Zwischen Belastung und Hoffnung: Regionale Wirtschaft am Scheideweg

In der Frühjahrsumfrage der IHK Aschaffenburg trübt sich die Bewertung der aktuellen Geschäftslage weiter ein. Erstmals seit der Corona-Pandemie ist der Anteil der Pessimisten bei der Lagebewertung höher als der Anteil der Optimisten. 23 Prozent der Unternehmen am Bayerischen Untermain bewerten die laufenden Geschäfte mit gut, hingegen bewerten 27 Prozent diese mit schlecht.
  • Geschäftslage verschlechtert sich weiter
  • Branchenentwicklung uneinheitlich
  • Schwache Inlandsnachfrage größte Herausforderung
  • Rückläufige Personal- und Investitionsplanung
  • Verhaltener Optimismus für die Zukunft
„Die wirtschaftliche Lage bleibt angespannt. Viele Betriebe stehen unter erheblichem Druck, die Herausforderungen zehren zunehmend an der Substanz der regionalen Wirtschaft. Von der neuen Bundesregierung erwarten die Unternehmen jetzt entschlossenes Handeln – insbesondere beim Bürokratieabbau, bei schnelleren Planungsverfahren und sinkenden Energiekosten“, betont Dr. Andreas Freundt, Hauptgeschäftsführer der IHK Aschaffenburg.
Im Branchenvergleich zeigt sich ein gemischtes Bild: Während sich die Lage im Baugewerbe stabilisiert und die Dienstleistungsbranche verhaltenen Optimismus zeigt, trübt sich die Situation im Tourismus und im Handel im Vergleich zum Jahresbeginn deutlich ein – ein Zeichen dafür, dass die Konjunkturschwäche zunehmend auf die Verbraucher durchschlägt. In der Industrie bleibt die Stimmung negativ, auch unter dem Eindruck der US-Zollpolitik. 44 Prozent der Industrieunternehmen leiten aus dem Zoll-Chaos spürbare Belastungen für das eigene Geschäft ab. Die Mehrheit der Industriebetriebe spricht sich daher für neue Handelsabkommen mit alternativen Märkten, einer Vertiefung des EU-Binnenmarktes und die Vermeidung weiterer Eskalationen aus.
Gesamtwirtschaftlich betrachtet bleibt die schwache Inlandsnachfrage die größte Sorge der Unternehmen – gefolgt von unsicheren wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und hohen Arbeitskosten. Die Personalplanung ist weiter rückläufig: Während nur 10 Prozent der Betriebe mit mehr Beschäftigten rechnen, planen 22 Prozent einen Stellenabbau.
Die schwache Auftragslage schlägt sich auch in der Kapazitätsauslastung nieder – 31 Prozent der Unternehmen waren zuletzt nicht ausreichend ausgelastet. Damit verbunden verschlechtert sich auch die Liquidität: 16 Prozent berichten von einer schlechten oder gar existenzbedrohenden Finanzlage. Vor diesem Hintergrund bleibt die Investitionsbereitschaft niedrig. Immerhin: Der Anteil jener Unternehmen, die gezielt in Produktinnovationen investieren wollen, ist leicht gestiegen.
Viele Betriebe sehen nun dringenden Handlungsbedarf für Wachstumsimpulse. Eine gezielte Lockerung der Schuldenbremse könnte – sofern mit echten Strukturreformen kombiniert – aus Sicht der Unternehmen mittelfristig zur Stärkung des Standorts beitragen. 44 Prozent der Befragten erwarten, dass sich durch zusätzliche staatliche Ausgaben die allgemeine Wirtschaftslage verbessert, 20 Prozent hoffen auf mehr Aufträge für das eigene Unternehmen.
„Die Aussicht auf eine reformorientierte Bundesregierung in Kombination mit wachstumsfördernden Maßnahmen lässt den Ausblick etwas freundlicher erscheinen. Erstmals seit drei Jahren überwiegt bei den Geschäftserwartungen – wenn auch nur sehr knapp – wieder der Optimismus: 23 Prozent der Unternehmen rechnen mit einer Verbesserung, 22 Prozent mit einer Verschlechterung ihrer Geschäftslage“, fasst Andreas Elsner, Konjunkturexperte der IHK Aschaffenburg, zusammen.
Der Konjunkturklimaindikator, welcher sich aus der Beurteilung der aktuellen Geschäftslage und der künftigen Geschäftserwartung zusammensetzt, steigt spürbar von zuletzt 93,8 Punkten auf aktuell 98,6 Punkte. An der Umfrage haben sich 233 Unternehmen unterschiedlichster Wirtschaftszweige und Größenordnungen aus der Region Bayerischer Untermain beteiligt.
„Als Lieferant für High-Tech-Branchen spüren wir derzeit die Zurückhaltung im Investitionsgüterbereich, ausgelöst durch globale Unsicherheiten und zunehmende Handelskonflikte. Für eine nachhaltige Erholung hoffen wir, dass Europa schnell wirtschaftlich eigenständiger agiert und das angekündigte Konjunkturprogramm unbürokratisch umgesetzt wird.“ Florian Reuter, Geschäftsführer REUTER TECHNOLOGIE GmbH, Alzenau

