Rechtliche Rahmenbedingungen
Das Lieferkettengesetz ist da
Das Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten wurde vom Bundespräsidenten ausgefertigt und am 22. Juli 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Auch wenn das Gesetz direkt nur Großunternehmen in die Pflicht nimmt (Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten ab 1.1.2023 und mehr als 1000 ab 1.1.2024), sind über ihre Geschäftsbeziehungen
auch kleinere Betriebe in der Verantwortung.
- Zweck des Gesetzes
- Warum auch kleine Betriebe betroffen sind
- Was müssen Unternehmen beachten
- Durchsetzung und Verstöße
- Instrumente zur Risikoanalyse
- Portale zum Vergleich von Siegeln zu Sozial- und Umweltstandards
- Leitfäden für Nachhaltigkeitsberichterstattung
- Hintergrundgrundinformationen
- Das europäische Lieferkettengesetz
Zweck des Gesetzes
Unternehmen werden in Zukunft verstärkt in die Pflicht genommen, die Menschenrechte, die Umwelt und eine gute Unternehmensführung in ihren internationalen Aktivitäten zu respektieren. Die Verantwortung der Unternehmen soll sich entsprechend dem neuen Gesetz auf die gesamte Lieferkette erstrecken – abgestuft nach Einflussmöglichkeiten.
Die Pflichten müssen durch die Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber ihren
unmittelbaren Zulieferern umgesetzt werden.
Mittelbare Zulieferer werden einbezogen, sobald das Unternehmen von Menschenrechtsverletzungen auf dieser Ebene substantiierte Kenntnis erhält. Das Gesetz konkretisiert, in welcher Form die Unternehmen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht erfüllen. Dies beinhaltet, dass sie menschenrechtliche Risiken analysieren, Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen, Beschwerdemöglichkeiten einrichten und über ihre Aktivitäten berichten müssen. Auch der Umweltschutz ist im Gesetz erfasst, soweit Umweltrisiken zu Menschenrechtsverletzungen führen können. Zudem sollen umweltbezogene Pflichten etabliert werden, die sich aus zwei internationalen Abkommen zum Schutz vor den Gesundheits- und Umweltgefahren durch Quecksilber und langlebige organische Schadstoffe ergeben.
Warum auch kleine Betriebe betroffen sind
Es ist zu erwarten, dass nicht nur Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe direkt betroffen sind, die Auswirkungen des Lieferkettengesetzes auf ihre unternehmerischen Abläufe spüren werden. Die Tendenz, dass größere Unternehmen Nachweise auch von ihren kleineren Vertragspartnern einfordern, was deren menschenrechtlich und umweltbezogenes verantwortungsbewusstes Handeln betrifft, gibt es seit Längerem. Diese Tendenz dürfte durch das Gesetz bestärkt werden. Viele Unternehmen setzten sich schon seit geraumer Zeit gezielt damit auseinander, wie sie dem Prinzip unternehmerischer Sorgfalt nachkommen können und wie sie entsprechende Nachweise - auch wenn diese rechtlich nicht verpflichtend sind - ihren größeren Geschäftspartnern bei Bedarf vorlegen können. Nicht selten ist das gerade für kleinere Unternehmen mit erheblichem Aufwand verbunden.
Da der Regelungsansatz des Sorgfaltspflichtengesetzes durchaus anspruchsvoll ist, bleibt zu hoffen, dass kleine und mittelständische Betriebe durch ihre übersichtlichen Strukturen Vorteile ziehen können und dadurch in die Lage versetzt werden, auf ihr Geschäft bezogene Risiken frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Diese - wie die gesamte gewerbliche Wirtschaft - sind sich ihrer Verantwortung des Ehrbaren Kaufmanns durchaus bewusst. Es gibt unzählige Beispiele für Unternehmen, die schon jetzt und ohne rechtliche Verpflichtung, die Wahrung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten zu einem zentralen unternehmerischen Prinzip erklärt haben.
Was müssen Unternehmen beachten
Die Sorgfaltspflicht der Unternehmen erstreckt sich auf den eigenen Betrieb und die unmittelbaren und direkten Zulieferer. Dennoch ist das Gesetz ebenso für Unternehmen von Bedeutung, die nicht in den direkten Anwendungsbereich fallen. Denn diese können mittelbar betroffen sein, etwa als Zulieferer eines in der gesetzlichen Verantwortung stehenden Unternehmens. Unternehmen außerhalb des Anwendungsbereiches sind jedoch nicht direkte Adressaten von Bußgeldern oder gesetzlichen Verpflichtungen.
