Leistungsfähige digitale Infrastruktur ist ein Grundbedürfnis von Wirtschaft und Gesellschaft. Ohne ein flächendeckendes Glasfaser- und 5G Mobilfunknetz können Unternehmen und Gesellschaft nur unzureichend an der Digitalisierung teilhaben.
Im Juni 2021 hat der Berliner Senat eine Gigabitstrategie verabschiedet, mit der diese Lücke schnellstmöglich geschlossen und der marktgetriebene Ausbau besser koordiniert werden soll. Über den Gigabitausbau hinaus muss Berlins digitale Infrastruktur die Basis für eine nachhaltige, resiliente und leistungsstarke Smart City bilden.
Für 53 % der Berliner Unternehmen muss der Breitbandausbau zu den Prioritäten der Landesregierung zählen. (Quelle: IHK -Digitalisierungsumfrage)
Die Umsetzung der Gigabitstrategie verläuft aktuell positiv. Der Gigabit-Lenkungskreis sowie die nachgelagerten Arbeitskreise für den Breitband bzw. den 5G-Mobilfunkausbau haben sich bewährt und starke Kooperationsstrukturen geschaffen, in denen Telekommunikationsunternehmen und Verwaltung gemeinsam den privatwirtschaftlich getriebenen Ausbau effizient koordinieren. Nachdem das Ziel eines flächendeckenden gigabitfähigen Netzes in Berlin nahezu erreicht ist, bewegen wir uns nun in der deutlich herausfordernden Phase der Strategie: Mit dem Ziel einer Glasfaserabdeckung von 100 % bis 2028 gehen erhebliche Baumaßnahmen einher.
Antrags- und Genehmigungsverfahren
Der daraus resultierende Anstieg an Anträgen lässt sich nur bewältigen, wenn die Verfahren in den Bezirken weiter deutlich beschleunigt und harmonisiert werden. Die Bezirke sollten die hierfür notwendige Unterstützung und Ressourcen erhalten – auch mit Blick auf den neuen Doppelhaushalt 2024/25. Bei dem bereits digitalisierten Antrags- und Genehmigungsverfahren sind punktuelle Verbesserungspotenziale sowie die Anbindung an weitere Fachverfahren zu prüfen, damit die Antragsstellung und -bearbeitung noch effizienter gestaltet werden.
Baustellenkoordinierung verbessern
Außerdem ist eine verbesserte Baustellenkoordinierung ein zentrales Element zur Beschleunigung des Glasfaserausbaus. Es gilt, Synergien zwischen Infrastrukturträgern (Strom, Wasser, Wärme, Gas) bei der Baustellenplanung zu stärken. Bezirke und Infrastrukturbetreiber müssen dafür noch konsequenter die vorhandenen Plattformen wie den Baustellenatlas und infrest nutzen.
In Berlin wächst der Markt für Rechenzentren rasant. Viele internationale Marktführer haben sich in Berlin niedergelassen. Weitere hochmoderne Rechenzentren mit immenser Kapazität sind in den nächsten Jahren in der Stadt und im Umland geplant. Gleichzeitig verschärfen Rechenzentren die ohnehin starke Knappheit an innerstädtischen Gewerbeflächen.
Metropolraummanagement für Rechenzentren
Bei der Ansiedlung von derart flächenintensiven Projekten sind daher ein effizientes Metropolraummanagement und die enge Kooperation mit dem Land Brandenburg unerlässlich. Die Ansiedlung von Rechenzentren muss Bestandteil eines breit abgestimmten und akzeptierten Leitbildes für die Weiterentwicklung der Metropolraumregion sein und in einem kooperativen Planwerk Berlin-Brandenburg münden. Im Rahmen des angekündigten Flächenkonzeptes für Rechenzentren muss der Senat den Themen Nachhaltigkeit und Resilienz große Beachtung schenken. Denn die Energieeffizienz von Rechenzentren gewinnt aus ökonomischer wie aus ökologischer Perspektive zunehmend an Relevanz.