Die Wirtschaftszweige im Detail

Industrie

Die konjunkturelle Lage der Industrie hat sich im Vergleich zum Jahresbeginn leicht verbessert, bleibt jedoch weiterhin angespannt. Zwar bewerten 18 Prozent der Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage als gut, doch 33 Prozent berichten von schlechten Geschäften – negative Einschätzungen überwiegen somit nach wie vor deutlich. Sowohl im Inlands- als auch im Auslandsgeschäft meldet rund die Hälfte der befragten Unternehmen rückläufige Auftragseingänge in den vergangenen Monaten. Mittlerweile sehen sich 54 Prozent der Industriebetriebe mit einem zu niedrigen Auftragsbestand konfrontiert. In der Folge waren zuletzt 43 Prozent der Unternehmen nicht mehr ausreichend ausgelastet. Größtes Sorgenkind bleibt die schwache Inlandsnachfrage, gefolgt von den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. An dritter Stelle der Herausforderungen stehen die hohen Energie- und Rohstoffpreise. Die aktuelle US-Zollpolitik bereitet ebenfalls vielen Unternehmen Sorgen: 44 Prozent rechnen mit negativen Auswirkungen auf ihre Geschäftstätigkeit. Als Reaktion darauf planen 13 Prozent eine Diversifizierung ihrer Absatzmärkte. 9 Prozent erwägen Preisnachlässe für US-Kunden, 7 Prozent denken über die Eröffnung eines Produktionsstandorts in den USA nach und 2 Prozent wollen ihre Lagerhaltung dort ausbauen. Die Mehrheit der Unternehmen hat allerdings bislang keine konkreten Maßnahmen getroffen oder sieht sich derzeit nicht in der Lage, entsprechende Schritte zu unternehmen. Die Investitionsbereitschaft der Industrie bleibt insgesamt auf niedrigem Niveau. Immerhin geben 39 Prozent der Betriebe an, Produktinnovationen seien der Hauptgrund für geplante Investitionen. Die Beschäftigungspläne der Industrie fallen weiterhin deutlich pessimistischer aus als in anderen Branchen: Während nur 10 Prozent der Unternehmen einen Personalaufbau anstreben, planen 33 Prozent einen Stellenabbau. Trotz der anhaltend schwierigen Lage keimt vorsichtiger Optimismus auf. Der Ausblick für die kommenden Monate hat sich spürbar aufgehellt: Erstmals seit zwei Jahren überwiegen die positiven Erwartungen wieder leicht. So rechnen 27 Prozent der Betriebe mit einer Verbesserung ihrer Geschäftslage, während 22 Prozent von einer weiteren Verschlechterung ausgehen.

