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Klima zwischen eisig und mild

Die aktuelle Konjunkturumfrage der Berliner und Brandenburger IHKs zeigt eine leichte Erholung bei weiterhin präsenten Risikofaktoren
Der Konjunkturverlauf gleicht seit drei Jahren einer Achterbahnfahrt: Steilen Abstürzen folgen Passagen schneller Erholung, auf die nach einiger Zeit wieder ein Absturz folgt. Einen sicheren Tritt, einen stabilen Aufwärtstrend hat die Wirtschaft noch immer nicht gefunden. Aktuell befindet sich die Konjunktur wieder in einer Erholungsphase.
Das Konjunkturklima der Hauptstadtregion ist nicht mehr so eisig wie noch im Herbst, als viele Unternehmen – aber auch Verbraucher und Politiker – angesichts drohenden Gasmangels und Blackouts äußerst pessimistisch auf den Winter blickten. Diese Befürchtungen haben sich nicht realisiert und werden mit einiger Sicherheit auch in den kommenden Monaten nicht eintreten.
Nicht zuletzt der überdurchschnittlich milde Winter ist dafür ursächlich. Aber auch die massiven energetischen Anpassungsleistungen der Wirtschaft, neu erschlossenen Energiequellen und staatlichen Kostenbremsen nahmen dem Risiko zumindest teilweise die Schärfe. Der Konjunkturklimaindex der Wirtschaft in der Hauptstadtregion steigt daher deutlich: von 78 Punkten im Herbst auf 104 Zähler. Angesichts des noch vor einigen Monaten erwarteten wirtschaftlichen Einbruchs ist das ein guter Wert. Doch vergleicht man ihn mit den Zeiten der Hochkonjunktur in den Jahren 2016 oder 2017, wird deutlich, dass eine stabile Konjunktur derzeit weit entfernt liegt: Damals zählte der Index knapp 140 Punkte.
Konjunkturklimaindikator
Der Preisdruck bei Vorleistungen lässt etwas nach, auch die Lieferkettenproblematik zeigt sich weniger dramatisch als zuletzt. Die Sorge, inflationsresultierend mit einer Arbeitskostenexpansion konfrontiert zu sein, lässt vorerst nach. Doch bleiben alle genannten Risikofaktoren präsent. Mit ihrer baldigen Auflösung ist nicht zu rechnen. „Unternehmerisches Geschick sowie die notwendigen politischen und finanziellen Unterstützungen sind weiterhin Schlüsselfaktoren für die Zukunft“, so Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin, der die Ergebnisse der Konjunkturumfrage gemeinsam mit seinen Amtskollegen Dr. Wolfgang Krüger, IHK Cottbus, Gundolf Schülke, IHK Ostbrandenburg, und Mario Tobias, IHK Potsdam, im Ludwig Erhard Haus vorstellte.
Indikatoren für das Konjunkturklima
Indikatoren für das Konjunkturklima
Besonders sichtbar ist die Veränderung gegenüber dem Herbst bei den deutlich aufgehellten Geschäftserwartungen

Konsum nach Corona hält weiter an

Konjunkturstützend wirkt der weiterhin anhaltende Konsum nach Corona in Gastgewerbe und Tourismus. Auch in den Dienstleistungsbereichen hat sich das Konjunkturklima zu Jahresbeginn etwas aufgehellt. Der stabile Arbeitsmarkt und die entspanntere Energiekostenentwicklung stimulieren die Konsumenten weiterhin, die in der Corona-Krise angelegten Ersparnisse aufzulösen. Nicht zuletzt die stark negativen Realzinsen dürften dazu beitragen, dass Konsumentscheidungen zeitnah getroffen werden.
Auf kräftigen konjunkturellen Rückenwind wird Berlin dennoch einige Zeit warten müssen. Aktuell sorgen noch zu viele Risiken für Unsicherheit: Zwar nimmt die Inflationsrate langsam ab, aber die Kerninflation bleibt hoch. Weitere Zinsschritte der EZB sind wahrscheinlich. Die angespannte weltpolitische Lage tut ein Übriges. Angesichts dieser wird so manches Unternehmen größere Investitionen vorerst zurückstellen. Der dringend nötige kräftige Aufschwung, der die Perspektive endlich wieder für Zukunftsprojekte, Innovationen und Visionen in der Wirtschaft frei macht – er ist noch nicht in Sicht.
von Christian Nestler