IHK Berlin

IHK-Unternehmensumfrage: Berliner Außenwirtschaft stabiler als der Bund – Brexit deutlich spürbar

Nachdem der Außenhandel in Berlin in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen ist, hatten die international tätigen Berliner Unternehmen infolge der Corona-Pandemie zuletzt einen Exportrückgang von 5,5 Prozent zu verzeichnen. Insgesamt zeigt sich die Hauptstadt damit aber stabiler als der Bund. Wichtigste Wirtschaftspartner sind weiterhin Nordamerika, Asien und Europa. Deutlich spürbar sind die Folgen des Brexits: Fast jedes zehnte Unternehmen hat seine Geschäftsbeziehungen mit UK eingestellt. Zudem wird dessen Wirtschaftsentwicklung mehrheitlich negativer als in anderen europäischen Märkten bewertet. Dies ergab eine aktuelle IHK-Umfrage zur Außenwirtschaft. Aus Sicht der Wirtschaft ist es nun dringend erforderlich, dass der Senat von Berlin die Zusammenarbeit mit der EU vertieft sowie das Förderprogramm für Internationalisierung bekannter und zugänglicher gestaltet, um die Erfolge der Berliner Außenwirtschaft fortzuführen und für die Zukunft abzusichern.
Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin: „Nachdem mittlerweile Licht am Ende des Corona-Tunnels zu sehen ist und die Berliner Unternehmen den Re-Start im internationalen Geschäft angehen, kommt unsere Außenwirtschaftsumfrage zur rechten Zeit. Die Umfrageergebnisse geben einerseits Anlass zur Hoffnung, denn die Berliner Außenwirtschaft schaut zuversichtlich in ihre wichtigsten Absatzmärkte über den Atlantik und nach Fernost. Andererseits zeigen die Ergebnisse auch, dass die Berliner Außenwirtschaftsförderung noch nicht auf die neuen Rahmenbedingungen in der Weltwirtschaft nach Corona eingestellt ist, um den angestrebten Wiederaufschwung im Auslandsgeschäft nachhaltig zu stützen. Es braucht in nächster Zeit neben strategischen Initiativen des Senats für die Zukunftsmärkte der Berliner Wirtschaft vor allem eine Auffrischung des Förderprogramms für Internationalisierung mit neuen Fördermaßnahmen und einer breiten Informationskampagne. Die Unternehmen können jeden Rückenwind gebrauchen, der ihr Auslandsgeschäft nach Corona wieder nach vorne bringt.”

Isabel Riele, Prokuristin der Robert Riele GmbH & Co. KG und Mitglied im IHK-Ausschuss Internationalisierung: „Auch wir mussten zuletzt unsere Liefer- und Logistikketten umbauen. Das war für alle eine enorme Herausforderung, schließlich exportieren wir weltweit regelmäßig in bis zu 40 Länder. Wichtig ist für uns international tätige Unternehmen in Berlin, dass wir im globalen Wettbewerb wieder auf die vorderen Startplätze kommen, sobald die internationalen Geschäfte in der Zeit nach Corona wieder volle Fahrt aufnehmen. Dafür brauchen wir die richtigen politischen Rahmenbedingungen. Aus Sicht der Unternehmen gehören deshalb sowohl eine strategische als auch eine maßnahmenorientierte Schärfung der Berliner Außenwirtschaftsförderung dringend auf die To-Do-Liste der Politik.“

Die wichtigsten Umfrageergebnisse im Überblick:

