Drei Fragen. Drei Antworten. Das Interview mit Sergey Lagodinsky (Bündnis 90/Die Grünen)

Sergey Lagodinsky. MdEP. Berlin, 16.03.24 © Jens Oellermann
Ihr Fazit nach 100 Tagen im Amt: Was war bisher das prägendste Ereignis?
Es waren schon drei Ereignisse in dieser angebrochenen Legislatur, die prägend gewirkt haben: Auf der globalen Ebene war das die erneute Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Auch wenn viele von uns mit einem solchen Ausgang gerechnet haben, der Durchmarsch der Trumpisten in allen Swing States sowie die Übernahme beider Kongresshäuser hat Viele in Brüssel wachgerüttelt. Vorbereitet sind wir darauf nicht, gerade im Sicherheitspolitischen Bereich. Aus der Binnenperspektive war der Draghi-Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit in der EU ein wichtiges Ereignis in Brüssel und für die Institutionen. Der Bericht bescheinigt Europa als globalem Player eine Chance, aber nur wenn mehr Investitionen und Reformen kommen. Seit seiner Veröffentlichung ist der Bericht der Ausgangspunkt aller Diskussionen über die Legislativarbeit in der EU. Und drittens ist auch die Nominierung und die Wahl der Kommissare und Kommissarinnen, ein Prozess, der immer noch nicht abgeschlossen ist, der aber die kommenden fünf Jahre personell wie inhaltlich bestimmen und von der Leyens Macht konsolidieren wird.
Stellen Sie sich vor, Sie wären EU-Wirtschaftskommissar*in: Welche drei Punkte würden Sie angehen?
Es ist wichtig, Innovation durch Förderung zu ermöglichen und durch smarte Regulierung zu schützen. Start-Ups und Scale-Ups bekommen zum Beispiel bisher ihre finanzielle Grundausstattung zu einem erheblichen Teil von außereuropäischen Investoren. Das sollten wir ändern, um Ideen Made in Europe auch durch Geld aus Europa hier zu halten. Als zweiten Punkt sehe ich es als besonders wichtig an, Regulierung im Digitalbereich an den Grundrechten und Nachhaltigkeitsaspekten auszurichten ohne innovative Entwicklungen zu behindern. Unter Regulierung fällt auch der dritte Punkt, der in dieser Legislatur wichtig wird: die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit unseren wichtigsten internationalen Partnern auf Basis von fairen und nachhaltigen Wirtschaftsabkommen und auf der anderen Seite einer intelligenten Sanktionspolitik gegenüber Ländern, mit denen die Zusammenarbeit ausgeschlossen ist. Europa darf sich nicht in einen Handelskrieg verstricken, sich aber auch nicht einseitig abhängig machen.
Woran wollen Sie sich am Ende Ihrer Legislaturperiode messen lassen: Was wollen Sie für die Berliner Wirtschaft erreichen?
Berlin gilt als Start-Up Metropole und Innovationsfabrik dank der über 3.000 Neugründungen und starken Forschungseinrichtungen in der Hauptstadt. Gerade die Startup-Szene mit ihren vielen Hubs verdient gute Bedingungen, um zu einer prosperierenden Entwicklung der Stadt beizutragen. In Berlin sollen nicht nur Träume und Ideen ein dauerhaftes Zuhause haben, sondern auch ihre Umsetzung. Auch innovative Forschung muss niedrigschwellig in den Anwendungsbereich und in die Business-Entwicklung gelangen. Dafür werde ich mich einsetzen.