Dienstleistungen

„Der Stückgutmarkt in Deutschland folgt der allgemeinen Konjunktur und ist seit 2023 rezessiv; insbesondere in den Bereichen Maschinenbau, Automotive und Konsum. Das beschlossene Sondervermögen und die im Koalitionsvertrag skizzierten Konjunktur- und Bürokratieabbaumaßnahmen müssen mit aller Entschlossenheit 2025 umgesetzt werden.“ Dr. Michael Bargl, Sprecher der Geschäftsführung IDS Logistik GmbH, Kleinostheim
Nach dem Stimmungseinbruch zu Jahresbeginn zeigt sich im Dienstleistungssektor eine Stabilisierung. In der aktuellen Frühjahrsumfrage bewerten die Unternehmen ihre laufenden Geschäfte wieder etwas zuversichtlicher. Rund 33 Prozent der Betriebe schätzen ihre Geschäftslage als gut ein, während 16 Prozent eine negative Einschätzung abgeben. Etwa ein Viertel der Befragten berichtet von einer gestiegenen Auslastung in den vergangenen Monaten. Insgesamt zeigen sich 80 Prozent der Dienstleister mit ihrer aktuellen Auslastung zufrieden. Die Investitionsbereitschaft bleibt im Vergleich zu früheren Umfragen konstant und liegt weiterhin über dem Niveau anderer Branchen. Der Anteil der Unternehmen, die mit Preiserhöhungen kalkulieren, ist leicht rückläufig. Derzeit planen 60 Prozent stabile Verkaufspreise. Als größte Risikofaktoren nennen die Unternehmen weiterhin die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, eine schwache Inlandsnachfrage sowie steigende Arbeitskosten. Trotz eines leicht überwiegenden Pessimismus verbessert sich der Ausblick auf die kommenden Monate per Saldo: 19 Prozent erwarten eine Verbesserung der Geschäftslage, während 21 Prozent von einer Verschlechterung ausgehen. Positiv entwickelt sich der Personalbereich. 19 Prozent der Unternehmen planen Neueinstellungen, während 14 Prozent einen Personalabbau beabsichtigen.

Bau

„Als Ingenieurbüro Jung GmbH wünschen wir uns, dass die neue Regierungskoalition vor allem die Kommunen durch das anstehende Konjunkturpaket finanziell entlastet und Infrastrukturmaßnahmen vorrangig fördert. Dadurch könnte sich die Auftragssituation in der Bauwirtschaft wieder verbessern und Arbeitsplätze gesichert oder neu geschaffen werden.“ Andreas Ohmann, Geschäftsführer, Ingenieurbüro Jung GmbH, Kleinostheim
Im Baugewerbe bleibt die Lage im Vergleich zum Jahresbeginn weitgehend stabil. 37 Prozent der Unternehmen berichten von einer guten Lage, während lediglich 7 Prozent eine schlechte Geschäftslage angeben. Damit ist die Stimmung im Baugewerbe im Vergleich zu anderen Branchen überdurchschnittlich, dennoch lässt das Volumen der eingegangenen Bauaufträge derzeit noch keinen Aufschwung erkennen. Hinsichtlich des Auftragsbestands bewerten 15 Prozent der Unternehmen diesen als größer als saisonüblich, während 30 Prozent angeben, dass er unter dem üblichen Niveau liegt. In Bezug auf die Kapazitätsauslastung geben 26 Prozent der Betriebe an, voll ausgelastet zu sein, 56 Prozent sind mit ihrer Auslastung zufrieden und 18 Prozent zeigen sich unzufrieden. Der größte Risikofaktor für die Unternehmen bleibt nach wie vor der Fachkräftemangel, gefolgt von den Arbeitskosten und der schwachen Inlandsnachfrage. Besonders die Sorge vor zu hohen Arbeitskosten hat im Vergleich zur letzten Umfrage deutlich zugenommen. Während zu Jahresbeginn noch 29 Prozent der Befragten die Arbeitskosten als Risiko bezeichneten, sehen nun 54 Prozent der Unternehmen diese als Geschäftsrisiko. Die Investitionsbereitschaft zeigt eine leichte Verbesserung, bleibt jedoch insgesamt auf einem eher schwachen Niveau. Die Personalpläne bleiben leicht negativ, was ebenfalls darauf hindeutet, dass ein nachhaltiger Aufschwung noch nicht in Sicht ist. Der Liquiditätsstatus wird von 96 Prozent der Unternehmen als gut oder befriedigend bewertet. Optimistisch fällt die Entwicklung der Geschäftserwartungen aus: Diese verbessern sich spürbar und befinden sich erstmals seit drei Jahren wieder im positiven Bereich. 20 Prozent der Unternehmen rechnen mit einer Verbesserung der Geschäftslage, 64 Prozent erwarten keine Veränderung und 16 Prozent blicken pessimistisch auf die kommenden Monate.

