FOKUS

„Wir leiden unter den internationalen Krisen“

Dr. Linda und Lorenz Riele produzieren in dritter Generation Photometer, meist für Märkte außerhalb Europas. Die geopolitischen Spannungen verfolgen sie mit Sorge.
Die Robert Riele GmbH & Co KG ist ein vor mehr als 75 Jahren gegründetes Traditionsunternehmen aus Hermsdorf. Die Geschwister Linda und Lorenz Riele haben 2018 die Geschäftsführung von ihren Eltern übernommen. Mit ihren Geräten analysieren Krankenhäuser, Labore oder Arztpraxen die Blutwerte von Patienten. Sehr oft liefern sie in schwierige Märkte in Asien, Afrika oder Mittelamerika. Eine langfristige Absatzplanung ist fast ausgeschlossen.

Berliner Wirtschaft: Robert Riele ist als export-orientiertes Unternehmen bekannt. Wie hoch ist heute Ihre Exportquote?

Dr. Linda Riele: Sehr hoch, weil wir kaum Photometer in Europa verkaufen. Es gibt nur eine sehr kleine Anzahl von Geräten, die wir in Deutschland zu Lehrzwecken an Schulen für Medizinisch-technische Assistenten liefern.
Lorenz Riele: Und wir haben ein zusätzliches Produkt, mit dem die Spermiendichte von Tieren gemessen werden kann, das ebenfalls in Deutschland verkauft wird. Rechnen wir dieses Produkt ein, liegt die Exportquote bei etwa 85 Prozent.

Wo liegen Ihre wichtigsten Märkte?

Lorenz Riele: Libyen, Ägypten, Indien, China und Indonesien sind für uns derzeit die wichtigsten Exportländer, bald kommen voraussichtlich Länder in Zentralamerika hinzu. Wir haben einen neuen Kontakt in Guatemala, der sich in weitere Länder in der Region ausweiten kann.

In wie viele Länder exportieren Sie?

Lorenz Riele: Es gibt kaum ein Land in Asien und Nordafrika, in das wir noch kein Gerät geliefert haben. Noch nicht aktiv waren wir in den USA. In Südamerika haben wir bislang auch nur nach Peru exportiert.

Wie schaffen Sie es, als kleines mittelständisches Unternehmen so viele Exportländer zu bedienen? Sie müssen ja ständig auf Reisen sein.

Linda Riele: Nein, wir treffen die meisten Kunden auf Messen. Die wichtigsten sind die Medica in Düsseldorf und die Medlab in Dubai. Unser neuer Geschäftskontakt zu Guatemala ist auf der Medica zustande gekommen. Sehr viel können wir heute mithilfe von Online-Meetings machen. Dass wir direkt zu den Kunden fliegen, ist die Ausnahme, aber es ist durchaus wichtig, den persönlichen Kontakt zu guten Kunden zu pflegen.
Lorenz Riele: Ja, und neben Guatemala steht China jetzt wieder bei uns auf der Agenda. Aufgrund der Pandemie konnten wir jahrelang nicht mehr unsere Kontakte dort besuchen. Im Übrigen liefern wir auch in Krisenregionen, und es ist nicht so selbstverständlich, dorthin zu reisen. Kürzlich bekam ich eine Einladung zu einer Messe nach Libyen, gleichzeitig wurde mir von der Reise abgeraten.

Haben Sie direkten Kontakt zu Endkunden, oder arbeiten Sie mit Vertriebspartnern?

Lorenz Riele: Unser Geschäft ist ein reines B2B-Geschäft. Es läuft alles über Distributoren. Die machen auch das Marketing vor Ort, ebenso den Vertrieb und den Service. Wir haben gar keine eigene Marketing-Abteilung. 

Medizintechnik leidet oft weniger unter Konjunkturschwankungen. Wie stabil ist Ihr Geschäft?

Linda Riele: Durch die Corona-Zeit sind wir tatsächlich sehr gut gekommen. Aber wir sind in Krisengebieten unterwegs, und wir leiden auch unter den internationalen Krisen. Das kann zu erheblichen Schwankungen führen. In der Vergangenheit war es glücklicherweise so, dass immer auch wieder Geschäfte in neuen Märkten verlorene Umsätze in anderen Staaten ausgleichen konnten.
Lorenz Riele: Wir haben viele Länder verloren. Früher haben wir sehr viel in den Iran geliefert; auch nach Algerien. Im Sudan und in Afghanistan geht auch nichts mehr. Die Geschäfte mit Saudi-Arabien sind durch den politischen Zwist komplett eingeschlafen, wobei wir uns dort mittlerweile wieder Hoffnungen machen. Der Distributor in Pakistan würde gern von uns kaufen. Aber da scheitert es an der nötigen Registrierung.

