IHK Berlin

IHK Berlin zu aktuellen Corona-Beschlüssen: Vertrösten ist noch keine Perspektive

Bei der gestrigen Sitzung der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin ist es erneut nicht gelungen, konkrete Pläne für den geordneten Wiedereinstieg in den vom Lockdown betroffenen Branchen vorzulegen.  Besonders schwer wiegt die Tatsache, dass weiterhin keine Richtschnur erkennbar ist, die der Wirtschaft eine Perspektive zur Wiedereröffnung ermöglicht. Die aktuellen Verordnungen im Lockdown benachteiligen dabei einseitig einzelne Branchen und Händlergruppen.

IHK-Präsidentin Beatrice Kramm: 
„Eines vorweg: Dass angesichts der unsicheren infektiologischen Lage weiterhin grundsätzliche Vorsicht geboten ist, stellt auch die Wirtschaft nicht in Frage. Keinem Unternehmen wäre geholfen, wenn die Inzidenzen in wenigen Wochen wieder explodieren und der nächste Lockdown droht. Fakt ist aber auch: Die Politik riskiert derzeit gleich auf mehreren Ebenen das Vertrauen der Wirtschaft. Das Vertrösten auf den 7. März ist noch keine Perspektive. Dabei hatte die Politik bereits im vergangenen Oktober versprochen, dass es keinen erneuten Lockdown ohne Wiedereröffnungspläne geben würde. Nun passiert seit Monaten genau das und gerade für die Unternehmen im totalen Lockdown und deren Beschäftigte ist dieses Hangeln von Termin zu Termin eine immer größere Zumutung.
Hinzu kommt: Hilfen, die angekündigt aber nicht zügig ausgezahlt werden, helfen nicht. Zwei Monate nach dem Lockdown soll es nun ab nächster Woche weitere Abschlagszahlungen geben. Aber Abschlagszahlungen sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein – es braucht jetzt die vollständige Auszahlung der Kompensationsleistungen. Genauso müssen auch endlich die Förderlücken geschlossen werden, zum Beispiel für neugegründete Betriebe, für Unternehmen, die 2019 aufgrund großer Investitionsleistungen weniger Umsatz erwirtschaftet haben oder für Personen, die auf den Unternehmerlohn angewiesen sind.
Und nicht zuletzt darf die Politik in der Diskussion um Inzidenzwerte nicht aus dem Fokus verlieren, warum wir uns alle gemeinsam diesen Einschränkungen unterwerfen: Es geht darum zu verhindern, dass das Gesundheitssystem kollabiert. Die politisch Verantwortlichen müssen deshalb fortlaufend prüfen: Haben wir genug getan, um die Gesundheitsämter zu stärken und die Nachverfolgung der Kontakte zu verbessern, schöpfen wir die Testmöglichleiten wie Schnelltests ausreichend aus, um Ansteckungsketten zu unterbinden und Perspektiven zu ermöglichen? Überprüfen wir die Einhaltung der Quarantäne-Vorgaben oder wo müssen wir schärfer durchgreifen? Wo gibt es in Deutschland aber auch international Best-Practice-Beispiele, von denen wir lernen können. Und was bringt eine Corona-Warn-App, die den Datenschutz höher bewertet als den Gesundheitsschutz?
Aus Sicht der Berliner Wirtschaft ist es deshalb höchste Zeit, dass die Politik sich um die Zukunft kümmert und gemeinsam mit den Expertinnen und Experten aus den Branchen konkrete Lösungen erarbeitet. Es gibt dazu bereits diverse Konzepte, diese müssen fortlaufend geprüft und – wo möglich – umgesetzt werden. Schließlich zeigen die Beispiele der aktuell geöffneten Betriebe, dass Verantwortung und Hygienekonzepte funktionieren.“ 
Im vergangenen Jahr hat ein Großteil der Branchen und Unternehmen in Berlin erhebliche Investitionen getätigt, um anspruchsvolle Hygienekonzepte in den Betriebsablauf zu implementieren. Die Unternehmen haben in Lüftungsanlagen, Trennwände und weitere Maßnahmen investiert, um auch unter steigenden Infektionszahlen weiter wirtschaften und den Kunden eine sichere Umgebung bieten zu können. Trotz dieser Bemühungen der vergangenen Monate erteilt die Politik der Wirtschaft bei der Planung für einen konkreten Öffnungsplan abermals eine Absage, ohne gleichzeitig Alternativvorschläge oder einen Plan B zu vorzustellen. Damit wird das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen in die Krisenbewältigung zunehmend auf die Probe gestellt.

