Im Interview

Berufenes Multitalent

Heiko Becker ist ausgebildeter Koch, staatlich geprüfter Betriebswirt Gastronomie/Hotellerie, und prüft seit 2013 als ordentlicher Arbeitgebervertreter Köchinnen und Köche bei der IHK Berlin. Wir haben ihn zu seinem ehrenamtlichen Einsatz befragt.
Herr Becker, Sie unterstützen die IHK Berlin seit nunmehr 10 Jahren als Prüfer und sorgen damit für den Fachkräftenachwuchs bei den Köchen. Verraten Sie uns, wie Sie damals zur Prüfertätigkeit gekommen sind. Und vor allem – warum Sie dabeigeblieben sind? 
Ich hatte mich aus eigenem Antrieb darum bemüht, warum weiß ich auch nicht mehr genau – aber wahrscheinlich dachte ich: „…wenn sich niemand engagiert, dann engagiert sich eben niemand mehr…“. Es wird immer schwieriger, motivierte Mitstreiter zu finden, die Zeit und Lust haben Ihre Freizeit mit ehrenamtlichen Tätigkeiten zu verbringen. Ob im Verband der Köche oder auch im „Verein der Hauptstadt-Köche Berlin“ finden wir immer die gleichen Herausforderungen. Also muss man doch mit gutem Beispiel voran gehen.
Aber wenn ich ehrlich bin, wollte ich schon oft alles hinschmeißen – wenig Zeit, viel Arbeit – wie es eben so ist: Prioritäten setzen und auch mal NEIN sagen können. Wie man sieht, hat das Nein sagen noch nicht gefruchtet und ehrlich gesagt gibt es immer wieder diese wunderschönen Momente, die diesen zusätzlichen Aufwand dann entschädigen.
Ihr Engagement geht weit über die reguläre Prüfertätigkeit hinaus. Bitte erzählen Sie uns darüber.
Als Mitglied im Verband der Köche Deutschlands e.V. war ich in der Fachgruppe Bildung und Weiterbildung involviert und wurde dann vom Präsidenten Daniel Schade (übrigens auch hier in der IHK sehr aktiv) gefragt, ob ich nicht am Berufsbildungsausschuss des DEHOGA* teilnehmen möchte. Das ist jetzt schon einige Jahre her und seither sitze ich als ständiger Gesandter des Verbands der Köche (VKD) im Berufsbildungsausschuss (BAB) des DEHOGA. Der VKD ist nicht direkt stimmberechtigt, aber es wird uns zugehört. So konnte ich schon ein paar Akzente setzen und das Augenmerk auf die praktische Seite der Kochausbildung lenken. Mit meiner Berufsausbildung als Koch und einer anschließenden Weiterbildung an der Hotelfachschule in Berlin kenne ich viele Herausforderungen unseres Berufsstands.
Im Rahmen meiner Tätigkeit im BAB stand das Neuordnungsverfahren auf der Agenda und mir wurde die Ehre zuteil als Sachverständiger der Arbeitgeberseite für die NEU-Ordnung berufen zu werden. Die Pandemie und die Folgen haben mir ermöglicht mich vollkommen auf das Thema einzulassen. 
Die Neuordnung  war eine spannende und herausfordernde Zeit, auf das Erreichte bin ich sehr stolz. Ich durfte an den Berufsbildpositionen, Ausbildungsrahmenplänen, Prüfungen der Köche und dem „neue Beruf Fachkraft Küche“ Projekt dabei sein. Bis man aber versteht: DEHOGA, IHK, DIHK, BIBB, RLP, KMK** (hört sich ein wenig an wie ein Song von den Fantastischen Vier) – vergeht eine gewisse Zeit und so lernt man stetig dazu.
Aktuell sind wir dabei, Warenkörbe für die neue Prüfungsverordnung (GAP 1, GAP 2) und z.B. die Bewertungsbögen zu erstellen. Mit einem großartigen Team aus Mitgliedern anderer Prüfungsausschüsse und Unterstützung der IHK macht es umso mehr Spaß die Zeit zu investieren.
Das bedeutet vermutlich einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand. Wie vereinbaren Sie das mit ihrem regulären Job? Was sagt Ihr Arbeitgeber dazu? Und die Familie?
Bitte fragen Sie jetzt nicht Frau Mertens (die Prüfungskoordinatorin der IHK)! Leider rufe ich Sie öfter an, um dann ganz kurzfristig den Prüfungstermin abzusagen. Das momentane Arbeitsaufkommen und die Entwicklungen der letzten Jahre sind schon verrückt. Meine Familie unterstützt mich, wo sie nur kann. Ich bin froh über solch einen Support.
Mein Arbeitgeber seit über 20 Jahren: L &D -Persönliche Gastronomie, ist ein familiengeführtes, mittelständiges Unternehmen mit Sitz in Grafschaft und versteht meine Leidenschaft für den Beruf und die Ausbildung sehr gut. Jürgen und Phillip Preuß (Geschäftsführer von L & D) sind selbst sehr aktiv und so unterstützen sie mich. Ich verantworte in Berlin 10 Betriebe der Gemeinschaftsgastronomie, einige Bundesbehörden und private Unternehmen, so ca. 3.500 – 4.500 Essen am Tag. Da ist schon einiges zu tun und geht weit über die normale Arbeitszeit hinaus. Da ich viel Vertrauen meiner Geschäftsführung genieße, kann ich den zusätzlichen Aufwand, naja sagen wir oft ganz gut stemmen.
