Auf den Punkt

Warnende Stimmen der Bauwirtschaft

Trotz des sozialen Sprengstoffs, den die Wohnungsnot in Berlin mit sich bringt, weigert sich die Politik zu erkennen, dass eine ganze Branche gerade abstürzt.
Meinung
In der Kolumne „Auf den Punkt“ ­positionieren sich im ­monatlichen Wechsel Mitglieder des ­Präsidiums zu wirtschaftspolitischen ­Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht.
Schon lange sind sie da, die mahnenden und warnenden Stimmen der Bauwirtschaft. Inzwischen müssten auch diejenigen in der letzten Reihe des Saals es vernommen haben – sie ist da. Wirklich und wahrhaftig, die große Krise derer, die den Berliner Wohnungsmarkt entspannen könnten. Es geht jetzt um das große Ganze. Da verabschieden sich namhafte Unternehmen von Immobilienentwicklern und Bauträgern vom Markt und müssen Insolvenz anmelden. Wer jetzt vielleicht noch ein bisschen schadenfroh denkt, es handelt sich um eine gesunde, längst überfällige Marktbereinigung, verkennt den sozialen Sprengstoff und die Auswirkungen, die diese ersten Insolvenzen nach sich ziehen.
Die Gemengelage aus gestiegenen Kosten, explodierten Zinsen, steigender Inflation, Baustoffpreiserhöhungen, Lieferkettenengpässen und Fachkräftemangel stellt auch die Immobilienbranche aktuell vor fast unlösbare Aufgaben. Und die Immobilienbranche ist wahrlich keine wirtschaftlich unbedeutende Branche.
Was sagt die Politik dazu? Die politisch Verantwortlichen weigern sich zu erkennen, dass eine ganze Branche gerade abstürzt. Statt Bürokratieabbau, zügiger Bearbeitung von Bebauungsplänen und Bauanträgen sowie Erleichterungen bei Bauvorschriften werden höhere und immer teurere Hürden aufgebaut wie mit dem geplanten Gebäudeenergiegesetz, das nur den vorläufigen Höhepunkt der politischen Entscheidungsfindung und des Gesetzgebungsverfahrens darstellt.
Man braucht keine Glaskugel, um vorherzusagen, dass die Anzahl an fertiggestellten Wohnungen in den nächsten Jahren drastisch sinken wird. Und das bei einem Zuzug von rund 75.000 neuen Einwohnern in die Hauptstadt allein im Jahr 2022. „Wohnst du schon, oder suchst du noch“ – so spaßig das klingt, beschreibt es doch in einem Satz unsere aktuelle (Not-)Lage: Wir brauchen Wohnungen, und zwar schnell. Anstatt weiterhin das unrealistische Ziel der Schaffung von jährlich 20.000 neuen Wohnungen vor sich herzutragen, sollte der Berliner Senat schnellstens mit der Bauwirtschaft den intensiven Austausch suchen und alle Konzentration auf gemeinsame, realistische Lösungswege legen.
Insbesondere eine ausreichende Wohnungsbauförderung kann schnell helfen. Die Förderbestimmungen 2023 waren schon ein Schritt in die richtige Richtung. Aber der Sprung war, trotz Hinweis der Verbände, doch noch nicht weit genug. Unter den heutigen Rahmenbedingungen werden sich viele Entwickler und Bauträger motivieren lassen, in den geförderten Wohnungsbau zu investieren, wenn dieser auskömmlich ist. Und gerade diese ­Wohnungen braucht Berlin.