Auf den Punkt

Nachfolge ist mehr als ein „Weiter so“

Wer ein Unternehmen übernimmt, muss es zukunftsfähig aufstellen. Doch in Deutschland sinkt das Interesse an der Selbstständigkeit – hier müssen die Rahmenbedingungen dringend verbessert werden.
Meinung
In der Kolumne „Auf den Punkt“ ­positionieren sich im ­monatlichen Wechsel Mitglieder des ­Präsidiums zu wirtschaftspolitischen ­Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht.
Früher oder später stehen alle erfolgreichen Unternehmerinnen und Unternehmer vor derselben Frage: Wie regle ich meine Nachfolge? Dabei steht einiges auf dem Spiel – nicht nur für das Unternehmen selbst, sondern für die gesamte Volkswirtschaft: Wertschöpfung, Arbeitsplätze und nicht zuletzt oft ein Lebenswerk.
Die Frage ist jedoch keineswegs nur, ob es weitergeht, sondern auch wie. Denn Nachfolge bedeutet nicht nur, in die Fußstapfen der vorherigen Generation zu treten, sondern das Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen – dazu gehören die digitale und ökologische Transformation, Nachhaltigkeit und die stetige innovative Weiterentwicklung der Produkte.
In Deutschland erleben wir aktuell jedoch leider ein „nachfolgefeindliches“ Klima. Fachkräftemangel, Bürokratie, Energiewende und ökologische Transformation führen dazu, dass viele vor der Selbstständigkeit zurückschrecken. Die Unsicherheiten durch Pandemie und Ukraine-Krieg wirken hierbei zusätzlich als Katalysatoren. Laut DIHK-Report findet nahezu die Hälfte der suchenden Unternehmen keinen geeigneten Nachfolger. Die Anzahl der Übernahme-Interessierten ist seit 2009 um 75 Prozent rapide gesunken. Deutschland droht anstelle der Technologieführerschaft der „Ausverkauf“ und die Abwanderung von Know-how – auch beim familiengeführten Mittelstand, wie der erst jüngst vollzogene Verkauf des Geschäftsbereichs „Climate Solutions“ der Viessmann Group an Carrier verdeutlicht. Ein weiteres Beispiel sind Solar- und Windkraft. China ist der Weg an die Weltspitze in kürzester Zeit durch staatliche Investitionen, die Absenkung der Mehrwertsteuer und schnelle Genehmigungsverfahren gelungen. Vor 20 Jahren dominierte die europäische Windindustrie den Weltmarkt – 2021 wurde die Hälfte aller neu gebauten Windräder in China errichtet. Der chinesische Markt wird dabei nahezu ausschließlich durch lokale Unternehmen bedient.
Die skizzierten Herausforderungen lassen sich freilich nicht über Nacht lösen und auch nur bedingt beeinflussen. Daher sollte man vor allem jene Stellschrauben in den Fokus nehmen, auf welche man einwirken kann, wie den Abbau von Bürokratie und die Erleichterung von Finanzierungswegen. 79 Prozent der unternehmerisch Interessierten, die sich von ihrer IHK beraten lassen, sehen Bürokratie als große Hürde. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten sich jedoch nicht wie Verwaltungsmitarbeiter fühlen, sondern sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und sich nicht entmutigen lassen, den Herausforderungen der Zeit mit innovativen Lösungen zu begegnen.
Von Jessyca Staedtler
Geschäftsführerin der documentus GmbH Berlin und Mitglied des IHK-Präsidiums