BW 06/2021 – Branchen

Kochsalz für die Klimawende

Wer die Frage nach dem größten globalen Batteriemarkt der Zukunft stellt, wird oft diese Antwort bekommen: Elektromobilität. Oft, aber nicht immer. Jan IJspeert, Geschäftsführer der BAE Batterien GmbH in Schöneweide, sieht diesen Fokus zu eng gesetzt und plant mit anderen Schwerpunkten. Wo die liegen, verdeutlicht er mit einem ambitionierten Vorhaben, das in Berlin 380 neue Industriejobs schaffen wird. Unter Führung der BAE wird das internationale Firmenkonsortium CSE zwischen 2021 und 2022 einen Produktionsstandort im CleanTech Business Park Marzahn errichten, an dem stationäre Salzbatteriespeicher hergestellt werden sollen. Die beteiligten Firmen gehen dabei unter anderem ein nicht mehr ganz Neues, aber noch immer großes Problem an – die starken Schwankungen in der Erzeugung erneuerbarer Energien. Fehlt zum Beispiel der Wind, stehen Windkraftanlagen still, weht er dagegen stürmisch, fällt schnell mehr Energie an, als die Netzinfrastruktur aufnehmen kann.
„Zur Erreichung der Klimaziele 2030/2050 sind für den Ausbau der erneuerbaren Energien umweltfreundliche, dezentrale Energiespeicher erforderlich“, so IJspeert. „Dafür sollten innovative nachhaltige Technologien wie die CSE-Batterie eingesetzt werden. Ohne optimierte Speicher keine Energiewende!“ Die Bedeutung der Speicher dürfte weiter zunehmen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Nachschärfung beim Klimaschutzgesetz wird der Anteil der erneuerbaren Energien, der schon heute 44 Prozent des deutschen Strommixes ausmacht, weiter steigen müssen. Auch international steht die zunehmende Bedeutung von Klimaschutz und regenerativen Energien außer Frage, wie die vor Kurzem verschärften EU-Klimaziele zeigen.
Das CSE-Konsortium, das die Abkürzung für Ceramic, Salt und Energy und damit gewissermaßen die Zutaten seiner Speicherprodukte im Namen trägt, besteht neben der BAE Batterien GmbH aus der Berliner DPU Investment GmbH, der Netracon Technologies aus den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie dem italienischen Unternehmen Universal Nature Energy (UNE). Das Wirkprinzip der CSE-Batterie wurde bereits in den 1980er-Jahren entwickelt, auch bekannt als Zebra Batterie. In den 1990er-Jahren wurde die Technologie unter anderem von Daimler-Benz aufgegriffen. Es wurden erste batteriegetriebene E-Autos und E-Busse gebaut. Deutschland verfügte damit über eine umweltfreundliche Technologie, deren Entwicklung 1998 allerdings eingestellt wurde, weil die Lithiumtechnologie erfolgversprechender erschien und von der Politik verstärkt in den Fokus der Förderung gerückt wurde.
In Form stationärer Energiespeicher kommt die Technologie heute etwa in Einfamilienhäusern mit Photovoltaik-Anlagen, in Solarparks oder als Notstromversorgung zum Einsatz. Der Ausgangsstoff der CSE-Batterie ist Natriumchlorid, allgemein bekannt als Kochsalz und nahezu unbegrenzt in Europa verfügbar. Im Vergleich zu Lithium-Batterien sind CSE-Batterien außerdem nicht brennbar, nicht explosiv und heute schon zu 100 Prozent recycelbar. Um die Technologie und ihre Nutzung noch weiter zu entwickeln, holen sich die CSE-Partner außerdem zusätzliche Unterstützung aus der Hauptstadt und arbeiten mit dem Institut für Werkstoffwissenschaften und -technologien der TU Berlin zusammen.
Auch für den zukünftigen Standort der Fabrik ist das Projekt eine gute Nachricht. Der CleanTech Business Park in Marzahn ist zwar als Industriefläche seit 2016 schlüsselfertig erschlossen, Unternehmensansiedlungen ließen bisher allerdings weitgehend auf sich warten. „An interessierten Firmen mangelte es nicht“, sagt Roland Sillmann, Geschäftsführer der landeseigenen Wista GmbH, die den Park seit 2020 vermarktet. „Der CleanTech Business Park soll vor allem produzierende Unternehmen aus dem zukunftsorientierten Bereich CleanTech beheimaten. Dazu zählen zum Beispiel umweltfreundliche Energien, Energieeffizienz oder Materialeffizienz.“ Häufig passten laut Sillmann die anfragenden Firmen jedoch nicht zu diesem Profil. „Uns ist es wichtig, dass auf dem Areal Vernetzung und Kooperation zwischen den angesiedelten Firmen entstehen, damit innovative Produkte entwickelt und produziert werden können. Wenn dies nicht gelingt, dann bringt es uns auch nichts, wenn die Flächen schnell gefüllt sind.“
So soll der CSEProduktionsstandort im CleanTech Business Park in Marzahn aussehen
Im Dezember 2019 eröffnete die Firma Swissbit, das bisher einzige Unternehmen vor Ort, eine hochmoderne Elektronikfertigung. Der Schweizer Hersteller, dessen Produkte u. a. in Windkraftanlagen zum Einsatz kommen, plant, die Zahl der Beschäftigten in Marzahn bis zum Jahr 2023 von 200 auf 300 zu erhöhen. Um die Attraktivität vor Ort weiter zu steigern, haben Wista, HTW Berlin und der Bezirk kürzlich einen Transfer-Hub eingerichtet. So sollen Kooperationen zwischen Industrie, Studierenden und Start-ups gefördert werden, die zum Beispiel Projekte um ressourcenschonende Produktionsverfahren in den Fokus nehmen und damit auch die konzeptionelle Ausrichtung des Parks unterstreichen.
Auch beim geplanten Batterievorhaben macht sich Sillmann keine Sorgen: „Das passt perfekt.“ Diese Einschätzung dürfte nicht nur am Produkt selbst liegen, sondern auch an der Produktionsstätte. Eine transluzente Fassade aus Polycarbonat- Paneelen wird tagsüber einen Teil der Beleuchtung in der Halle und in den Büroräumen über Tageslicht abdecken. Außerdem sieht die Gebäudeplanung neben hohen Energieeffizienzstandards die Nutzung von regenerativen Energien sowie die Mehrfachnutzung von Prozessenergien und damit einen eigenen Beitrag zur nachhaltigen Produktion vor.
Das lange Vertrauen in das Konzept des Clean- Tech Business Parks scheint sich nun auszuzahlen, und so wird der größte Batteriemarkt der Zukunft voraussichtlich bald kräftig aus Berlin beliefert.
von Markus Krause