Lehrtätigkeit rechtssicher gestalten – Übergangsregelung bis 2026
Hintergrund: Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und Beschäftigung
Die rechtliche Einordnung von Lehrtätigkeiten als selbstständig oder sozialversicherungspflichtig beschäftigt stellt Bildungseinrichtungen wie Musikschulen, Hochschulen und Weiterbildungsträger seit Jahren vor große Herausforderungen. Zwar arbeiten viele Lehrkräfte auf Honorarbasis, doch kann sich aus der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit dennoch eine abhängige Beschäftigung ergeben – mit entsprechenden sozialversicherungsrechtlichen Folgen.
Besondere Aufmerksamkeit erlangte das sogenannte „Herrenberg-Urteil“ des Bundessozialgerichts vom 28.06.2022 (Az. B 12 R 3/20 R). Das Gericht stellte klar, dass entscheidend ist, ob eine Lehrkraft in die Abläufe der Bildungseinrichtung eingebunden ist – z. B. durch feste Unterrichtszeiten, vorgegebene Inhalte oder Anwesenheitspflichten. Diese „Eingliederung in die Arbeitsorganisation“ gilt als zentrales Kriterium für das Vorliegen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung.
Infolge dieses Urteils kam es ab Mitte 2023 vermehrt zu Statusfeststellungen und Beitragsnachforderungen durch die Deutsche Rentenversicherung und andere Sozialversicherungsträger – vielfach mit erheblichen finanziellen Konsequenzen für Bildungsträger.
Neue Übergangsregelung: § 127 SGB IV schafft vorübergehende Rechtssicherheit
Um den betroffenen Einrichtungen Zeit für Anpassungen zu geben und Rechtsunsicherheit zu vermeiden, wurde durch das am 1. März 2025 in Kraft getretene Gesetz ein neuer § 127 in das SGB IV eingefügt. Dieser sieht eine Übergangsregelung bis zum 31. Dezember 2026 für bestimmte Lehrtätigkeiten vor, bei denen ursprünglich von einer Selbstständigkeit ausgegangen wurde.
Kern der Regelung:
Lehrkräfte, die auf Honorarbasis tätig sind, gelten vorübergehend als selbstständig – auch wenn ihre Tätigkeit nach der aktuellen Rechtslage eigentlich als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung eingestuft würde. Voraussetzung ist, dass beide Seiten bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen sind und die Lehrkraft schriftlich zustimmt.
Lehrkräfte, die auf Honorarbasis tätig sind, gelten vorübergehend als selbstständig – auch wenn ihre Tätigkeit nach der aktuellen Rechtslage eigentlich als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung eingestuft würde. Voraussetzung ist, dass beide Seiten bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen sind und die Lehrkraft schriftlich zustimmt.
Was gilt konkret? – Voraussetzungen im Überblick
- Die Übergangsregelung betrifft Lehrtätigkeiten ab dem 01.07.2023 sowie laufende und zukünftige Verträge bis Ende 2026.
- Es muss sich um eine echte Lehrtätigkeit handeln (Vermittlung von Wissen oder praktischen Fertigkeiten).
- Bei Vertragsschluss muss einvernehmlich von Selbstständigkeit ausgegangen worden sein (z. B. Honorarvertrag, keine SV-Meldung).
- Die Lehrkraft muss schriftlich oder elektronisch zustimmen; eine mündliche Erklärung reicht nicht aus.
- Die Zustimmung gilt nur für das jeweilige Vertragsverhältnis, nicht pauschal für alle Tätigkeiten einer Lehrkraft.
- Kein rückwirkender Effekt, wenn bereits ein offizieller Bescheid zur Versicherungspflicht (z. B. ein Beitrags- oder Statusfeststellungsbescheid) vorliegt.
Fiktive Selbstständigkeit – und was das für Lehrkräfte bedeutet
Lehrkräfte, die unter die Übergangsregelung fallen und zugestimmt haben, gelten zwischen dem 01.03.2025 und dem 31.12.2026 rechtlich als fiktiv selbstständig.
Das bedeutet:
- Wenn sie keine eigenen sozialversicherungspflichtigen Mitarbeitenden beschäftigen, sind sie laut § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung.
- In diesem Fall besteht die Pflicht, sich bei der Deutschen Rentenversicherung zu melden (§ 190a SGB VI) und dort selbst Beiträge abzuführen.
- Wird mindestens ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt, entfällt diese Beitragspflicht.
Handlungsempfehlung für Bildungsträger
1. Bestehende Vertragsverhältnisse prüfen:
Liegt eine Lehrtätigkeit auf Honorarbasis vor und wurde keine Meldung zur Sozialversicherung gemacht, könnte die Übergangsregelung greifen.
Liegt eine Lehrtätigkeit auf Honorarbasis vor und wurde keine Meldung zur Sozialversicherung gemacht, könnte die Übergangsregelung greifen.
2. Zustimmung schriftlich einholen:
Die Lehrkraft muss explizit zustimmen, damit der Sozialversicherungsschutz aufgeschoben wird. Dies sollte als eigenes, gut dokumentiertes Schreiben erfolgen und in den Entgeltunterlagen archiviert werden.
Die Lehrkraft muss explizit zustimmen, damit der Sozialversicherungsschutz aufgeschoben wird. Dies sollte als eigenes, gut dokumentiertes Schreiben erfolgen und in den Entgeltunterlagen archiviert werden.
3. Zeitliche Grenze beachten:
Die Zustimmung kann auch nachträglich erklärt werden – allerdings nur, solange noch kein offizieller Bescheid zur Versicherungspflicht erlassen wurde. Ist bereits ein solcher Bescheid durch die Einzugsstelle oder Rentenversicherung bekannt gegeben worden, entfaltet eine spätere Zustimmung keine Wirkung mehr.
Die Zustimmung kann auch nachträglich erklärt werden – allerdings nur, solange noch kein offizieller Bescheid zur Versicherungspflicht erlassen wurde. Ist bereits ein solcher Bescheid durch die Einzugsstelle oder Rentenversicherung bekannt gegeben worden, entfaltet eine spätere Zustimmung keine Wirkung mehr.
Fazit: Übergangszeit nutzen – Modelle rechtssicher gestalten
Der neue § 127 SGB IV schafft für Bildungsträger und Honorarkräfte eine dringend benötigte Übergangsregelung, um kurzfristig Beitragsforderungen zu vermeiden und gleichzeitig Zeit zu gewinnen. Bis Ende 2026 können betroffene Einrichtungen ihre Vertragsmodelle überarbeiten und prüfen, ob Lehrkräfte künftig abhängig beschäftigt oder über klar definierte, rechtssichere Selbstständigkeitsmodelle eingebunden werden sollen.