Die IHK Berlin fordert daher:
  • Wirtschaft braucht jetzt klare Szenarien für die Wiedereröffnung und muss bei der Entwicklung von Öffnungsplänen eng eingebunden werden
    Die Wirtschaft beweist sein einem Jahr, dass sie in der Lage ist, branchenspezifische Hygienekonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Dieses Engagement bleibt in den Debatten um Wiederöffnungsszenarien derzeit unberücksichtigt. Die Politik muss die jeweilige Branchenexpertise gezielt einbinden und den Unternehmen faire Chancen für das wirtschaftliche Eröffnungen ermöglichen. Dabei müssen die Öffnungen diskriminierungsfrei erfolgen und für alle Branchen und Unternehmen gleichermaßen gelten, solange Abstandsreglungen und Hygienemaßnahmen verlässlich umsetzbar sind.
  • Berlin muss auf Sonderwege verzichten und auf ein Gesamtkonzept aller Länder pochen
    Berlin und Brandenburg haben sich zwar vorgenommen, gemeinsame Beschlüsse für Lockerungen oder Beschränkungen vorzulegen, doch nicht zuletzt die Debatte um die schärfere Homeoffice-Regelung in Berlin oder die unterschiedlich strenge Auslegung der Bund-Länder Beschlüsse beim Einzelhandel zeigen, dass immer wieder landesspezifische Vorgaben entwickelt werden, die sich nicht aus der Infektionslage ableiten lassen. Gerade im Metropolraum führen diese Sonderwege zu Wettbewerbsverzerrungen.
  • Es gibt keine Pandemiebekämpfung ohne die Gesundheitsämter!
    Zentraler Erfolgsfaktor für die Pandemiebekämpfung ist weiterhin die Leistungsfähigkeit der verantwortlichen Behörden. Die Gesundheitsämter müssen Ansteckungsketten nachverfolgen und unterbrechen können. Quarantäne-Vorgaben sind durch das Ordnungsamt zu kontrollieren und Verstöße zu ahnden. Erfolge anderer Regionen sind als Best-Practice-Beispiele in den eigenen Umgang mit der Pandemie zu integrieren. Und nicht zuletzt gilt es, die Möglichkeiten um die Corona-Warn-App und weitere digitale Lösungen in diesem Bereich zu nutzen und kontinuierlich zu verbessern.
  • Keine Generation an Corona verlieren!
    Die Doppelbelastung aus beruflicher Tätigkeit und Kinderbetreuung ist für viele Erwerbstätige eine große Belastung. Hinzu kommen die volkswirtschaftlichen Einbußen durch den Verlust an geleisteten Arbeitsstunden. Genauso wichtig wie die Frage, wann die Schulen aus epidemiologischer Sicht wieder geöffnet werden können,  sind gute Konzepte, wie die Schülerinnen und Schüler den fehlenden Schulstoff in den Kernfächern sicher aufholen können. Hierzu bedarf es dringend eines Fahrplans. Außerdem darf die Berufsorientierung an den Schulen nicht aus den Augen verloren werden. Matchingangebote zwischen Betrieben und potenziellen Auszubildenden müssen daher weiterhin genauso unterstützt werden wie Ausbildungsbetriebe, die trotz der katastrophalen Lage an ihrer Verantwortung im Kampf gegen den Fachkräftemangel festhalten.
Nicht nur Hilfen in Aussicht stellen, sondern auch auszahlen!
Das Hilfsnetz für die Betriebe muss engmaschiger werden. Vor allem die Kleinstbetriebe und die Soloselbstständigen dürfen nicht weiter durch das Bedarfsraster fallen. Daneben ist es dringend notwendig, gerade den Kleinstbetrieben im Bürokratiedschungel zu helfen und deswegen die Beratungsförderung auszuweiten. Genauso ist es jetzt geboten, die bürokratischen Anforderungen bei den Hilfsprogrammen zu entschlacken.