Drei Fragen. Drei Antworten. Das Interview mit Martin Schirdewan.
Ihr Fazit nach 100 Tagen im Amt: Was war bisher das prägendste Ereignis?
Die Wahl ist noch nicht lange her, aber für mich ist es wichtig Versprechen aus unserem Wahlkampf umzusetzen, um glaubwürdig zu bleiben. Ich forderte im Wahlkampf: Löhne rauf - Mieten runter. Für höhere Löhne und für die Sicherung von Jobs habe ich mich in meinem Reden zur Industrie und Stahlpolitik eingesetzt. Zu den zu hohen Mieten habe ich eine Debatte im Parlament beantragt. Diese wurde auch schon in den ersten 100 Tagen auf die Tagesordnung des Parlamentes gesetzt und debattiert. Denn allein in Deutschland sind 14% der Haushalte wegen der Kosten für ihre Wohnung überlastet. Das Problem herrscht aber in der EU in allen Metropolregionen. Deswegen habe ich auch staatliche Beihilfen in der sozialen Wohnungspolitik zum Gegenstand meiner Befragung bei den Kommissionsanhörungen gemacht. Das sind wichtige Schritte, um das Bewusstsein für die gesellschaftliche Verantwortung im Social Housing zu schärfen.
Stellen Sie sich vor, Sie wären EU-Wirtschaftskommissar*in: Welche drei Punkte würden Sie angehen?
Wir müssen ganz klar KMUs in Deutschland und der EU stärken. Für die Stärkung der KMUs brauchen wir massive und nachhaltige Investitionen, weshalb ich ob als Kommissar oder nicht die Mastrichtkriterien überarbeiten und die Schuldenbremse abschaffen will. So können wir Unternehmen entlasten und sie können faire Löhne zahlen. Angesichts der riesigen Herausforderungen in der Pharma-, Chip- oder Automobilindustrie sind diese Investitionen dringend nötig. Hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel, wenn die EU tatenlos und uneins zuschaut, wie USA und China in einen Handelskrieg ziehen. Zusätzlich benötigen wir eine europaweite Mlliardärssteuer, um die nötige sozialökologische Transformation zu finanzieren und damit alle EinwohnerInnen der EU ein sicheres Auskommen haben, das zum Leben reicht.
Woran wollen Sie sich am Ende Ihrer Legislaturperiode messen lassen: Was wollen Sie für die Berliner Wirtschaft erreichen?
Im Kampf um das wirtschaftliche Überleben der KMUs in der EU sollten die sozialen Aspekte, wie Löhne, Mieten oder auch die Transformation mit eingeplant werden. Nur wenn alle Partner mitgenommen werden und niemand zurückgelassen wird, könne wir die Herausforderungen gemeinsam meistern. Im EU-Parlament können einzelne Abgeordnete viel erreichen, da die Mehrheiten im Vergleich zum Bundestag häufig wechseln. Das möchte ich dazu nutzen, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die EU nicht zwischen den beiden Wirtschaftsmächten USA und China aufgerieben wird. Mein Anliegen ist, mit Mehrheiten im Handelsausschuss dafür zu sorgen, dass die Unternehmen in der EU keine Ausreden haben, um gerechte Löhne zu zahlen.