  • Gute Konjunktur in Nordamerika und Asien, mäßige Geschäfte in Europa und Russland: Etwa 40 Prozent der in Nordamerika bzw. Asien aktiven Unternehmen machen dort aktuell gute Geschäfte. Die Geschäfte in Europa bzw. Russland werden jeweils nur von mehr als 25 Prozent der dort wirtschaftlich tätigen Unternehmen als gut beurteilt werden. In Asien wird insbesondere Chinas Konjunktur regional überdurchschnittlich gut von den Unternehmen bewertet, in Europa laufen die Geschäfte überdurchschnittlich gut in der Schweiz.
  • Hervorragende Wirtschaftsaussichten in Nordamerika und Asien, moderate Unternehmenserwartungen für Europa, Russland-Perspektiven trübe: Rund 70 Prozent der Unternehmen erwarten mittelfristig in Nordamerika und in Asien die beste Wirtschaftsentwicklung. Mit etwas Abstand dahinter wird für Europa von rund 58 Prozent der Unternehmen eine positive Wirtschaftsentwicklung erwartet. Für die Wirtschaft Russlands erwartet nur etwas mehr als 30 Prozent der Unternehmen eine verbesserte Entwicklung.
  • Post-Brexit-Geschäfte zwischen Stagnation und Verschlechterung: Für mehr als 30 Prozent der im Vereinigten Königreich aktiven Unternehmen blieb das Geschäft nach dem Brexit unverändert, für ebenfalls mehr als 30 Prozent der Unternehmen haben sich die Geschäfte mit dem Vereinigten Königreich jedoch verschlechtert oder stark verschlechtert. Fast 10 Prozent der in der UK tätigen Unternehmen haben ihre Geschäftsbeziehungen seit dem Brexit dort eingestellt.
  • Neue Rahmenbedingungen im Warenverkehr belasten UK-Geschäft, kaum Investitionsverlagerungen: Durch den Austritt des Vereinigten Königreichs aus dem EU-Binnenmarkt und aus der Zollunion sehen fast 70 Prozent der dort aktiven Unternehmen ihr Geschäft durch die entstandene Zollbürokratie beeinträchtigt, jeweils rund 55 Prozent der Unternehmen sehen die größten Hemmschwellen in neuen Logistikproblemen und rechtlichen Unsicherheiten. Immerhin haben mehr als 80 Prozent der Unternehmen nach dem britischen EU-Austritt keine Investitionsverlagerungen vorgenommen.
  • Weniger Geschäftsreisen, weniger Messen und Aufträge, mehr Lieferkettenprobleme -  internationale Unternehmen auf breiter Front von Corona-Folgen betroffen:
    Im Zuge der Corona-Pandemie nennen 70 Prozent der Unternehmen die globalen Reiseeinschränkungen als größtes Hindernis für ihr internationales Geschäft, da dies nach Angabe der Unternehmen unter anderem die Akquise von Neugeschäften behindert. Fast 70 Prozent der Unternehmen sehen sich durch die Absage von internationalen Messen und Veranstaltungen beeinträchtigt. Fast 40 Prozent der Unternehmen verzeichnen Corona-bedingt eine geringere Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen. Ebenso viele Unternehmen haben mit Problemen in ihren Lieferketten und in der Logistik zu kämpfen. Die Unternehmen wiesen diesbezüglich unter anderem auf fehlende Frachtkapazitäten in der Luftfracht aufgrund international eingeschränkter Flüge sowie auf weltweite Störungen der Seefracht-Logistik hin.
  • Internationale Events, Vernetzungsprojekte und Messen sind die relevantesten Förderangebote: Für fast die Hälfte der befragten Unternehmen sind im Rahmen der Außenwirtschaftsförderung internationale Veranstaltungen und Konferenzen in Berlin relevante Förderformate. Mehr als 40 Prozent der Unternehmen bewerten die Beteiligung an geförderten internationalen Vernetzungsprojekten, beispielsweise über Branchennetzwerke, als sinnvoll.
  • Berliner Förderprogramm für Internationalisierung und Berliner Wirtschaftsbüros im Ausland kaum bekannt und wenig genutzt: Mehr als 80 Prozent der befragten Unternehmen ist das Berliner Internationalisierungsprogramm nicht bekannt. Von den Unternehmen, denen das Programm bekannt ist, wurde es lediglich in 30 Prozent der Fälle genutzt. Die vom Land Berlin betriebenen Wirtschaftsbüros in Peking, China und in New York, USA sind 30 Prozent der Unternehmen bekannt und wurden von diesen bislang in weniger als 20 Prozent der Fälle genutzt.

Die wichtigsten Forderungen der Berliner Außenwirtschaft:

  • Außenwirtschaftsförderung: Das Programm für Internationalisierung des Landes Berlin sollte kritisch auf seine Bekanntheit und Nutzbarkeit für die Unternehmen geprüft und angepasst werden. Dies sollte durch eine flankierende Marketingkampagne unterstützt werden. Zudem müssen neue förderbare Maßnahmen, wie länderspezifische Beratungsleistungen und Marktstudien vor Ort in das Internationalisierungsprogramm aufgenommen werden. Darüber hinaus sollte die Arbeit der Auslandsbüro evaluiert und der Service für die Unternehmen ggf. erweitert werden.

  • Zielmärkte: Das Berliner Internationalisierungskonzept sollte einer grundlegenden Neubewertung unterzogen werden. Insbesondere der Förderrahmen mit dem bisherigen Fokus auf die Top-4-Zielmärkte China, Polen, UK und USA sollte auf weitere, noch weniger erschlossene, aber erfolgsversprechende Zukunftsmärkte ausgeweitet werden. Um die für die Berliner Unternehmen wichtigsten Wirtschaftspartner China, die ASEAN-Region in Südostasien und die EU noch besser erschließen zu können, sollte der Berliner Senat jeweils eine konkrete Regionalstrategie entwickeln.


Hinweis: In der beigefügten Pressemitteilung finden Sie auch einige ausgewählte Grafiken zur IHK-Außenwirtschaftsumfrage. Darüber hinaus sind ergänzende Informationen mit Zahlen und Tabellen zu den Importen und Experten der Berliner Außenwirtschaft in Corona- und Post-Brexit-Zeiten sowie ein Statement von Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin zu den Auswirkungen des Brexits auf den Berliner Außenhandel angehangen.