- Die (Groß-)Unternehmen sind verpflichtet, einen Verantwortlichen innerhalb ihres Betriebes festzulegen, der die Einhaltung der Sorgfaltspflichten überwacht. Die Geschäftsleitung hat sich regelmäßig über die Arbeit der zuständigen Person/en zu informieren.
- Gemäß dem neuen Sorgfaltspflichtengesetz müssen Unternehmen ein angemessenes Risikomanagement entlang der gesamten Lieferkette einführen, das menschenrechtliche Risiken in allen maßgeblichen unternehmensinternen Geschäftsabläufen analysiert. Als relevante Risikofelder benennt das Gesetz dabei insbesondere Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Diskriminierung, Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit, problematische Anstellungs- und Arbeitsbedingungen und Umweltschädigungen.
- Sie müssen insbesondere eine Risikoanalyse durchführen, d.h., dass sie zunächst die Teile ihrer Produktions- und Lieferkette identifizieren müssen, die besonders hohe menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken bergen. Dazu zählen auch die Geschäftsbereiche der Zulieferer.
- Anschließend müssen geeignete Abhilfe- oder präventive Maßnahmen getroffen werden, um Verstößen vorzubeugen. Das kann zum Beispiel die Vereinbarung entsprechender vertraglicher Menschenrechtklauseln mit dem Zulieferer sein. Ebenso müssen angemessene Maßnahmen zur Beendigung oder Minimierung einer bereits eingetretenen Verletzung (Abhilfemaßnahmen) getroffen werden. Auch Menschenrechtsrisiken bei mittelbaren Zulieferern, d.h. in den tieferen Gliedern der Lieferkette, müssen analysiert, beachtet und angegangen werden, wenn Unternehmen darüber Kenntnis erlangen und tatsächliche Anhaltspunkte haben - etwa aufgrund von Hinweisen durch Behörden, aufgrund von Berichten über eine schlechte Menschenrechtslage in der Produktionsregion oder aufgrund der Zugehörigkeit eines mittelbaren Zulieferers zu einer Branche mit besonderen menschenrechtlichen Risiken.
- Zudem müssen Unternehmen ein Beschwerdeverfahren einrichten, das direkt Betroffenen ebenso wie denjenigen, die Kenntnis von möglichen Verletzungen haben, ermöglicht, auf menschenrechtliche Risiken und Verletzungen hinzuweisen.
- Über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten müssen die Unternehmen jährlich einen Bericht bei der zuständigen Behörde einreichen.
- Vor allem im Verhältnis zwischen größeren Unternehmen und KMUs könnten beispielsweise Lieferantenvereinbarungen geschlossen werden, die auf einen verbindlichen Verhaltenskodex verweisen oder es könnten Lieferantenverpflichtungen festgelegt werden, die dafür sorgen, dass Compliance-Standards entlang der Lieferkette eingehalten werden. Als Folge ist die vertragliche Fixierung von Sanktionen wie Kündigungsrechten und Schadensersatzansprüchen ebenso denkbar wie der Nachweis von Schulungen. Neben der Wirksamkeit muss das Risikomanagement angemessen sein, wobei unklar ist, was die Angemessenheit im Einzelfall bedeutet. Jedenfalls richten sich die in der Lieferkette zu ergreifenden Maßnahmen nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit, dem Einflussvermögen des Unternehmens auf Verletzende, der Wahrscheinlichkeit einer Verletzung und der Schwere eines möglichen Schadens.
Durchsetzung und Verstöße
Das Gesetz sieht eine behördliche Überwachung mit Bußgeldern vor. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wird als zuständige Aufsichtsbehörde benannt und mit umfassenden Kompetenzen ausgestattet. Sofern ein Unternehmen die Zusammenarbeit verweigert, kann die BAFA ein Zwangsgeld von bis zu EUR 50.000 verhängen. Verstößt ein Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig gegen die vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten, so kann die BAFA ein Bußgeld verhängen, dass sich am Gesamtumsatz des Unternehmen orientieren soll (bis zur 8 Mio. Euro oder 2% des Jahresumsatzes bei Unternehmen mit mehr als 400 Mio. Euro Umsatz). Auch kann das Unternehmen bei einem schweren Verstoß für bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Tools & Instrumente für KMUs (ein nachhaltiges Lieferkettenmanagement)
In der Praxis stehen vor allem kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) derzeit noch vor vielen Fragen, wenn es darum geht, internationale Lieferketten nachzuverfolgen. Zwar richtet sich das LKSG nicht direkt an Unternehmen mit weniger als 3000 bzw. 1000 Mitarbeitenden. Dennoch sind auch diese Unternehmen als Zulieferer für größere Abnehmer ihrer Produkte und Dienstleistungen in die Thematik involviert.
