BW 03/2022 - FACHKRÄFTE

Gute Einstellung

Fachkräftemangel stellt für drei Viertel der Berliner Unternehmen das größte Geschäftsrisiko dar. Diese zehn Strategien zeigen, wie erfolgreiches Recruiting funktioniert
Hierzulande ist nicht mit einem „Big Quit“ wie in den USA zu rechnen, wo bereits seit 2021 massenweise Arbeitnehmer kündigen. Dennoch rechnen Experten damit, dass mit Abflachen der Pandemie die Arbeitsmarktmobilität steigen wird – damit aber auch die Chancen, neues Personal zu finden. „Viele Fachkräfte suchen nicht aktiv nach einem neuen Job, sind aber wechselwillig. Unternehmen müssen Bewerbende dort ansprechen, wo sie sich aufhalten: zum Beispiel auf Social Media. Wir sehen, dass mittlerweile über 50 Prozent der Bewerbungen über Facebook und Co. kommen“, sagt Marius Luther, CEO und Mitgründer von HeyJobs.
Als Inspiration für den eigenen, wettbewerbsfähigen Ansatz bei der Personalsuche finden Sie im Folgenden zehn Tipps für Ihr Recruiting.

10 Tipps für Ihr Recruiting

Tipp 1: Die beste Werbung: eigene Beschäftigte

Ob Mundpropaganda oder institutionalisierte Finder’s Fee – binden Sie Ihre Mitarbeiter ein. Das Erfolgsrezept ist deren Zufriedenheit. Achten Sie auch auf das, was über Ihr Unternehmen auf Bewertungsportalen wie Kununu geschrieben wird. Schlechte Rezensionen schrecken potenzielle Bewerber ab.
→ Durch Podcasts von anderen lernen, z. B. „Handelsblatt“: „Rethink Work“

Tipp 2: Zielgruppen herausarbeiten

In der Produktentwicklung ist es schon lange klar: Neue Schuhe oder Lebensmittel werden danach entwickelt, welcher Zielgruppe sie gefallen. Warum sollte das bei Ihrem Recruiting anders sein? Fangen Sie an mit einer Zielgruppenanalyse. Gerade Jüngere, die aktuell auf den Arbeitsmarkt kommen, sind vollständig digital aufgewachsen und haben zum Teil ganz andere Erwartungen.
→ KOFA Leitfaden: kofa.de/strategische-­ perso­nal­arbeit

Tipp 3: Stellenausschreibungen optimieren

Je besser Sie Ihre Zielgruppe kennen, desto genauer können Sie Stellenausschreibungen auf diese zuschneiden. Nutzen Sie die direkte Ansprache, geben Sie realistische Vorstellungen vom Job und lassen Sie das weg, was nicht zwingend erforderlich ist. Achten Sie auch darauf, dass Ihre Stellenanzeigen gender-fair formuliert sind, um alle Menschen anzusprechen.
→ Stellenanzeigen mit dem Gender Decoder umformulieren: genderdecoder.wi.tum.de/

Tipp 4: Neue Tools ausprobieren

Seit einigen Jahren bietet der Markt von spezifischen Tools bis hin zu All-in-One-Lösungen quasi alles, was das Recruiter-Herz begehrt: CV-Analyse, KI-Technologien zum Matching oder Infra-strukturen für virtuelle Karrieremessen. Als ersten Schritt in Social Media mit den eigenen Stellenangeboten sichtbar zu werden, kann ebenfalls helfen.
→ Kostenlose Schulungen von LaRiF zu ­Recruiting über Social Media: la-red.eu/larif

Tipp 5: Schnelligkeit zählt

Amazon hat 2020 in den USA 100.000 neue Mitarbeiter in einer Woche eingestellt. So viel Effektivität brauchen Sie wahrscheinlich nicht, dennoch zählt: je schneller, desto besser. Etablieren Sie daher einen schlanken, effizienten Bewerbungsprozess. Zwei Wochen Wartezeit für eine Antwortmail kann sich heute kein Arbeitgeber mehr leisten, zu groß ist die Konkurrenz.
→ Hinweise gibt Stepstone: stepstone.de/wissen/erfolgsfaktor-bewerbungsprozess

Tipp 6: Öffnung für Quereinsteiger

Aktuelle Studien zeigen, dass über 90 Prozent der Fachkräfte, die einen Quereinstieg gewagt haben, dies im Nachhinein für die richtige Entscheidung halten. Man kann davon ausgehen, dass das Abflachen der Pandemie die Mobilitätsfreude von Beschäftigten bekräftigt. Ebenfalls interessant: die Ansprache von latent suchenden Fachkräften. Aktuell sind viele Fachkräfte für Angebote offen, auch wenn sie sich nicht aktiv bewerben.
→ Beratung zu Nachqualifizierungen bietet ­die Fachstelle „Qualifizierungsberatung in KMU“: gesbit.de/lebensbegleitendes-lernen

Tipp 7: Active Sourcing und Talent Pool

Beim Active Sourcing suchen Recruiter aktiv nach qualifizierten Kandidaten und sprechen diese an. Es kann sich auch lohnen, einen eigenen Talent Pool dafür aufzubauen.
→ Kostenlose Angebote von Berlin Partner zur Arbeitgebersichtbarkeit und Vermittlung: talent.berlin/jobs

Tipp 8: Digitale Auswahltests

Oft dauert ein Assessment-Center mehrere Stunden, teilweise ganze Tage. Doch auch hier gibt es neue Ansätze. Das Berliner Start-up Aivy hat ein „Game-based Assessment“ entwickelt, bei dem der Bewerber in einer App psychometrische Minispiele durchläuft, die dem Personaler Rückschlüsse auf seine Eigenschaften geben.
→ Vergleich 25 gängiger Bewerbermanagement-Tools: trusted.de/recruiting

Tipp 9: Aus dem Ausland rekrutieren

Nicht nur EU-weit, sondern auch in Drittstaaten nach Talenten zu suchen, ist seit 2020 durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz einfacher geworden. Unterstützen kann hier der Arbeitgeberservice der Arbeitsagenturen sowie der Business Immigration Service (BIS). Dazu hat Remote Working durch die Corona-Pandemie einen zusätzlichen Schub erfahren. Employer-of-Record-Anbieter, wie das Berliner Start-up Lano, helfen hierbei.
→ Dual-Career-Netzwerk von Berlin Partner: talent.berlin/arbeiten/dual-career

Tipp 10: Überwinden unbewusster Denkmuster

Wir alle haben sie im Kopf: unbewusste Vorurteile und Voreingenommenheiten gegenüber anderen Menschen. Dadurch können potenzielle Spitzenkandidaten weniger Chancen erhalten. Hier hilft nur aktives Gegensteuern: Stellenausschreibungen inklusiv gestalten, Auswahlgespräche virtuell führen und Interviewprozessestandardisieren. Empfehlenswert ist auch ein gezieltes Anti-Bias-Training.
→ KMU-Toolbox des IQ-Netzwerks: netzwerk-iq.de/angebote/iq-good-practice


von Julian Algner