BW 11/2021 - AGENDA

Abenteuer Unternehmertum

Zu Gast bei der IHK: Dr. Georg Kofler sprach Klartext und stellte der Berliner Verwaltung ein verheerendes Zeugnis aus. Gründer ermutigte er, die Selbstständigkeit zu wagen
Juror bei der TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“, Vorstandschef der Social Chain AG, ehemaliger Vorstandsvorsitzender bei Pro- Sieben, Aufsichtsratsmitglied bei Hertha BSC – und ein Freund offener Worte: Dr. Georg Kofler war Gast beim Wirtschaftspolitischen Gespräch der IHK Berlin im Ludwig Erhard Haus am 6. Oktober. Mit Kritik an der Berliner Verwaltung hielt er dabei nicht hinter dem Berg.
„Ich bin gespannt auf die Ideen, die Sie für Berlin pitchen“, begrüßte IHK-Präsident Daniel- Jan Girl den Manager. Dessen Leidenschaft für das Unternehmertum spürten die Gäste vor Ort und digital zugeschaltet bereits nach wenigen Sekunden seiner einführenden Rede. Das TV-Format „Die Höhle der Löwen“ und die Rolle der Investoren in der Jury wertete der ehemalige Medienmanager dabei als einen Erfolg, der über den Quotenerfolg hinausgehe. Jahrelang hätten Fernsehsender das Format nicht umsetzen wollen, immer mit der Begründung, dass Wirtschaft nicht fernsehtauglich sei. Jetzt hole Vox mit der Sendung regelmäßig den Tagessieg in der umkämpften Primetime. „Wirtschaft kann eben doch erfolgreich im Fernsehen sein“, freute sich Kofler.
Die Sendung sei ein Spiegel dessen, was Unternehmertum wirklich sei: eine Lebenseinstellung. „Unternehmertum ist ein Abenteuer. Man geht viele Risiken ein, aber man hat auch die Chance auf Lebensglück.“ Und dank der Digitalisierung sei es noch nie so leicht gewesen, ein Unternehmen zu gründen und dadurch Arbeitsplätze zu schaffen. „Es ist ein großes Glück, solch eine Gründerszene zu haben in Deutschland.“ Dies müsse jedoch auch begleitet werden von einem Fundament der Marktwirtschaft und einer freiheitlichen, wettbewerbsorientierten Gesellschaft: „Wirtschaft ist Teil der Gesellschaft, Wirtschaft übernimmt Verantwortung für die Gesellschaft, und Wirtschaft ist ein Fortschrittsmotor für die Gesellschaft“, so Kofler. Um dies deutlich zu machen, sollten sich Unternehmer viel stärker politisch engagieren und sich im öffentlichen Diskurs für ihr Weltbild stark machen.
In der anschließenden Diskussion griff Moderator und IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder das Thema gleich auf: Ob für den Unternehmer denn auch eine Karriere als Politiker denkbar sei, fragte er Georg Kofler. Doch der sah sich eher nicht in der Politik: „Ich engagiere mich gern und schätze die intellektuelle politische Auseinandersetzung, aber selbst als politischer Akteur aufzutreten – das entspricht nicht meiner DNA. Dafür bin ich zu ungeduldig.“ Kofler versuche lieber, über Impulse politisch Einfluss zu nehmen.
Natürlich hatten die Teilnehmer vor Ort und im Chat auch Gelegenheit, Fragen zu stellen. Jürgen Mieth von der Commerzbank AG machte den Anfang und wollte wissen, wie man bei Partnerschaften im Rahmen von Investitionsvorhaben kompetente Unternehmer von inkompetenten Unternehmern, die sich jedoch gut vermarkten können, unterscheiden könne. Dafür habe Kofler kein Patentrezept parat, verwies aber auf eine Mischung aus Erfahrung und Bauchgefühl. „Die beste Prüfung der Kompetenz ist, wenn Unternehmer selbst für ihre Behauptungen einstehen müssen – was aber leider eben nicht immer der Fall ist“, so der Unternehmer.