Abwärmepotenziale bestmöglich nutzen
Die Anbindung von Rechenzentren an Fernwärmenetze kann sowohl einen Beitrag zur Grundversorgung leisten als auch eine erhebliche Verbesserung der Energiebilanz der digitalen Infrastruktur erzielen. Energieeffiziente Rechenzentren sind heutzutage nicht nur Qualitätsmerkmal und Baustein für einen nachhaltigeren urbanen Energiemix, sondern durch die Vorgaben für Betreiber von Rechenzentren im neuen Energieeffizienzgesetz rechtlich vorgeschrieben. Um die Abwärmepotenziale bestmöglich in der Stadt nutzen zu können, muss der Senat Zugänge zum Fernwärmenetz und die entsprechenden Abnahmemöglichkeiten sicherstellen. Darüber hinaus sind Rechenzentren und Knotenpunkte ein wesentlicher Bestandteil der kritischen Infrastruktur und müssen in den Notfall- und Notversorgungsplänen der Verwaltung und den Behörden hohe Priorität genießen.
Gemessen an den Ambitionen, die der Senat für die Smart City Berlin formuliert, läuft der Aufbau und Betrieb der städtischen IoT- und Long-Range-Wide-Area-Network (LoRaWAN)-Infrastruktur bislang zu schleppend.
Eine Smart City braucht Echtzeitdaten
Mit dem Stadtpuls Berlin ist Anfang des Jahres eine spannende, Community-basierte Datenplattform für IoT-Projekte in Berlin eingestellt worden, da das ehrenamtliche Engagement an seine Grenzen gestoßen ist und eine Verstetigung des Projektes nicht möglich war.
Dabei haben Stadtpuls und weitere Pilotprojekte wie Kiezbox 2.0 der Technologiestiftung oder SENSARE des infraLabs bereits eindrucksvoll gezeigt, wie mithilfe von LoRaWAN-Anwendungen und Sensordaten effizientere Steuerungs-und Frühwarnsysteme sowie Smart-City-Innovationen ermöglicht werden können.
Offene LoRaWAN-Netze
Der Senat muss den Faden nun aufnehmen und gemeinsam mit den landeseigenen Betrieben und weiteren Beteiligten den Aufbau eines skalierbaren LoRaWAN-Netzes vorantreiben. Damit das Ausrollen smarter Infrastruktur gelingt, müssen im Vorfeld klare Anwendungsfälle identifiziert werden. Dabei sollte ein möglichst offener Ansatz verfolgt werden und städtische Echtzeitdaten auch Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden, wann immer dies mit dem Schutz von kritischer Infrastruktur vereinbar ist.
Um allen Bevölkerungsgruppen, Touristen sowie dem stationären Einzelhandel ein zeitgemäßes und kostenloses städtisches Serviceangebot anzubieten, braucht die Stadt eine öffentliche WLAN-Infrastruktur.
Dass das „Free Wifi Berlin“ Projekt trotz erfolgreicher Pilotphase und berlinweit aufgebauter Infrastruktur aufgrund von Abstimmungs- und Kapazitätsproblemen innerhalb der Verwaltung nicht in den Regelbetrieb übergegangen ist, ist Wirtschaft und Steuerzahlenden kaum zu erklären. Hier muss dringend Vertrauen zurückgewonnen und ergebnisoffen geprüft werden, ob und wie der Weiterbetrieb bestehender Infrastruktur gesichert werden kann.
STIMMEN AUS DER BERLINER WIRTSCHAFT
„Die Politik darf den Ausbau moderner digitaler Infrastruktur nicht als Kür begreifen, sondern als Pflichtaufgabe und Daseinsvorsorge wie auch Strom, Wasser und Wärme. Unternehmen sind auf leistungsstarkes Internet angewiesen. Außerdem gilt: Wenn wir es mit Smart City, Start-up-Hauptstadt und KI-Metropole wirklich ernst meinen, kann Berlin sich nicht auf die Aufholarbeit beim Breitbandausbau beschränken. Wir müssen gleichzeitig die Bedarfe und Technologien von morgen mitdenken.“