BW 07-08/2021 – Fachkräfte

Betrieblich Qualifizierte gesucht

Mit der Berlin-Wahl im Herbst könnte der Ausbildungsmarkt eine neue Richtung einschlagen. In einer aktuellen IHK-Umfrage haben Unternehmen geäußert, was die Wirtschaft braucht
Seit einigen Jahren lässt sich in vielen Bereichen der Berliner Wirtschaft ein wachsender Fachkräfteengpass beobachten. Diese Entwicklung spüren auch die Unternehmen. Mit der Berliner Abgeordnetenhauswahl werden die Weichen für die Arbeitsmarkt- und Ausbildungspolitik der nächsten fünf Jahre gestellt.
In der aktuellen IHK-Umfrage „Ausbildungsmarkt von morgen“ haben über 300 Unternehmen beantwortet, wie sie sich den Ausbildungsmarkt perspektivisch vorstellen. 97 Prozent von ihnen gaben an, dass sie betrieblich qualifizierte Fachkräfte benötigen. Dahingegen liegt der Bedarf an Akademikern bei nur rund 26 Prozent. Um die Nachfrage nach betrieblich qualifizierten Fachkräften decken zu können, braucht es geeignete Mittel zur Nachwuchsqualifizierung. Auch hier sind sich die Berliner Unternehmen einig: 93 Prozent gaben an, dass sie die duale Ausbildung für ein zukunftsfähiges Modell halten. Aktuell bieten rund 75 Prozent der Berliner Unternehmen duale Ausbildungsplätze an, um ihren Fachkräftebedarf zu sichern und um jungen Menschen eine Chance für ihren Einstieg ins Berufsleben zu geben. 61 Prozent der Unternehmen bilden aus, um einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.
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27 Prozent der ausbildenden Unternehmen bilden bereits jetzt über ihren eigenen Bedarf hinaus aus und können sich grundsätzlich sogar vorstellen, noch weitere Ausbildungsplätze anzubieten. Unternehmen, die aktuell nicht ausbilden, stehen vor vielfältigen Herausforderungen, darunter sind Finanzierungsprobleme durch die Corona-Krise, fehlende innerbetriebliche Voraussetzungen und Probleme bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen.
Um dem Fachkräfteengpass in Berlin zu begegnen, empfiehlt es sich also, die positive Haltung der Unternehmen bezüglich der dualen Ausbildung zu nutzen und geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, um die duale Ausbildung aus Sicht der Unternehmen und der potenziellen Auszubildenden noch attraktiver zu gestalten.
Eine mögliche Ausbildungsplatzabgabe bewerten knapp 90 Prozent der Unternehmen als kritisch bis wirkungslos. Für den Weg aus der Krise kann laut Umfrage allerdings eine Kombination aus Entlastungen bei den Sozialabgaben, besseren Unterstützungsinstrumenten während der Ausbildung und Förderung der Aus- und Weiterbildung des innerbetrieblichen Ausbildungspersonals hilfreich sein.
Eine große Schwierigkeit sehen mehr als 50 Prozent der Unternehmen nach wie vor bei der Besetzung der Ausbildungsplätze. Außerdem beklagen fast 60 Prozent der Unternehmen eine fehlende flächendeckende Berufsorientierung in den Schulen und eine mangelnde Schulqualität an allgemeinbildenden Schulen. Potenziellen Auszubildenden fehlen oftmals soziale und fachliche Kernkompetenzen.

Neue Zielgruppen ansprechen

Darüber hinaus wünscht sich mehr als die Hälfte der Unternehmen eine modernere Berufsschulausstattung und Unterrichtsvermittlung entlang der Bedarfe der Wirtschaft. Laut den Umfrageergebnissen erklärt sich jedes zweite Unternehmen in diesem Rahmen dazu bereit, den Berufsschullehrkräften einen Einblick in ihren Betriebsalltag zu geben. Neue Ausbildungsberufe sind laut den befragten Unternehmen eher nicht notwendig, stattdessen sprechen sich mehr als 50 Prozent für mehr flexible Zusatzqualifikationen jenseits regulärer Ausbildungsinhalte aus (beispielsweise digitale Kompetenzen).
Nicht zuletzt sollte die berufliche Bildung für potenzielle Nachwuchskräfte sichtbarer und attraktiver werden. Fast zwei Drittel der Unternehmen wünschen sich, dass das Land Berlin Anreize und Vergünstigungen für Auszubildende in den Bereichen Wohnen und Mobilität schafft. Studienaussteiger sollten laut 50 Prozent der Unternehmen durch verstärkte Information und Beratung für die duale Ausbildung gewonnen werden. Weiteres Potenzial zur Erschließung neuer Zielgruppen sehen die Unternehmen nicht zuletzt in der Nachqualifizierung Geringqualifizierter sowie in der Zertifizierung von Kompetenzen, die außerhalb des formalen Bildungssystems erworben wurden.
von Mareike Heiss