Gute Erfahrungen mit Geflüchteten
Beim Thema Integration von ausländischen und geflüchteten Mitarbeitern ist die IHK an der Seite ihrer Mitgliedsbetriebe. Willkommenslotsin Charleen Thiele unterstützt. Zu ihren Aufgaben gehört es, gemeinsam mit Betrieben individuelle Anforderungsprofile zu erarbeiten, passende Bewerberinnen und Bewerber zu identifizieren und eine gezielte Vorauswahl zu treffen. Durch die Vermittlung von Praktika hilft sie jungen Menschen mit Flucht- oder Migrationserfahrung, eine fundierte Berufswahlentscheidung zu treffen. Auch bei ausbildungsvorbereitenden Maßnahmen wie Einstiegsqualifizierungen oder Bewerbungsgesprächen begleitet sie sowohl Unternehmen als auch Bewerber. Die Unterstützung reicht bis zum Abschluss eines Ausbildungs- oder Arbeitsvertrags – und darüber hinaus. Das Projekt Passgenaue Besetzung und Willkommenslotsen wird gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Die Spinnerei Forst setzt auf Geflüchtete im Betrieb, hier arbeiten eine Ukrainerin und ein Syrer.
In Sachen Ausbildung nimmt Ludwig Mehler kein Blatt vor den Mund: „Es ist heutzutage unheimlich schwierig, junge Leute zu finden, die überhaupt ausbildungsfähig sind“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Spinnerei Forst GmbH.
Als Hauptprobleme nennt er unter anderem mangelnde Pünktlichkeit und Teamfähigkeit sowie „die Unfähigkeit, sich mal einige Stunden vom Handy loszureißen“. Mehler berichtet von Fällen, in denen man die Ausbildung einseitig habe beenden müssen. „Es hat einfach nicht geklappt.“ Mancher Azubi sei stundenlang abgetaucht – „und das mehrfach, trotz eingehender Gespräche“. Gleichwohl sucht das Unternehmen weiterhin junge Leute – und streckt seine Fühler nun auch verstärkt nach Geflüchteten aus. Das liegt an den guten Erfahrungen, die Ludwig Mehler und sein Cousin Paulus Mehler mit Menschen aus Syrien, dem Iran oder auch der Ukraine gemacht haben.
Produktion aus einer Hand
Zum Hintergrund: Die beiden Bayern leiten sowohl das Unternehmen in der Lausitz als auch die Gebrüder Mehler GmbH im oberpfälzischen Tirschenreuth. Die Spinnerei Forst wurde 1994 gegründet und neu gebaut. Nachdem das Unternehmen Insolvenz anmelden musste, wurde es 2005 von der Tuchfabrik Mehler aufgekauft. Seitdem ist die Spinnerei eine hundertprozentige Tochtergesellschaft. Mit der Übernahme durch die Familie Mehler, die in elfter Generation Stoffe herstellt, ging eine Überholung des gesamten Maschinenparks einher, sodass bis heute „Garne und Zwirne von höchster Qualität“ produziert werden, wie Ludwig Mehler betont. In der Spinnerei werden Streichgarne aus Schafwolle und allen anderen Tierhaaren, wie zum Beispiel Cashmere, Angora, Kamel, Yak oder Alpaka, hergestellt. Auch Synthetikfasern wie Polyamid werden als Mischungen in Nischen eingesetzt. Die Produktion erfolgt – ausgehend vom Färben der Fasern – aus einer Hand. Aus dem fertigen Garn entsteht dann – 400 Kilometer entfernt – das Tuch. Die Meterware kommt unter anderem bei der Trachten-Herstellung zum Einsatz. Aber auch für die Fertigung von Dienstbekleidung in Hotels oder bei Fluggesellschaften ist sie gefragt. Weitere Anwendungen sind Möbelbezug als Innenaustattung für Hotels, Museen und Theater.
Bewerber dank Mund-zu-Mund-Propaganda
Ludwig Mehler ist als technischer Leiter von Montag- bis Donnerstagabend vor Ort in der Lausitz und kümmert sich um die Produktion. „Für den großen Erfolg und das Wachstum der Firma sind natürlich auch unsere rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort verantwortlich“, betont er. Zum Team gehören auch zwei Geflüchtete, eine Ukrainerin und ein Syrer.
