorgehen können. Dieser Antrag ist nur möglich, solange kein Patentstreitverfahren vor dem EPG anhängig ist. Der Opt-Out-Antrag kann einmal rückgängig gemacht werden (Opt-In), aber nur, wenn noch kein nationales Patentstreitverfahren anhängig ist. Ein zweiter Opt-Out ist dann nicht mehr möglich. 

Was ändert sich beim Europäischen Patentamt?

Seit dem 1. Juni 2023 können beim Europäischen Patentamt (EPA) Einheitspatente angemeldet werden, welche einheitlichen Schutz in den Staaten, die die Übereinkommen bereits ratifiziert haben (Stand 1.4.2023: 17, aktueller Stand gewährleisten. Hierzu wird wie bisher ein Europäisches Patent angemeldet. Nach dessen Erteilung ist es möglich, einen Antrag auf einheitliche Wirkung zu stellen. Dieser muss innerhalb eines Monats nach Erteilung des Patents beim EPA eingegangen sein. 

Vor- und Nachteile des neuen europäischen Einheitspatents und des einheitlichen Patentgerichts

Der Verwaltungsaufwand zur Anmeldung eines europäischen Patents wird durch das Einheitspatent reduziert, da mit dieser Validierung aktuell 17 Staaten der EU gemeinsam erfasst werden. Außerdem muss nicht mehr für alle Länder in denen angemeldet wird eine separate Übersetzung erfolgen und Gebühren an jedes nationale Patentamt entrichtet werden. Die Gebühren entsprechen etwa den Gebühren, die bisher für 4-5 Benennungen notwendig waren. Ob es Kostenvorteile gegenüber dem bisherigen Vorgehen gibt, hängt jedoch vom individuellen Anmeldeverhalten ab. 
Bei Auseinandersetzungen eines Einheitspatentes gilt nun jedoch der Grundsatz: „ganz oder gar nicht“. Das kann ein Vorteil sein, wenn es um die Durchsetzung des Patents gegen einen in ganz Europa tätigen Wettbewerber geht, jedoch ein Nachteil, wenn das Patent angegriffen und für nichtig erklärt wird.
Wer regelmäßig EP-Patente anmeldet oder EP-Patentanmeldungen im IP-Portfolio hält, sollte sich frühzeitig sorgfältig überlegen, wann die Validierung als Einheitspatent sinnvoll ist und in welchen Fällen ein Opt-Out-Antrag gestellt werden sollte. Der Austausch mit befreundeten Unternehmen, die Beratung durch Patentanwälte oder eine Diskussion im Rahmen eines individuellen  Patentcoachings kann dabei hilfreich sein.
Eine gute Übersicht bietet hier auch der Leitfaden zum Europäischen Einheitspatent des Europäischen Patentamts (EPO).