Wenn der Arbeitgeber das Ehrenamt unterstützt und auch den Mehrwert für sich erkennt, ist das natürlich Gold wert!  Und wie funktioniert die Zusammenarbeit in Ihrem Prüfungsausschuss?
Ich empfinde die Paritätische Besetzung als ein wunderbares Instrument der Arbeitsteilung. Ich kam als drittes Mitglied zum bestehenden Ausschuss, wurde herzlich aufgenommen und fühlte mich sofort wohl. Als Vertreter der Arbeitgeber sehe ich meine Tätigkeit manchmal ein wenig entspannter, ich bin der Praktiker und meine Frage lautet immer: „…Würde ich diesen zukünftigen Facharbeiter einstellen…“.  Klar, gibt es auch mal differenzierte Meinungen und andere Ansichten – aber das soll auch so sein. Man trägt als Ausschuss eben eine große Verantwortung – gerade in diesen (schwierigen) Zeiten (Corona, Fachkräftemangel, Sprachbarrieren) dürfen wir uns unsere Entscheidungen nicht einfach machen. Also ich mag meine Kollegen sehr.
Welcher Teil der Arbeit als Prüfer bereitet Ihnen besondere Freude?
Die Arbeit als Prüfer wird einem sehr einfach gestaltet – es gibt Vorabinformationen, die Kommunikation mit der IHK ist super, es wird einfach für alles gesorgt – da fühlt man sich gut aufgehoben. Das Praktische Arbeiten ist wunderbar– am Anfang meiner jetzt 10-jährigen Prüfertätigkeit wusste ich nicht so richtig was auf mich zukommt, ich war unsicher. Die Zeit der Hospitation gab mir die Möglichkeit verschiedene Arbeitsweisen kennen zu lernen. IHK-interne Weiterbildungen runden das Bild des Prüfers ab. 
Ein Highlight: Das Speisenangebot der Zwischenprüfungen in der Berufsschule ist immer Höhepunkt für das Wochenende – aus diesem Grund habe auch noch nie eine Zwischenprüfung abgesagt 😉. Das Essen ist immer köstlich, abwechslungsreich und frisch zubereitet – großes Lob und Dankeschön an das Berufsschul-Küchenteam. 
Gibt es ein Erlebnis in Ihrer bisherigen Zeit als Prüfer, das Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben ist?
Als Prüfer hat man viele besondere Momente, mal mehr, mal weniger. Besonders große Freude bereitet mir das erste Kennenlernen der Prüflinge, die ersten Aufgabenstellungen und dann die Praktische Arbeit – die viele verschiedenen (meist) jungen Menschen zu sehen, wie sich der Tag so entwickelt.
Ich kenne diese Momente aus meiner Ausbildungs- und Prüfungszeit, wenn beim Verkünden der Punktzahl die Last von den Schultern der Auszubildenden fällt. Wenn bei den Prüflingen vor Freude, oder eben auch vor Enttäuschung, die Tränen kommen, dann leide ich immer mit. Aber auch Ereignisse wie: mitten in der Prüfung Sachen zusammenpacken und gehen, einfach nicht mehr ansprechbar sein. Mit viel Empathie und Kommunikation auf Augenhöhe versuchen wir diese Ausnahmen-Situationen im Ausschuss gemeinsam zu meistern.
Mal ehrlich – gibt es etwas, dass Ihnen keinen Spaß an der Prüfertätigkeit macht, dass Sie nervt oder stört?
Die Würstchen am Abend (lacht), wenn man sich gerade gesund ernährt. – ich weiß nicht genau… Den ganzen Tag in der Küche stehen, das bin ich nicht mehr so gewohnt, da fühlen sich meine Füße immer an wie am Anfang meiner Ausbildung. 
Was machen wir als IHK gut und was können wir besser machen?
Im Rahmen meiner Tätigkeit als Sachverständiger konnte ich viel über die Arbeit der IHK lernen. Dabei hatte ich immer das Gefühl, dass Berlin, im Vergleich, ganz weit vorn und sehr gut aufgestellt ist. In der Neuordnung haben viele Elemente oder auch Verfahrensweisen aus Berlin Ihren Platz gefunden, somit haben wir keine große Umstellung in den Verfahren und damit eine große Anerkennung der Leistungen der IHK.
Dann könnte ich doch auch diese Bühne nutzen und mal DANKESCHÖN an Sie, persönlich, sagen. Es gibt bestimmt immer etwas besser zu machen, doch mir fällt nichts ein. Ich fühle mich wohl und sehr gut aufgehoben. 
Herzlichen Dank, Herr Becker, für Ihre Zeit und Ihr tolles Engagement! Wir freuen uns auf viele weitere Jahre der Zusammenarbeit.
Ihr Lob gilt insbesondere den Prüfungskoordinatorinnen  und -koordinatoren der IHK Berlin, die für die Organisation der Prüfungen und die Betreuung der Prüfungsausschüsse verantwortlich sind. 

*DEHOGADeutscher Hotel- und Gaststättenverband; ** DIHK: Deutsche Industrie- und Handelskammer, BIBB: Bundesinstitut für Berufsbildung, RLP: Rahmlehrplan; KMK: Kultusministerkonferenz