Fachartikel zur neuen Verordnung (EU) 2023/1115

Entwaldungsfreie Lieferketten

Autorin: Rechtsanwältin Dr. Julia Hörnig, GvW Graf von Westphalen | Rechtsanwälte und Steuerberater Partnerschaft mbB, Hamburg
Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten in Kraft – viele Branchen betroffen.
Die Verordnung (EU) 2023/1115 über entwaldungsfreie Lieferketten trat am 29. Juni 2023 in Kraft. Zwar folgt sie auf die EU-Holzhandelsverordnung, ihr Anwendungsbereich wurde allerdings umfassend über den Rohstoff Holz hinaus ausgedehnt und betrifft damit sogar die Automobil- und Modeindustrie in Teilen.

Anwendungsbereich

Die Verordnung (VO) ist auf bestimmte Rohstoffe oder Erzeugnisse anwendbar, die die Unternehmen in Verkehr bringen, ausführen oder bereitstellen wollen. Die VO umfasst die Rohstoffe Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Soja und Holz, sowie die in Anhang I der Verordnung mittels KN-Codes gelisteten Erzeugnisse. Die EU-Kommission betonte, dass die Listung der Erzeugnisse entscheidend sei, d.h. dass Seife mangels Listung nicht von der Verordnung erfasst wird, obwohl Seife ein herkömmliches Erzeugnis aus Ölpalmen ist.
Die VO gilt grundsätzlich ab dem 30. Dezember 2024. Für kleinere und mittlere Unternehmen bis zu einer Bilanzsumme von 20 Millionen, einem Nettoumsatzerlös von bis 40 Millionen Euro und sowie bis zu 250 Arbeitnehmer erst ab dem 30. Juni 2025.

Erlaubnis in drei Stufen

Das Inverkehrbringen, Bereitstellen oder Ausführen der relevanten Ware ist daran geknüpft, dass diese entwaldungsfrei ist, nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt wurde und dass die Unternehmen eine Sorgfaltserklärung bei der zuständigen Behörde – der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) oder u.U. auch den zuständigen Zollbehörden vorlegen.
Die Entwaldungsfreiheit wird durch die Verordnung definiert. Die EU Kommission betont, dass Entwaldung z.B. auch vorliegt, wenn ein Wald durch Naturkatastrophen zerstört und danach landwirtschaftlich genutzt wird.
Anders als noch in der EU-Holzhandelsverordnung sind die einzuhaltenden Rechtsvorschriften nicht rein forstbezogen, da auch die vorherige Zustimmung betroffener indigener Völker, Arbeitnehmerrechte, Menschenrechte sowie allgemein Steuer-, Korruptionsbekämpfungs-, Handels- und Zollvorschriften umfasst sind.
Der Inhalt der vorzulegende Sorgfaltserklärung wird in Anhang II der VO beschrieben. Darin muss neben den Angaben von umfassenden Geolokalisierungsdaten bestätigt werden, dass alle Sorgfaltspflichten gemäß der VO eingehalten wurden.

Sorgfaltspflichten

Die Sorgfaltspflichten ähneln jenen aus der Holzhandelsverordnung sowie denen des LkSG – u.a. eine Risikoanalyse und -minderung. Im Kern muss die Verlässlichkeit der Informationen zur Entwaldungsfreiheit und Rechtskonformität sichergestellt werden. Dies umfasst auch eine detaillierte Geolokalisierung jedes einzelnen Rohstoffes – sei es jede einzelne Sojabohne. Gerade für Schüttgut sollte auf bekannte Nämlichkeitssicherungen, z.B. versiegelte Container, zurückgegriffen werden, um eine Vermischung mit nicht-rechtskonformen Rohstoffen und Erzeugnissen zu vermeiden.
Wird kein vernachlässigbares Risiko der fehlenden Konformität festgestellt, sind Maßnahmen zur Risikominimierung zu ergreifen. Zentral sind dabei die geforderten umfassenden Compliance Strukturen.
Für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) gelten Ausnahmen. Sie dürfen die relevanten Erzeugnisse nur dann auf dem Markt bereitstellen, wenn sie im Besitz bestimmter Informationen sind.

Rechtsfolgen bei Verstößen

Neben Bußgeldern in einer Höhe von bis zu 4% des Jahresumsatzes, z. Zt. auch höher, besteht bei Verstößen gegen die VO ein Reputationsrisiko für die Unternehmen.
Unternehmen, gegen die Sanktionen verhängt werden, sollen auf der Internetseite der EU-Kommission veröffentlicht werden. Dabei können auch begründete Bedenken von Dritten behördliche Verfahren auslösen.
Des Weiteren drohen die Beschlagnahme und Aussetzung des Inverkehrbringens, Korrekturmaßnahmen, wie Produktrückrufe oder die abfallgerechte Entsorgung, sowie die Einziehung der relevanten Erzeugnisse und der Ausschluss von der öffentlichen Finanzierung oder von Ausschreibungen von bis zu 12 Monaten.

Fazit

Die neue Verordnung ist nicht lediglich eine Abänderung der Holzhandelsverordnung, sondern bringt weitgehende Erweiterungen hinsichtlich der erfassten Rohstoffe und Erzeugnisse. Der Verordnung verlangt den Unternehmen eine umfassende Lieferkettentransparenz und Informationsbeschaffung ab. Angesichts der massiven Konsequenzen für Unternehmen und des sehr knappen Zeitrahmens, sollte man sich mit der Export-Lieferketten-Compliance zeitnah auseinandersetzen.