BW 04/2021 – Agenda

Blaupause für die Berliner Politik

Die zweite Vollversammlung des Jahres – auch sie musste coronabedingt digital stattfinden. Und natürlich prägten die Pandemie und ihre Folgen einmal mehr die Tagesordnung. „Berlin befindet sich an einem Scheideweg“, so IHK-Präsidentin Dr. Beatrice Kramm. „Wir haben die besten Chancen, aus der Krise in eine neue Ära des wirtschaftlichen Wachstums zu starten. Aber wir haben immer noch ein ineffizientes Krisenmanagement. Wir haben immer noch eine schwerfällige Verwaltungsstruktur. Wir müssen aufpassen, dass wir unsere Chancen nicht verpassen und im schlechtesten Fall noch mehr Abstand zu den Metropolen dieser Welt bekommen.“
Vier Bausteine sind nach Ansicht der Kammer notwendig, um stark aus der Krise zu kommen: belastbare Öffnungsperspektiven, umfangreiches Testen und Impfen, effiziente Corona-Hilfen sowie ein zielgerichtetes Investitionsprogramm. Diese Punkte finden sich auch als zentrale Forderungen in den Wahlprüfsteinen der IHK für die Abgeordnetenhauswahlen im Herbst wieder, die bei der VV vorgestellt und verabschiedet wurden.
Die Wahlprüfsteine haben Haupt- und Ehrenamt in den vergangenen Monaten gemeinsam erarbeitet, um dazu im anstehenden Wahlkampf mit den Parteien in die Diskussion zu gehen. Zehn aktuelle und strukturelle Großbaustellen stehen dabei im Fokus: Neben der Corona-Krisenpolitik sind das die Themen Ausbildungs- und Fachkräftesicherung, Digitalisierung, Klimaschutz und Nachhaltigkeit, Konzepte für einen effizienten Wirtschaftsverkehr, Wohnungsbau und Gewerbeflächensicherung, Innovations- und Standortpolitik sowie natürlich die Modernisierung der Berliner Verwaltung. „Nach fast fünf Jahren des Gewöhnens an Rot-Rot-Grüne Wirtschaftspolitik wollen wir nicht nur aktuelle Debatten befeuern, sondern auch Blaupausen für den nächsten Koalitionsvertrag beisteuern“, so Kramm.
Ein großes Thema waren die Auswirkungen von Corona für den Ausbildungsmarkt. Die Zahl der Ausbildungsbetriebe ist zwar trotz Pandemie nahezu stabil geblieben, allerdings waren Vertrags- und Bewerberzahlen 2020 rückläufig, und die Sorge ist groß, dass sich dieser Trend angesichts fehlender wirtschaftlicher Perspektiven fortsetzt. Erschwerend komme hinzu, so Beatrice Kramm, dass Berufsorientierung, digitale Schule und Vermittlungsstrukturen der Jugendberufsagentur in der Krise nicht so funktioniert hätten, wie es wünschenswert gewesen wäre. Um hier perspektivisch Verbesserungen zu erreichen, habe die IHK u. a. einen Vorschlag zur Strukturreform der Jugendberufsagentur vorgelegt.

Zentrale Plattform für Ausbildungsmarkt

Bereits umgesetzt ist dagegen die neue Internetplattform www.ausbildung.berlin, die IHKBildungsgeschäftsführer Jan Pörksen den VV- Mitgliedern vorstellte. Jugendliche finden auf ausbildung.berlin alle freien Ausbildungsplätze in Berlin und Umgebung über alle Branchen hinweg, alle ausbildungsrelevanten Veranstaltungen und Ansprechpartner übersichtlich zusammengefasst, unabhängig davon, ob es sich um IHK- Berufe, Pflegeberufe, Handwerksberufe oder freie Azubiplätze in der Verwaltung handelt. Die Ausbildungsbetriebe profitieren ebenfalls: Die Metasuchmaschine erfasst auch Ausbildungsplatzangebote auf Unternehmenswebseiten und anderen Karriereportalen. Die Plattform wird von den Partnern der Ausbildung betrieben, die Initiative dazu kam von der IHK Berlin.
Erfreuliche Fortschritte gibt es auch beim Talente Check und dem daran angeschlossenen IHKShowroom: Beides soll im Sommer an den Start gehen, sofern Corona es zulässt. „Die Jugendlichen können sich im Showroom auf eine virtuelle interaktive Reise durch die Vielfalt der IHK-Berufe freuen“, so Jan Pörksen. Ziel von Talente Check und Showroom ist die Ergänzung und Verbesserung der Berufsorientierung für Jugendliche. Alle Achtklässler Berlins sollen künftig den interaktiven Parcours durchlaufen. Vorbild ist der Talente Check in Salzburg. Partner sind die Senatsverwaltung für Bildung, die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg und die IHK Berlin. Den Showroom werden die IHK und die Berliner Handwerkskammer gemeinsam betreiben.

Nachhaltigkeit wird zunehmend wichtiger

Ein weiterer zentraler Tagesordnungspunkt bei der Vollversammlung war die Vorstellung der Nachhaltigkeitsstrategie der Berliner IHK. „Nachhaltigkeit gehört zum Kern der Gesamtstrategie der Kammer“, so Antje Meyer, die Vorsitzende des Netzwerks Unternehmensverantwortung der IHK Berlin.
Nachhaltigkeit sei längst kein Add-on mehr für Berliner Unternehmen, sondern bringe handfeste wirtschaftliche Vorteile, etwa bei der Krisenresilienz, auch helfe sie bei der Mitarbeiterbindung und Mitarbeitergewinnung. Die IHK Berlin sehe es deshalb als zentrale Aufgabe an, Berliner Unternehmen zu befähigen, ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig zu handeln, erläuterte Antje Meyer und kündigte an, dass die Kammer im Herbst erstmals einen Nachhaltigkeitsbericht nach den Kriterien des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) vorlegen werde.
Auch wichtige personelle Veränderungen im Hauptamt gab es bei der Versammlung zu vermelden: Mit Stephan Wolter hat die IHK Berlin einen neuen stellvertretenden Hauptgeschäftsführer. Wolter ist seit 2011 in der Kammer tätig. Er war bei Amtsantritt der erste Chief Information Officer, den es in einer IHK-Organisation gab. Gleichzeitig ist er Geschäftsführer Organisationsentwicklung und Nachhaltigkeit. Neu in der Geschäftsführerriege ist auch Anke Fredericksen-Alde für die Geschäftsfelder Beratung und Service sowie Bildung und Beruf. Fredericksen-Alde hat zuvor den Bereich Außenwirtschaft und Recht geleitet. Die Neubesetzungen waren durch den Wechsel von Christoph Irrgang zur IHK Digital GmbH notwendig geworden.
von Claudia Engfeld