IHK Berlin

IHK zum Doppelhaushalt 2024/25: Unzureichende Balance zwischen Zukunftsinvestitionen und nachhaltiger Haushaltsführung

Am Donnerstag will das Berliner Abgeordnetenhaus den Doppelhaushalt für die Jahre 2024/25 beschließen. Aus Sicht der Wirtschaft bringt der Haushalt enorme Unsicherheiten für den Standort mit sich, da erkennbare Schwerpunkte auf standort- und damit zukunftsrelevante Investitionen fehlen und gleichzeitig Sparauflagen sowie langfristige Finanzierungszusagen ausbleiben. Einsparungen könnten dagegen u.a. durch den Verzicht auf Wahlgeschenke wie das 29-Euro-Ticket und den Abbau von Bürokratie erzielt werden, was nicht nur die Wirtschaftsentwicklung beschleunigen, sondern auch die Verwaltungskosten senken würde.
Sebastian Stietzel, Präsident IHK Berlin:
„Berlin steht vor der großen Herausforderung, in Zeiten multipler Krisen eine Balance zwischen Zukunftsinvestitionen und nachhaltiger Haushaltsführung zu finden. Dieser Aufgabe wird der Doppelhaushalt 2024/25 leider nur in Teilen gerecht. Dass der Haushalt für die kommenden beiden Jahre ein Rekordvolumen umfasst, ist nur durch erhebliche, jedoch noch weitgehend undefinierte Sparauflagen, das vorläufige Stoppen sämtlicher langfristiger Finanzierungszusagen sowie das Aufbrauchen aller noch vorhandenen Rücklagen möglich. Dieses Vorgehen schafft aus Sicht der Wirtschaft enorme Unsicherheiten für den Standort.
Gleichzeitig ist bei den Ausgaben für die kommenden beiden Jahre kein erkennbarer Schwerpunkt auf standort- und damit zukunftsrelevante Investitionen zu erkennen. Zwar gibt es im neuen Haushalt etwa mit der personellen Aufstockung des Landesamtes für Einwanderung oder dem Aufbau eines Digitalen Bürgeramts auch eine Reihe von begrüßenswerten Maßnahmen. Insgesamt fehlt es dem Haushalt aus Sicht der Wirtschaft aber an einem umfassenden Fokus auf Investitionen in Bildung als Zukunftsmotor der Stadt, auf die adäquate Ausstattung der Verwaltung und eine den Bedürfnissen einer Metropole angemessenen Infrastruktur. 
Gespart werden könnte aus Sicht der Wirtschaft dagegen durch den Verzicht auf Wahlgeschenke wie das gut eine halbe Milliarde Euro teure 29-Euro-Ticket sowie durch Bürokratieabbau. Das würde nicht nur die Wirtschaftsentwicklung beschleunigen, sondern auch die Verwaltungskosten senken. Sinnvoll ist der Schritt, die Entscheidung über das geplante Sondervermögen zum Klimaschutz von der Entscheidung über den Doppelhaushalt zu trennen. Bei einer finanzpolitisch so folgenreichen Entscheidung müssen sich alle Akteure darauf verlassen, dass der Beschluss rechtssicher und verlässlich ist.“
Bildung und Wissenschaft
Es ist unverständlich, warum mit Blick auf das äußerst ambitionierte Berlin Ziel, bis 2025 2.000 zusätzliche Ausbildungsverträge zu schaffen, die Landesmittel zur Förderung der Berufsausbildung für die nächsten zwei Jahre um über eine Million gekürzt werden. Dabei bräuchte es diese Mittel, um Betriebe dabei zu unterstützen, vermehrt auch jungen Erwachsene mit weniger guten Startbedingungen eine Chance zu geben und diese erfolgreich zum Abschluss zu führen.
Ebenso unverständlich ist die Mittelkürzung für das Institut für Angewandte Forschung (IFAF) um 600.000 Euro pro Jahr, obwohl im Koalitionsvertrag eine Weiterentwicklung des Instituts angekündigt wurde.
 
Verwaltung und Digitalisierung
Seit Jahren warten Berliner Unternehmen auf Modernisierungserfolge in der Verwaltung. Dass der Haushaltsentwurf erstmals Budget für den Aufbau eines Digitalen Bürgeramts, die Schaffung eines Berlin Data Hubs und die Erstellung des Digitalen Zwillings bereitstellt, ist vor diesem Hintergrund zu begrüßen. Zu kritisieren ist hingegen, dass im neuen Haushalt Mittel fehlen, um zum einen die Gebäudeinfrastruktur in Berlins Behörden im Kontext der Verwaltungsmodernisierung zu ertüchtigen und um zum anderen innovative Vergabe- und Beschaffungsprozesse zu etablieren.
Die Weiterfinanzierung der Open Data Informationsstelle (ODIS) ist zu begrüßen – auch wenn für diese Maßnahme das Budget aus Sicht der Wirtschaft sehr knapp bemessen ist. Auf die im Haushalt vorgesehene Prüfung eines zusätzlichen landeseigenen IT-Dienstleisters kann aus Sicht der Wirtschaft verzichtet werden – hierdurch werden lediglich weitere Komplexität und Doppelstrukturen geschaffen.
 
Stadtentwicklung und Verkehr
Die fehlende Prioritätensetzung setzt sich vor allem im Bereich der Stadtentwicklung und dem Verkehr fort. Anstatt die Mittel für den Ausbau des ÖPNV erkennbar aufzustocken, werden mit dem Haushalt Wahlgeschenke wie das 29-Euro-Ticket für 450 Millionen Euro und das Jubiläum zum 100-jährigen Bestehen der Berliner S-Bahn finanziert. Zu begrüßen ist dagegen die Aufstockung der Marketing-Mittel, um den BER für Airlines attraktiver zu machen.
Beim Thema Wohnungsbau werden zwar im Haushalt die vorgesehenen Aufwendungen für die Wohnraumförderung erheblich angehoben. Damit diese Summen allerdings auch tatsächlich in Anspruch genommen werden können, ist grundsätzlich die Förderstruktur zu erneuern.
Schade ist auch, dass der Haushalt keine Mittel für die Prüfung einer Expo-Bewerbung zur Verfügung stellt, obwohl dies im Koalitionsvertrag angekündigt worden war.
 
Fachkräftesicherung
Rund 70 Prozent der Berliner Unternehmen sehen im Fachkräftemangel ihr größtes Geschäftsrisiko. Vor dem Hintergrund einer steigenden Anzahl an Unternehmen, die Fachkräfte aus dem Ausland attrahieren wollen, ist die geplante Personalaufstockung beim Landesamt für Einwanderung entsprechend zu begrüßen. Was aus Sicht der Wirtschaft im neuen Haushalt fehlt, ist ausreichend Budget, um die Entwicklung einer gemeinsamen Fachkräftestrategie mit Brandenburg voranzutreiben, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken und das Erwerbspotenzial von Menschen mit Behinderung zu erhöhen.