Dies unterscheide zum Beispiel auch die Politik von der Privatwirtschaft. Kofler verwies in diesem Zusammenhang auf die aktuelle Enteignungsdebatte von großen Immobilienkonzernen in Berlin. Außerdem könne er – nachdem die Berliner gerade mit dem Mietendeckel „brutalst möglichen Anschauungsunterricht“ gehabt hätten, wie sozialistische Instrumentarien krachend scheitern – nur über die „faszinierende Unbelehrbarkeit“ von einigen Menschen staunen. Um zurück auf die Frage nach unternehmerischen Entscheidungen zu kommen, stellte Eder die Anschlussfrage: „Nach welchen Maßstäben gehen Sie Investitionen ein?“ Kofler erklärte, auch hier spiele Intuition eine große Rolle: „Man kann ja nur auf Menschen setzen. Unternehmen sind Organisationen, in denen Menschen wirken, daher schaue ich vor allem auf die Gründer – und natürlich auf die Geschäftsidee.“ Dafür müsse man seinem inneren Kompass vertrauen.
Im Laufe der Diskussionsrunde sprach Jungunternehmerin Katharina Marioth-Lange die frustrierenden Bürokratiehürden beim Gründen an. Kofler stimmte ihr zu und stellte der Berliner Verwaltung das Prädikat „katastrophal“ aus. „Ich befürchte, dass Berlin mittlerweile eine der am schlechtesten verwalteten Hauptstädte Europas ist“, urteilte Kofler. Das sei eine Blamage für Deutschland – ebenso wie die Wahlpannen in Berlin. Und weiter: „In der deutschen öffentlichen Verwaltung ist ein Bürokratiemonster gezüchtet worden, das die Dynamik lähmt und die Trägheitsgesetze verabsolutiert.“ Die Prozesse müssten dringend beschleunigt und vereinfacht werden. Auch in Sachen Digitalisierung läge Deutschland weit hinten.
Als Nächstes berichteten Peter Sänger von Green City Solutions und auch Unternehmerin Sarah Funk von den Unsicherheiten und dem Druck, unter dem viele Start-ups stehen. Kofler bekräftigte, dass das Unternehmertum voller Risiken stecke und Scheitern dazugehöre. Daher schlug der Unternehmer vor, dass in Deutschland eine Art Sonderwirtschaftszone für Start-ups geschaffen werden müsse: „Mehr Risikokapital in die Privatwirtschaft geben, dies durch beschleunigte Abschreibungen attraktiver machen und im Gegenzug die meisten öffentlichen Förderprogramme abschalten.“ International würden schließlich Milliarden darauf warten, in deutsche Unternehmen investiert zu werden. Zudem wolle er nicht, dass Beamte und Staatssekretäre entscheiden, wer oder was in Deutschland gefördert werde, sondern der Markt – die Unternehmer und Risikokapitalgeber.
Für junge Unternehmer gab er noch folgenden Tipp mit auf den Weg: „Das Unternehmertum ist ein Abenteuer, und jedes Abenteuer hat einen Preis. Dieser Preis heißt Risiko. Diesem Risiko muss man ins Auge schauen, mutig sein und damit so locker wie möglich umgehen.“ Ein Trick im Umgang mit Risiken sei, sich vorzustellen, man hätte noch eine andere Option.
Zum Abschluss der Diskussion ging es – natürlich – auch darum, wie die nächste Regierung aussehen solle. Seine parteipolitischen Präferenzen hat der Unternehmer selbst mehrfach öffentlich gemacht. „Ich freue mich, dass es bei den Erstwählern nicht nur die Generation ,Fridays for Future‘ gibt, sondern auch eine junge Generation, die marktwirtschaftlich denkt.“ Von der nächsten Regierung erhoffe er sich vor allem „echten Aufbruch, Mut zu Unkonventionellem und zur Priorisierung – insbesondere bei den Themen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Verwaltung“, schloss Georg Kofler.

von Melanie Schindler