BW 11/2021 - AGENDA

Umdenken der Entscheider wäre eine gesunde Sache

Viele innovative Lösungen und Service-Angebote im Gesundheitsbereich sind aus technologischer Sicht bereits möglich. Nur bei der Anwendung hat Berlin Nachholbedarf
Wenn wir den Zeichen der Zeit Glauben schenken, macht sich die Stadt nun – nach dem gescheiterten Versuch im Jahr 2015 – ernsthaft auf den Weg zur smarten Metropole. Nicht zuletzt als Unternehmer lässt mich das hoffnungsvoll in die Zukunft schauen.
Einem gemeinsamen Verständnis folgend, wie sich Leben und Arbeiten in der Smart City Berlin anfühlen sollen, braucht es Lösungen für eine lebenswerte Stadt und die damit verbundenen Herausforderungen. Im Gesundheitsbereich gibt es dafür viele – bislang ungenutzte – Ansatzpunkte: Es wäre mit den vorhandenen Möglichkeiten bereits heute machbar, Arzttermine über das Smartphone zu vereinbaren. Bei Nutzung der Technologie könnten der Behandlungsprozess beschleunigt, die Versorgungsqualität verbessert und die Behandlungskosten für Kostenträger optimiert werden.
Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz werden in Zukunft 20 Prozent der ärztlichen Leistungen bei Diagnose und Therapie ersetzt. In der Prävention werden etwa Geräte, die Vitalwerte messen und mithilfe von Software auswerten, dabei helfen, den Patienten ärztlich zu betreuen, bevor die fortgeschrittene Krankheit einen Klinikaufenthalt erfordert. Durch die Einführung vorhandener Technologien und Optimierung der Behandlungsabläufe können die Effizienz gesteigert und die Leistungserbringer zeitlich entlastet werden.
Mit der Bereitstellung der gesetzlich vorgeschriebenen und geförderten Telematikinfrastruktur (TI) hat die Industrie ihren Beitrag geleistet, damit digitale Funktionen wie die elektronische Patientenakte (ePA), die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), der elektronische Medikationsplan (eMP), das E-Rezept und das Notfalldatenmanagement (NFDM) über KIM – Kommunikation im Medizinwesen – als TI as a Service (TIaaS) möglich sind.
Damit die technischen Features auch in der Praxis ankommen, braucht es eine politische Rahmensetzung für die Harmonisierung und Standardisierung der Datensätze und verwendeten IT-Systeme im Gesundheitssektor. Bei Vergabeverfahren der Landeskliniken muss die Berliner Gesundheitspolitik den Fokus nicht auf den „billigsten“ Anbieter richten, sondern gezielt den Innovationstreibern aus der Gesundheitsbranche eine faire Chance geben. Dann würden diese Innovationen nicht nur Patienten und innovative Unternehmen begeistern, sondern auch den Pflegekräften zugute kommen und anderen Leistungserbringern sowie den Kostenträgern bei der Kostensenkung helfen.
Die Anschaffung und Wartung der TI-Komponenten ist für die Leistungserbringer im Gesundheitswesen kostenneutral. Es müssen lediglich die Priorisierung und die Fokussierung in den Köpfen der Entscheider erfolgen.