Handel

Im Handel verschlechtert sich die Stimmung erneut deutlich, und die Bewertung der Geschäftslage erreicht einen Tiefpunkt. Derzeit berichten 38 Prozent der Unternehmen von einer schlechten Lage, während nur 18 Prozent von guten Geschäften sprechen. Die Kunden reagieren wieder zurückhaltender, 57 Prozent der Händler verzeichnen rückläufige Umsätze. Angesichts dieser Entwicklung nennen 66 Prozent der Befragten die Inlandsnachfrage als zentrales Geschäftsrisiko. Ebenso häufig werden die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als Bedrohung identifiziert, während an dritter Stelle des Risikorankings von 50 Prozent der Befragten die Arbeitskosten genannt werden. Die Liquidität hat sich leicht verschlechtert: 16 Prozent der Unternehmen bewerten ihre finanzielle Lage als schlecht oder existenzbedrohend. Der Anteil der Betriebe, die Preiserhöhungen planen, geht mit 46 Prozent etwas zurück. Auch die Investitionsbereitschaft bleibt auf schwachem Niveau und zeigt im Vergleich zum Jahresbeginn einen weiteren Rückgang. Die Geschäftserwartungen bleiben im Vergleich zum Jahresbeginn unverändert und die Pessimisten dominieren weiterhin. 23 Prozent der Unternehmen rechnen mit einer Verbesserung der Geschäftslage, während 32 Prozent eine Verschlechterung erwarten. Auch die Personalpläne bleiben negativ: 32 Prozent der Unternehmen rechnen mit einem Rückgang der Beschäftigtenzahlen, während nur 10 Prozent von einer Zunahme der Mitarbeiterzahl ausgehen.

Tourismus

Im Tourismussektor trübt sich die Lage zum Frühjahr spürbar ein. Nur 11 Prozent der Unternehmen bewerten ihre laufenden Geschäfte als gut, während 32 Prozent eine negative Bilanz ziehen. Insgesamt sind die Umsätze zurückgegangen und neben einer schwachen Nachfrage von Geschäftsreisenden wird insbesondere auch der Umsatz mit Urlaubsreisenden und Tagestouristen zunehmend schlechter eingeschätzt. Die Auslastung, die sich bereits in der letzten Umfrage verschlechtert hatte, nimmt weiterhin ab. Zum Jahresbeginn berichteten 24 Prozent der Hotel- und Gaststättenbetriebe sowie der Reisebüros und Reiseveranstalter von einer unzureichenden Auslastung. In der aktuellen Umfrage geben nun 40 Prozent der Touristiker an, nicht ausreichend ausgelastet zu sein. Die schwache Auslastung wirkt sich negativ auf die Liquidität aus: 27 Prozent der Befragten bewerten ihre finanzielle Lage als schlecht oder existenzbedrohend. Das größte Geschäftsrisiko für die Branche sehen die Unternehmen derzeit in den Arbeitskosten, gefolgt von den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sowie den Energie- und Rohstoffpreisen. Die Verkaufspreise stabilisieren sich und die Mehrheit der Betriebe plant keine Preiserhöhungen. Beim Ausblick auf die kommenden Monate übernehmen aber erstmals seit zwei Jahren wieder die Optimisten das Ruder: 24 Prozent der Befragten erwarten eine Verbesserung der Geschäftslage, während 18 Prozent von einer Verschlechterung ausgehen. Dieser etwas aufgehellte Ausblick spiegelt sich auch in der Investitionsbereitschaft wider. Ein Viertel der Unternehmen plant, seine Investitionsbudgets in den nächsten Monaten zu erhöhen. Die Personalpläne bleiben hingegen weiterhin leicht negativ.