„Sie sind im vierten Jahr bei uns und haben sich sehr gut eingefügt“, erzählt der Geschäftsführer. Anfangs hatten sie keinerlei Ahnung von der Textilbranche. „Das Anlernen an den Maschinen war aber überhaupt kein Problem.“
Eigentlich war Mehler davon ausgegangen, dass sich irgendwann die Behörden bei ihm melden würden, um Geflüchtete in Arbeit zu vermitteln.
„Doch es hat sich jahrelang nichts getan. Also sind wir selbst aktiv geworden.“ Man erkundigte sich bei befreundeten Unternehmen in der Nähe, die schon Menschen aus Krisenregionen beschäftigten. „Dank Mund-zu-Mund-Propaganda haben sich dann tatsächlich einige Kandidatinnen und Kandidaten beworben.“
An ihrem Stammsitz in Bayern haben die Mehlers bereits 2015 begonnen, Flüchtlinge zu beschäftigen. Inzwischen haben dort 20 von knapp 80 Mitarbeitenden einen entsprechenden Hintergrund.
„Zwei Syrer sind inzwischen sogar als Abteilungsleiter und Produktionsleiter tätig, allerdings verfügten Sie auch über eine entsprechende Ausbildung in Ihrem Heimatland.“ Allerdings seien Sprachbarrieren nicht zu unterschätzen. „Unser syrischer Mitarbeiter in Forst konnte anfangs nur ,Guten Tag’ auf deutsch sagen und verstehen.“
Bild: Viktoriia Yesiqenko und Ahmad Icndiher sind gut integriert in der Spinnerei Forst GmbH.
Um diesen Zustand möglichst schnell zu verbessern, setzte die Geschäftsleitung einmal mehr auf Eigeninitiative.
„Wir bieten schon seit geraumer Zeit auf unsere Kosten Deutschkurse an. Eine Lehrerin erteilt zweimal in der Woche Unterricht.“ Hinzu kommt Unterstützung bei Alltagsproblemen, etwa bei der Wohnungssuche. „In Tirschenreuth, aber auch in Forst sehen wir den Erfolg solcher Maßnahmen. Vor allem die Kinder unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind voll in die Gesellschaft integriert in Vereinen wie bei der Feuerwehr oder im Fußball und sprechen inzwischen perfekt Deutsch. Wir unterstützen die Familien damit Sie langfristig bleiben.“
Diesen Weg muss man nicht wie Ludwig Mehler alleine gehen, denn IHK-Willkommenslotsin Charleen Thiele unterstützt Betriebe frühzeitig bei der Besetzung von Ausbildungs- und Arbeitsstellen mit Geflüchteten oder Jugendlichen aus dem Ausland. Auch begleitet sie bei der anschließenden Integration in den betrieblichen Alltag. Einen besonderen Fokus legt sie dabei auf die rechtlichen Rahmenbedingungen und verwaltungstechnischen Abläufe.
„Ich unterstütze unter anderem bei der Vermittlung von Sprachkursen und stehe den Unternehmen bei formalen Abläufen sowie bei der langfristigen Integration in bestehende Teams zur Seite“, so Thiele.
Zukünftig wird auch auf internationale Mitarbeiter gesetzt
Ludwig Mehler setzt jedenfalls weiter auf internationale Mitarbeiter: „Wir würden uns sehr freuen, weitere Ukrainerinnen bei uns in Forst zu beschäftigen. Natürlich sind wir auch offen für Menschen aus anderen Nationen, das gilt für den Quereinstieg wie für die Ausbildung. In Forst bieten wir angehenden Maschinen- und Anlagenführern sowie neuerdings auch künftigen Mechatronikern Ausbildungschancen. Wer sich für kaufmännische Berufe interessiert, ist ebenfalls herzlich willkommen.“
Weltflüchtlingstag bei der IHK Cottbus
Am 20. Juni wurde anlässlich des Weltflüchtlingstages es im Innenhof der IHK Cottbus eine Matching-Veranstaltung mit Geflüchteten zum Thema durchgeführt.
Der Artikel von Daniel Boss ist nachzulesen im FORUM 06|2025