Editorial

Wirtschaft und Gesellschaft auf dem Prüfstand

Die Sorgen aus dem Winter 2022/23 sind zum Glück nicht Realität geworden. Eine Mischung aus geringerem Verbrauch und entschlossenem politischen Gegensteuern hat uns unabhängiger von russischen Energieimporten gemacht und die Wirtschaft gut über diese schwere Zeit gebracht. Darauf können wir zu Recht stolz sein. Viel ist jedoch heute nicht mehr zu sehen vom vielbeschworenen „Deutschland-Tempo“, mit dem innerhalb von zehn Monaten das erste LNG-Terminal eröffnet werden konnte. Im Gegenteil: Seit Ende des Jahres 2023 erleben wir eine bundespolitische Debatte, die spätestens seit dem Bundesverfassungsgerichts-Urteil zum Haushalt im Dauerkrisenmodus steckt. Dass sich die gesellschaftspolitische Debatte darüber hinaus weiter verschärft und manch einer den Traum von Abschottung, Intoleranz und weniger Vielfalt weiter träumt, ist aus Sicht der großen Mehrheit der Berliner Unternehmerinnen und Unternehmer ganz bestimmt der falsche Weg. 
Insgesamt war 2023 für Berlin ein politisch bemerkenswertes Jahr. Zur Wiederholungswahl im Februar konnten wir den politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern einen breiten Forderungskatalog der Wirtschaft mit auf den Weg geben. Die Verwaltungsmodernisierung muss dringend beschleunigt werden, der Wohnungsbau braucht Tempo und die Bildungspolitik muss ihrer Aufgabe gerecht werden, allen jungen Berlinerinnen und Berlinern eine gute Schulbildung zu ermöglichen. Die Wahl hatte es in sich. Kräftiges Stühlerücken im Senat mit einem neuen Regierenden Bürgermeister, das bedeutet auch für die Wirtschaft neue Ansprechpartner, andere Debatten und hoffentlich auch: neue Impulse für die Berliner Unternehmen. Nach der Wiederholungswahl erteilten die Berlinerinnen und Berliner dem Klimavolksentscheid eine Absage. Aus unserer Sicht der richtige Weg. Nicht, weil die Wirtschaft Klimaschutz als Investitionshemmnis versteht – ganz im Gegenteil! Sondern weil es wichtig ist, diesen Weg politisch entschieden und mit klaren, aber realistischen Zielvorgaben zu gestalten.
Zum Thema Verwaltungsmodernisierung haben wir mit großer Freude den Worten des Regierenden Bürgermeisters in der IHK-Vollversammlung gelauscht, der das „Machen“ dem „Wollen“ voranstellte. Diesem unternehmerischen Spirit schließen wir uns natürlich an! Um so wichtiger, dass die Verwaltungsreform im Jahr 2024 auch wirklich konkret wird. Die Weichen sind gestellt, und in einem Jahr werden wir wissen, ob es wirklich etwas zu feiern bei diesem unglücklichen Dauerbrenner der Berliner Politik gibt. Wenig zu feiern gab es zweifellos in den vergangenen Jahren in der Bildungspolitik. Dass auch der neue Senat die Scherben dieser Politik den Unternehmen vor die Tür kehrt und „Ausbildungsumlage“ draufschreibt, hätten wir uns sicherlich anders gewünscht. Immerhin: Im Bündnis für Ausbildung wurde festgehalten, dass die Umlage ultima ratio bleibt und alle Partner aufgefordert sind, sich entschlossen dem Ziel zu widmen, 2.000 neue Ausbildungsverträge in den kommenden zwei Jahren abzuschließen. Mit unserer Ausbildungsoffensive werden wir als IHK unserer Verantwortung dabei in vollem Umfang gerecht. Und auch bildungspolitisch haben wir im Jahr 2023 mit dem Zukunftsforum „Wirksame Bildung“ ein weithin sichtbares Zeichen in der Berliner Bildungslandschaft gesetzt. 
Was war sonst? Das „Festival der Berliner Wirtschaft“, unsere umfangreichen digitalpolitischen Forderungen, ein erstes KMU-Büro an einer Berliner Hochschule, unsere Jobmesse „Future Together“ für Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung – bevor wir ins Schwärmen geraten, blättern Sie lieber weiter und machen Sie sich selbst ein Bild! Wir wünschen Ihnen eine spannende und anregende Lektüre.
Unterschrift-Stietzel
Sebastian Stietzel
Präsident
Unterschriften-Eder
Jan Eder
Hauptgeschäftsführer