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Perspektiven für die Mall

Einige Shopping-Center halten die Stellung,andere erfinden sich gerade vollkommen neu. Wie geht’s weiter mit Berlins Einkaufstempeln?
Im September sind es zehn Jahre, seit die „Mall of Berlin“ eröffnet wurde. Das zweitgrößte Shopping-Center (nach Verkaufsfläche) trat in große Fußstapfen – bis 1945 existierte an dieser Stelle eines der imposantesten Kaufhäuser des Unternehmens Wertheim und nach 1990 ein legendärer Technoclub. Der Standort zählte 2014 nicht (mehr) zu den etablierten Einkaufsgegenden, er war aber nah genug an der beliebten touristischen Laufroute zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz. Einige Branchenvertreter rümpften trotzdem die Nase und prophezeiten der Mall keine große Zukunft.

Allgemein schwierige Situation der Branche

Dass das Quartier – insgesamt 210.000 Quadratmeter – als Mischung von Shopping, Wohnen und Büros entstand und sich seit zehn Jahren behauptet, ist das Werk von Harald G. Huth. Der Berliner Selfmade-Man und hemdsärmelige „Anti-Benko“ blieb, trotz einer zunehmend schwierigen Entwicklung im stationären Einzelhandel, seinem Weg treu und übernahm auch nach 2014 für weitere Immobilienprojekte wie das Schultheiss-Quartier in Moabit die Verantwortung. Zurückschauend sagt er, schon wegen ihrer Größe sei klar gewesen, dass die Mall of Berlin funktionieren würde.
Andreas Malich, Experte für Handelsimmobilien und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens I-Ostate, sieht das kritischer: „Die Frage muss gestattet sein, ob an diesem Standort mit einer relativ geringen Verdichtung im Naheinzugsbereich ein Shopping-Center in dieser Dimension notwendig gewesen ist.“ Seit den Corona-Lockdowns sind insgesamt weniger Touristen, eine der wichtigen Zielgruppen, in der Innenstadt unterwegs. Hinzu kommt die allgemein schwierige Situation der Branche mit Insolvenzen namhafter Modeanbieter, dem wachsenden Onlinehandel und der Kaufzurückhaltung der Konsumenten.
Die Krisensymptome sind nicht neu, und die Betreiber der Malls, zusammen mit den Eigentümern der Immobilien, suchen seit Längerem nach neuen Erfolg versprechenden Konzepten. Mal sind es Zwischennutzungen und Pop-up-Flächen oder neue Mieterinnen und Mieter im Bereich Dienstleistungen (inklusive Arztpraxen und Kosmetiksalons), kulturelle und Bildungseinrichtungen bis hin zu Behörden, die Flächen beziehen. Zum Teil sind dabei umfangreiche Baumaßnahmen notwendig, wie gerade im Berliner Ring-Center. 2023 Jahr startete sein Umbau, im Endeffekt sollen die Handelsflächen reduziert und Büro- und Gewerbeflächen erweitert und modernisiert werden. Und das bei laufendem Betrieb.
Größere Baumaßnahmen haben in den letzten Jahren die ehemaligen Potsdamer Platz Arkaden (jetzt „The Playce“) erfahren – auch angestoßen durch eine längere Phase des Niedergangs nach der Eröffnung des größeren und moderneren Mitbewerbers am Leipziger Platz. Der rundum erneuerte Boulevard Berlin in Steglitz soll weniger Verkauf und mehr Apartments bieten. Im Park Center in Treptow war ein Teilabriss angekündigt, aber zuletzt ausgesetzt. Ob Shopping-Malls eine temporäre Sinnkrise erfahren oder gar eine „Neuprogrammierung der kapitalistischen Raumproduktion“ im Gange ist, wie sich die Politikerin Katalin Gennburg der Linken in der „taz“ äußerte, bleibt abzuwarten. Die eine Lösung gibt es nicht. Einige Zeit setzte man in der Branche größere Hoffnungen auf Gastronomie – ihr Anteil an angemieteten Flächen in Shopping-Malls stieg kontinuierlich … bis zur Pandemie.

Passende Ideen zur Wiederbelebung

Die Projektentwickler und Betreiber müssen nun für jeden Standort die jeweils passende Idee zur Wiederbelebung finden. Beim Schloss-Straßen-Center ist es zuletzt nicht geglückt – die Betreibergesellschaft meldete Anfang März Insolvenz an. „Bei einer realistischen Betrachtungsweise existieren einige der 70 Shopping-Center bereits heute nicht mehr“, kommentiert Handelsexperte Malich. „Diverse Center werden nicht überleben, hier muss und wird es zu umfänglichen Restrukturierungen kommen.“
von Dr. Mateusz Hartwich