Daher wurden Initiativen gestartet und Tools kreiert, die speziell kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei Fragen rund um Prüfung der bestehenden Lieferkette bzw. einer geplanten Neuausrichtung unterstützen sollen.
Tools & Instrumente für KMUs (ein nachhaltiges Lieferkettenmanagement)
In der Praxis stehen vor allem kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) derzeit noch vor vielen Fragen, wenn es darum geht, internationale Lieferketten nachzuverfolgen. Zwar richtet sich das LKSG nicht direkt an Unternehmen mit weniger als 3000 bzw. 1000 Mitarbeitenden. Dennoch sind auch diese Unternehmen als Zulieferer für größere Abnehmer ihrer Produkte und Dienstleistungen in die Thematik involviert.
Daher wurden Initiativen gestartet und Tools kreiert, die speziell kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei Fragen rund um Prüfung der bestehenden Lieferkette bzw. einer geplanten Neuausrichtung unterstützen sollen.
Instrumente zur Risikoanalyse
Der Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE) bietet interessierten Unternehmen u.a. eine individuelle, vertrauliche und kostenfreie Beratung durch seine Experten zur Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt in den Unternehmensprozessen an.
Darüber hinaus stellt der Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte Unternehmen, die menschenrechtliche Sorgfaltsprozesse in ihr Kerngeschäft integrieren möchten, zwei kostenlose Tools zur Verfügung:
Darüber hinaus stellt der Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte Unternehmen, die menschenrechtliche Sorgfaltsprozesse in ihr Kerngeschäft integrieren möchten, zwei kostenlose Tools zur Verfügung:
Portale zum Vergleich von Siegeln zu Sozial- und Umweltstandards
Leitfäden für Nachhaltigkeitsberichterstattung
Hintergrundgrundinformationen
Die im Gesetz definierten Sorgfaltspflichten leiten sich aus den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte ab. Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechten wurden 2011 von den Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedet. Sie sehen Staaten in der Verantwortung, Menschenrechte zu schützen, weisen jedoch ausdrücklich auch Unternehmen Verantwortung im Sinne einer menschenrechtlichen Sorgfalt zu. Mit Verabschiedung der UN-Leitprinzipien bekannten sich die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen zu deren nationaler Umsetzung. Verschiedene europäische Staaten (u.a. UK, NL, FR) haben in den Folgejahren bereits gesetzliche Regulierungen zur Stärkung der unternehmerischen Sorgfalt in globalen Wertschöpfungsketten verabschiedet.
Das deutsche Gesetz wird auch als Wegbereiter hin zu einer Europäischen Regelung gesehen. Das Europäische Parlament hat im März 2021 bereits im Rahmen seines Initiativrechts einen Gesetzesvorschlag für ein Sorgfaltspflichtengesetz beschlossen. Ein legislativer Vorschlag der EU-Kommission wird noch im Jahr 2021 erwartet.
Das deutsche Gesetz wird auch als Wegbereiter hin zu einer Europäischen Regelung gesehen. Das Europäische Parlament hat im März 2021 bereits im Rahmen seines Initiativrechts einen Gesetzesvorschlag für ein Sorgfaltspflichtengesetz beschlossen. Ein legislativer Vorschlag der EU-Kommission wird noch im Jahr 2021 erwartet.
Das europäische Lieferkettengesetz
Am 10. März 2021 hat das Europäische Parlament mit einer fraktionsübergreifenden Mehrheit von 504 (von 695) Stimmen den „Legislativbericht über menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten von Unternehmen“ verabschiedet. Rechtlich handelt es sich bei dem Legislativbericht um eine Empfehlung an die Europäische Kommission, ein europäisches Lieferkettengesetz einzuführen. Das ausschließliche Initiativrecht für die Gesetzgebung liegt bei der Kommission. Der für Juni 2021 geplante Legislativvorschlag der EU-Kommission soll im "Herbst 2021" veröffentlicht werden.