Notgeschäftsführung nur in echten Notlagen

Das Oberlandesgericht Braunschweig (OLG Braunschweig) hat mit Beschluss vom 7. August 2025 wichtige Klarstellungen zur Bestellung eines Notgeschäftsführers getroffen. Der Fall zeigt, dass die Gerichte hier sehr strenge Maßstäbe anlegen und dieses Instrument nur in absoluten Ausnahmefällen greifen lassen.
15. September
Ausgangspunkt war eine GmbH, die ihre operative Tätigkeit längst eingestellt hatte. Das Gesellschaftsvermögen bestand im Wesentlichen aus zwei Immobilien und Restbeständen aus dem früheren Handel mit Antiquitäten. Die beiden Gesellschafter wollten das Vermögen auseinandersetzen. Eine der Beteiligten beantragte die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers. Das Amtsgericht wies den Antrag zurück, und auch die Beschwerde vor dem Oberlandesgericht blieb ohne Erfolg.
Zwar erkannte das Gericht, dass die Antragstellerin grundsätzlich antragsberechtigt war. Nach Paragraf 29 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann jeder, der ein berechtigtes Interesse daran hat, dass die Gesellschaft wieder handlungsfähig wird, einen Antrag stellen – dazu zählen auch die Gesellschafter selbst. Problematisch war hier jedoch die Gesellschafterliste. Nach Paragraf 16 Absatz 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) gilt im Verhältnis zur Gesellschaft nur derjenige als Gesellschafter, der in der zuletzt im Handelsregister aufgenommenen Liste geführt wird. Im konkreten Fall war die Antragstellerin dort nicht mehr eingetragen. Normalerweise wäre sie damit von der Antragsberechtigung ausgeschlossen. Das OLG stellte jedoch klar, dass sich die Gesellschaft nicht auf die Legitimationswirkung der Liste berufen darf, wenn sie diese in treuwidriger Weise eingereicht hat. Genau das war geschehen: Trotz einer gerichtlichen Untersagung und entgegen einem Prozessvergleich hatte die GmbH eine geänderte Gesellschafterliste beim Registergericht eingereicht. Ein solches Verhalten verstößt gegen Treu und Glauben (Paragraf 242 BGB). Für die Praxis bedeutet das: Ein Prozessvergleich steht in seiner Wirkung einer gerichtlichen Entscheidung gleich und entfaltet dieselbe Bindung.
Damit war zwar die Antragsberechtigung gegeben, die inhaltlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Notgeschäftsführers lagen jedoch nicht vor. Anders als im Aktienrecht (§ 85 Aktiengesetz (AktG)) enthält das GmbH-Gesetz keine ausdrückliche Regelung. In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass in entsprechender Anwendung des Paragaraf 29 BGB ein Notgeschäftsführer bestellt werden kann, wenn die Gesellschaft ohne Geschäftsführer handlungsunfähig wäre und ein dringender Fall gegeben ist. Diese Hürden sind hoch. Es reicht nicht, dass die Geschäftsführung unzweckmäßig oder treuwidrig agiert. Notgeschäftsführung ist ein Instrument für echte Notlagen – etwa wenn kein Geschäftsführer mehr vorhanden ist und ohne sofortiges Handeln erhebliche Nachteile drohen.
Im entschiedenen Fall ließ das OLG offen, ob tatsächlich kein Geschäftsführer vorhanden war. Jedenfalls fehlte es an der erforderlichen Dringlichkeit. Die bloße Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens reichte nicht aus, um einen Notfall im rechtlichen Sinne zu begründen.
Quelle: OLG Braunschweig, Beschluss vom 7. August 2025, Az. 3 W 6/24
Kristina Hirsemann
Bereich: Unternehmen und Standort
Themen: AGBs, Lebensmittelrecht, Vertragsrecht