Mit Hochschulverträgen ab 2024 klares Zeichen für starken Wissenstransfer setzen

Die ideale Welt: Für Hochschulen ist die enge Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft selbstverständlich, ihr Anteil wertschöpfender, technologienaher Unternehmensgründungen steigt und sie sind Garant der Fach- und Lehrkräftesicherung. Damit dieses Ideal Wirklichkeit wird, brauchen die Hochschulen passende Rahmenbedingungen, Grundfinanzierung sowie möglichst hochschulspezifische Anreize, die sie bei der Umsetzung unterstützen und anspornen. Dafür können und müssen aus Wirtschaftssicht die neuen Hochschulverträge ab 2024 klare Zeichen setzen und v. a. den Transfer als gleichberechtigte dritte Säule neben Lehre und Forschung verankern.
Hochschulverträge transparent weiterentwickeln und Leistungen nachhalten
Die Hochschulverträge müssen in einem transparenten Prozess unter Einbezug relevanter Stakeholder - auch aus der Wirtschaft - weiterentwickelt werden. Der Prozess zur Identifikation von Themen von landespolitisch hohem Interesse zur Bildung strategischer Partnerschaften mit der Wirtschaft sollte so etabliert bzw. angepasst werden (z. B. in hochschulischen Transferstrategien), dass Wirkungen nachvollziehbar werden. Für mehr Transparenz des Transfergeschehens müssen auch die Leistungsberichte verwaltungsseitig zeitnah eingefordert und bewertet werden. Nur so können Rückschlüsse für Verbesserungen daraus gezogen werden.
Transfer als dritte Kernaufgabe verankern
Zentral ist, Transfer als dritte Säule gleichberechtigt neben Lehre und Forschung in den Hochschulverträgen zu verankern und entsprechend zu finanzieren. Nur so wird die nötige deutliche hochschul-, wissenschafts- und innovationspolitische Aufwertung erzielt.
Neues Indikatoren-Set entwickeln, das für alle Hochschulen gleichsam gilt
Zentraler Punkt ist die Entwicklung eines neuen Indikatoren-Sets, das für Universitäten und HAW gleichsam gelten muss, je Hochschule angepasst werden kann, Handlungsspielräume lässt und keinen bzw. nur geringfügigen zusätzlichen Erfassungsaufwand verursacht. Idealerweise macht das neue Indikatoren-Set die Zielerreichung von Transferaktivitäten hochschulindividuell messbar und setzt echte Praxisanreize. Vorteilhaft sind Kennzahlen, die bereits erhoben werden, z. B. für die Leistungsberichte (Ausgründungen, Patentverwertungen, Drittmittel). Weitere zielführende Indikatoren für die Kooperation mit dem regionalen Mittelstand sollten in gemeinsamer Diskussion ermittelt werden. Die Berliner Wirtschaft steht dafür bereit.
Dauerhafte Lösungen für Transferfinanzierung und Ausgestaltung schaffen
Damit aus Forschungsergebnissen Produkte oder Dienstleistungen werden, müssen hochschulische Transferstrukturen, -personal und -services grundfinanziert und je nach Zielerreichungsgrad die Aktivitäten basierend auf dem Indikatorensystem zusätzlich honoriert werden. Vor allem für eine steigende Kooperationsbilanz mit der (mittelständischen) Wirtschaft braucht es dauerhafte Lösungen zur nachhaltigen Finanzierung.
Bestehende Verbünde verstetigen: IFAF Berlin und Science & Startups
Hochschulübergreifende Verbünde, die bereits erfolgreich agieren und wertvolle Transferstrukturen aufgebaut haben, aber noch Potenziale heben können, müssen auch durch Landesmittel weiter gestärkt werden. Die Finanzierung des IFAF Berlin beispielsweise sollte deshalb von einer Projektförderung in eine institutionelle Förderung umgewandelt, Science & Startups verstetigt werden. Weitere transferfördernde Verbünde sollten diesbezüglich geprüft werden.
Berlin muss mit Mut Transfer neu gestalten und von den Besten lernen
Außerdem zeigt der Austausch mit Unternehmens- und Hochschulvertretern sehr deutlich, dass insgesamt Berlins Transfer-Ökosystem gestärkt und dringend passende Instrumente geschärft bzw. ergänzt werden müssen. Konkrete Vorschläge dafür sind:
  • Wissens- und Technologietransfer strategisch steuern. Die politische Verantwortung für den Know-how-Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft wird enger zusammengeführt und gemeinsam gesteuert. Beispielsweise in einem neu zu etablierenden ressortübergreifenden Gremium. Erste Aufgabe wäre es, einen gemeinsamen Handlungsrahmen für die Ziele der Innovationsstrategie Berlin-Brandenburg sowie die Wissenschaftsleitlinie Brain-City im Bereich Transfer abzustecken. Die kontinuierliche Beratung zur Steuerung und Umsetzung der Transferpolitik übernimmt ein Transferbeirat unter Beteiligung von Stakeholdern aus Wirtschaft und Wissenschaft.
  • Anlaufstellen für die mittelständische Wirtschaft in allen Hochschulen, die den benötigten niedrigschwelligen, ressourcenschonenden Zugang verschaffen, prüfen und umsetzen.
  • Grundfinanzierte Transferscouts in den Hochschulen als Standard etablieren, die die Lücke zwischen hochschulischen Forschungsbereichen und potenziellen Kooperationspartnern in der Wirtschaft schließen.
  • Rechtlich und finanziell abgesicherte Transfersemester - analog zum Forschungssemester - ermöglichen, die den Professorinnen und Professoren Freiräume für Kooperationen bieten und sichtbares Zeichen für Wertschätzung der Transferarbeit sind.
Für weitere Ideen lohnt zusätzlich auch der Blick auf bundesweite Transfer-Spitzenreiter. Beispielsweise zielt das Bayerische Innovationshochschulgesetz u. a. mit strategischer Neuausrichtung, „neuer Gründerzeit“ sowie Transfer als Dienstaufgabe für Professorinnen und Professoren auf mehr Innovationsfreude bzw. Reputation für Transfer an allen Hochschulen als Markenkern ab. Strategisch ist dieses Gesetz auch mit der hochfinanzierten Technologie- und Innovationsoffensive „Hightech Agenda Bayern“ abgestimmt.
Mutig und zielsicher müssen die Empfehlungen der Berliner Wirtschaft zur Stärkung des Hochschultransfers von Politik und Verwaltung aufgenommen und mit konkreten Maßnahmen unterlegt werden.
Der nächste Doppelhaushalt sowie v. a. die neuen Hochschulverträge ab 2024 werden zeigen, ob sich die politische Wertschätzung des hochschulischen Transfers und für mehr Innovationsdynamik am Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort auch in Taten niederschlägt.