Warum können solche Geschäfte an der ­Registrierung scheitern?

Lorenz Riele: Mit regulatorischen Hemmnissen wie zum Beispiel der Registrierung haben wir in vielen Ländern Probleme. Aber wir können uns als deutsches Unternehmen darüber nicht beklagen. Deutschland hat ebenso Regularien für Medizinprodukte in Kraft gesetzt oder sogar damit angefangen. Wir müssen hier sehr aufwendig unser Qualitätsmanagementsystem in zweitägigen Audits überprüfen lassen.
Linda Riele: Das ist ein enormer Aufwand und sehr teuer. Als kleineres Unternehmen müssen wir Berater einschalten. Allein würden wir das nicht schaffen. Unternehmen aus dem Ausland, die in Deutschland etwas verkaufen möchten, müssen ihre Produkte natürlich genauso aufwendig registrieren lassen, und dann sagen viele Länder: Gut, aber dann führen wir bei uns eigene Regularien ein, und so müssen wir unsere Produkte in sehr vielen Ländern registrieren lassen. Daraus ergibt sich ein Aufwand, der schon einige Unternehmen zum Aufgeben gebracht hat.

Sie haben China als eines der wichtigsten Exportländer genannt. Bekommen Sie das getrübte Verhältnis zwischen Europa und China zu spüren?

Lorenz Riele: Uns macht China zu schaffen, weil es eines der Länder ist, die die Märkte mit staatlich subventionierten Billigprodukten fluten. Gleichzeitig hat China aber weiterhin unsere deutlich teureren Produkte in hohen Stückzahlen importiert – aufgrund der höheren Qualität. Als die Regierung dann aber die „China-first“-Politik ausgerufen hat, ist unser Geschäft dort zunächst komplett eingebrochen.
Linda Riele: Wir haben aber glücklicherweise einen sehr freundschaftlichen und langjährigen Kontakt zu einem chinesischen Distributor – auch ein Familienunternehmen – und konnten das Geschäft zum Teil wieder aufbauen. Wir haben dafür der Software unserer Geräte die chinesische Sprache beigebracht. Als kleine Firma können wir sehr schnell und flexibel auf entsprechende Kundenwünsche eingehen. Von diesen guten Kontakten und dieser Flexibilität leben wir.

Worin sehen Sie gegenwärtig besondere Risiken?

Lorenz Riele: Wir sind sehr besorgt in Bezug auf die geopolitischen Spannungen. Das löst bei mir wirklich enormen Stress aus. In Ägypten wird es für uns im Moment sehr schwer, weil dort keine Devisen mehr vorhanden sind; ebenso in Äthiopien. Gleichzeitig lese ich, dass diese Länder in das BRICS-Bündnis aufgenommen werden. Es ist zu befürchten, dass sich diese Staaten dann auch bei der Wahl ihrer Handelspartner umorientieren.

Zieht „Made in Germany“ noch als Verkaufsargument? 

Linda Riele: Für den Bereich der Medizin kann ich sagen, dass „Made in Germany“ im Ausland immer noch einen sehr guten Klang hat. 
Lorenz Riele: Wir haben Kunden, die uns immer wieder bestätigen, dass wir für Qualität stehen. Gleichzeitig haben die Distributoren aber auch noch eine günstigere Variante im Portfolio. Und leider zählt in manchen Ländern bei den Endkunden der Qualitätsgedanke nicht mehr so stark, auch weil sie einfach wenig Geld haben. Dann sagt der Kunde: Das billige Produkt geht vielleicht auch. Wer dann Stress mit dem Gerät bekommt und monatelang auf Antwort vom Hersteller warten muss, hat dann mitunter nicht mehr die finanziellen Möglichkeiten, ein hochwertiges Produkt zu kaufen.
Linda Riele: Qualität heißt leider auch, dass Kunden, die unsere Geräte kaufen, mitunter für sehr lange Zeit versorgt sind. Bei guter Wartung kommt es vor, dass Riele-Technik mehr als 20 Jahre lang sehr gut funktioniert.
Lorenz Riele: Wir müssen dennoch sehr genau auf die Kosten achten. Auch für hohe Qualität zahlen Kunden nicht jeden Preis. Wir sind schon fast doppelt so teuer wie die günstigsten Produkte der Konkurrenz. Derzeit ist alles sehr kostenintensiv. Bauteile sind oft gar nicht verfügbar. Daraus ergibt sich das Problem, dass wir im Einkauf viel weiter vo-rausschauen müssen, ohne zu wissen, wie sich die Absätze tatsächlich entwickeln werden. Das heißt auch: Es wird schwieriger, bei unseren Bezugsquellen „made in Germany“ zu bleiben. Unsere Endfertigung bleibt aber in Hermsdorf.
Von Michael Gneuss