BW 06/2021 – Agenda

Mehr testen gegen das „Bildungsvirus“

Die Pandemie hat sehr deutlich gemacht, dass Berlin ein Umdenken in der Bildungspolitik braucht: Was nötig ist, um Spätfolgen für den Fachkräftenachwuchs zu mildern
Die Corona-Pandemie und die Steuerung der Bildungspolitik in dieser Phase hat die Aussicht des Mittelstandes auf den Fachkräftenachwuchs nicht verbessert. Fakt ist, dass das nahezu nicht vorhandene Betreuungswahlrecht der Eltern für ihre Kinder in der Kombination von Home-Office und Home-Schooling zu einer enormen Belastung geführt hat. Fakt ist weiterhin, dass der Bildungsstand einer gesamten „Bildungsgeneration“ nach der Pandemie stark vom Krisenmanagement der einzelnen Schule, der Innovationsfreudigkeit einzelner Fachlehrer und nicht zuletzt von pädagogischen Fähigkeiten einzelner Eltern abhängen wird. Bundesländer, die zeitig erkannt haben, was die Stunde schlägt, und während der Pandemie überlegter, konsequenter und vor allem koordinierter als Berlin vorgegangen sind, haben nicht nur ihre Unternehmen und deren Mitarbeiter entlastet, sondern auch den Effekt auf die zukünftige Fachkräfteversorgung gemildert. Investitionen in Digitalisierung inklusive Fortbildung der Lehrer zu digitalen Lerninhalten haben sich für fortschrittliche Bildungsverwaltungen an diesen Standorten ausgezahlt.
Jahrgangsübergreifende Vergleichsarbeiten ermöglichen Vergleiche zwischen Jahrgängen und Regionen. Ohne Frage werden diese Defizite gegenüber anderen Jahrgängen zeigen. Wie stark diese ausfallen, hängt wesentlich von der Bildungspolitik der letzten Monate ab. Was jetzt jedoch noch nicht offenbar wird, sind die Spätfolgen – die Knicke in Bildungsbiografien wegen des veränderten Lernverhaltens, Probleme beim Übergang zu weiterführenden Schulen oder der Leistungsabfall in höheren Klassenstufen aufgrund von Lernlücken durch zu freie Auslegung des Rahmenlehrplans.
„Mehr testen“ gilt als wichtiges Instrument, um das Coronavirus zu besiegen. Auch im Kampf gegen das Bildungsvirus kann das ein Weg sein. Nur wenn regelmäßig und unabhängig – also zentralisiert in Aufgabenstellung und Bewertung – der Bildungsstand unserer Kinder getestet wird, können Bildungs- wie Betreuungslücken erkannt und „behandelt“ werden. Hierzu gehört dann neben der Lehrerfortbildung auch ein vielfältigeres Lernangebot. Nur wer sein Bildungsdefizit mit zusätzlichen Lernangeboten – zum Beispiel in den Ferien – „kuriert“, kann Einfluss auf seine Bildungsbiografie nehmen. Die Digitalisierung hilft auch hier, ressourceneffiziente Formate und Angebote zu entwickeln.
Nicht zuletzt ermöglicht ein Umdenken in der Bildungspolitik auch eine Flexibilisierung der Regelbeschulung. Wenn nicht mehr reine Präsenz, sondern das Erreichen von Lernzielen die oberste Schülerpflicht ist, ergeben sich neue Möglichkeiten der Berufsvorbereitung, der Sprachausbildung, der Vermittlung von Querschnittswissen und damit auch der Fachkräfteentwicklung unserer Region.

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